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Es braucht neue Regeln fürs Internet - Deutschland und Brasilien im Einsatz für Privatsphäre und Sicherheit

30.03.2015 - Interview

Gemeinsamer Beitrag der brasilianischen Botschafterin in Deutschland, Maria Luiza Viotti, und dem Sonderbeauftragten für Cyber-Außenpolitik im Auswärtigen Amt, Dr. Norbert Riedel. Erschienen am 30.03.2015 in der Frankfurter Rundschau. Übernahme mit freundlicher Genehmigung.

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Am 26. März 2015 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen im Konsens die Einsetzung eines Sonderberichterstatters zum Recht auf Privatsphäre beschlossen. So überraschend es klingen mag, aber neben den vielen weiteren Sonderberichterstattern der Vereinten Nationen zur Meinungsfreiheit, den Rechten von Kindern, Bildung und anderen Aspekten ist dies das erste Mal in der fast 40-jährigen Geschichte von UN-Sonderberichterstattern, dass ein Mandat zur Untersuchung des Rechts auf Privatheit erteilt wird - ohne Zweifel ein Beleg für die wachsende Bedeutung des Themas, gerade auch angesichts unaufhaltsamen Digitalisierung unserer Lebenswelt. Der Beschluss geht auf eine gemeinsame Initiative von Deutschland und Brasilien zurück. Das ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Aber darauf ruhen wir uns nicht aus.

In einer sich wandelnden Welt, die Antworten auf die fortschreitende Digitalisierung unserer Gesellschaften und neu entstehende Gestaltungsräume finden muss, können wir uns nicht auf gewohnte Ordnungsmuster zurückziehen und in starren Systemen verharren, die den Anforderungen der heutigen Zeit nicht mehr gerecht werden. Wenn wir von einer neuen Ordnung sprechen, dann meinen wir neue Regelungsmodelle, neue Beteiligungsformen, neue Politikgestaltungsprozesse und natürlich auch neue, belastbare Partnerschaften. Die deutsch-brasilianische Zusammenarbeit in der internationalen Netzpolitik steht unter diesen Vorzeichen. Drei Handlungsfelder stehen für uns besonders im Fokus.

Erstens: Globale Internetprinzipien weiterentwickeln. Das Internet ist ein globales Gemeingut. Wenn wir wollen, dass jeder einzelne, an jedem Ort dieser Welt von den freiheitsstiftenden, wirtschaftlichen und sozialen Wirkungen dieses einzigartigen Mediums profitieren kann, dann müssen wir uns gemeinsam auf Prinzipien einigen, die den Betrieb des Internets genauso wie unser Handeln im Netz anleiten. Solche Regelungen können nicht zwischen Regierungen hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden. Wenn sich jeder wiederfinden soll, braucht jeder eine Stimme: Nutzer, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Regierungen. Diesen Prozess hat die „NETmundial-Konferenz“ im April 2014 in Sao Paulo angestoßen und diesen Prozess führen wir fort.

Zweitens: Cybersicherheit fördern und Vertrauen wieder aufbauen. Themen wie Zensur und Überwachung sind in aller Munde und Anschläge wie der Cyberangriff auf Sony werden in der öffentlichen Diskussion rhetorisch vielfach in die Nähe von Kriegshandlungen gerückt. So wächst die Sorge vor einem Missbrauch des Internets als Spionage- oder Sabotagewerkzeug. Es steht außer Frage: wir müssen Sicherheit auch im digitalen Raum gewährleisten und Straftatbestände der physischen Welt sind in der virtuellen nicht aufgehoben. Aber wir dürfen nicht in kurzfristigem Aktionismus verfallen, statt auf langfristige Stabilität und wechselseitiges Vertrauen in einen globalen und damit zwangsläufig grenzüberschreitenden Raum zu setzen. Brasilianische und deutsche Experten arbeiten mit 18 weiteren Staaten zum Beispiel im Rahmen der Vereinten Nationen an einer Bestandsaufnahme bestehender internationaler Regelungen.

Darüber hinaus sind wir überzeugt, dass wir dem Idealbild einer Wissens- und Informationsgesellschaft nur gerecht werden können, wenn alle Regionen dieser Welt sicher und frei „online“ sind. Zugang zum Internet in Schulen und Verwaltungen, bezahlbare, mobile Anwendungen, verlässliche und nachvollziehbare Regelungen und ein Umfeld, das wirtschaftliche und technische Innovation fördert, sind hierfür essentiell. Wenn wir im Dezember 2015 am Rande der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf 10 Jahre Erfahrungen im Aufbau der Wissens- und Informationsgesellschaft zurückblicken, werden Deutschland und Brasilien sich dafür einsetzen, dass wir künftig gezielt und koordiniert Maßnahmen fördern, die unserem offenen und demokratischen Idealbild der vernetzten Gesellschaft zugrunde liegen.

Drittens: Rechtsicherheit und sinnvolle Regulierung schaffen. Im April 2014 hat Brasilien seinen „Marco Civil da Internet“ verabschiedet, die „Digitale Agenda für Deutschland“ wurde im August angenommen, gefolgt vom IT-Sicherheitsgesetz. Beide Staaten stecken damit in strategischer und rechtlicher Hinsicht ihre nationalen Überzeugungen ab und machen einen wichtigen Schritt hin zu mehr Rechtsklarheit und sinnvollen regulatorischen Vorgaben. In diesem Prozess tauschen wir nicht nur wechselseitig unsere Erfahrungen aus, sondern suchen den Dialog mit der Wirtschaft und den Bürgern.

Netzpolitik basiert auf Austausch und Dialog. Auch eine belastbare bilaterale Partnerschaft kann nur Früchte tragen, wenn sie kontinuierlich gepflegt wird. Brasilien und Deutschland werden ihren Austausch im Bereich der Cyber- und Netzpolitik weiter ausbauen.

Wir freuen uns schon jetzt auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Sonderberichterstatter zum Recht auf Privatsphäre.

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