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Außenminister Westerwelle: „Die Türkei hat eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben“

11.05.2013 - Interview

Am 12. Mai beginnt ein neues Format der bereits engen Abstimmung mit der Türkei: der Strategische Dialog. Minister Westerwelle äußert sich im Interview zur „Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe“.

Außenminister Guido Westerwelle im Interview mit der Rheinischen Post zum ersten Treffen des deutsch-türkischen Strategischen Dialogs am 12. Mai und zur Situation in Syrien. Erschienen in in dieser Form auf RP-Online am 11.05.2013.

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Frage: Sie starten am Sonntag etwas Neues – den deutsch-türkischen strategischen Dialog. Was ist die deutsche Strategie für die Türkei?

Außenminister Westerwelle: Die Türkei hat in den letzten anderthalb Jahrzehnten eine beeindruckende Erfolgsgeschichte geschrieben. Tausende deutsche Unternehmen sind in der Türkei engagiert. Millionen Deutsche fühlen sich als Touristen in der Türkei wohl. Millionen türkischstämmige Bürger leisten hier bei uns ihren Beitrag zum Erfolg Deutschlands. Diese gesellschaftlichen Netzwerke wollen wir auch politisch-strategisch noch mehr nutzen.

Viele Millionen Türken sind bereits Mitglieder der Europäischen Union – wann folgt der Rest?

Wer einen deutschen Pass hat, ist EU-Bürger, ganz gleich, ob er aus Istanbul stammt oder aus Bonn. Entscheidend ist, dass wir die Verhandlungen mit der Türkei über einen EU-Beitritt fair, respektvoll und verlässlich führen. Niemand kann heute sagen, ob und wann die Türkei beitrittsfähig ist, und ob und wann die EU aufnahmefähig ist.

Acht Verhandlungskapitel liegen auf Eis, viele EU-Staaten haben hohe Hürden bis hin zu Volksabstimmungen errichtet – ist ein EU-Beitritt der Türkei überhaupt noch realistisch?

Es ist gar nicht nötig, heute bereits über das Ergebnis von Verhandlungen zu spekulieren. Das erwartet in der Türkei auch niemand. Unser Markenzeichen sollte es aber sein, dass wir uns an Verträge halten. Bislang ist nur ein Kapitel abgeschlossen worden, alles andere ist im Fluss.

Der Fluss scheint sich zu stauen.

Es hat zu lange Stillstand und gegenseitige Blockaden zwischen der EU und der Türkei gegeben. Dafür tragen beide Seiten Verantwortung. Aber ich gehe davon aus, dass wir bald Verhandlungen über neue Kapitel eröffnen können. Das Kapital Regionalpolitik scheint mir sehr geeignet. Auch im Bereich Wettbewerb würde ich mir neue Bewegung wünschen. Nach zweieinhalb Jahren ohne nennenswerte Fortschritte wäre das ein Startsignal für eine zweite Luft bei den Verhandlungen.

Trotzdem will die Kanzlerin keine Vollmitgliedschaft sondern die „Privilegierte Partnerschaft“ – ist das auch eine Türkei-Strategie?

Wir haben faire, verlässliche und vor allem ergebnisoffene Verhandlungen mit der Türkei im Koalitionsvertrag vereinbart. Das ist die gemeinsame Linie.

Welche Vorteile hätte die Türkei von einer „Privilegierten Partnerschaft“?

Ich möchte nicht, dass die wichtige Beziehung zur Türkei zum Gegenstand von Debatten im Wahlkampf wird. Die Türkei hat sich in atemberaubender Weise entwickelt – mit großen wirtschaftlichen Chancen auch für Deutschland. Bei aller berechtigten Kritik hat sie sich auch im Innern reformiert. Sie nimmt eine wichtige Brückenfunktion in den islamischen Kulturkreis wahr. Sie zeigt als Nato-Mitglied für die gemeinsame Sicherheit Verantwortung. Wir haben deshalb mit der Türkei eine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe. Wir müssen Acht geben, dass nicht der Tag kommt, an dem Europa ein größeres Interesse an der Türkei haben wird, als die Türkei an Europa.

Wie soll der strategische Dialog mit der Türkei laufen?

Es soll ein breiter Dialog entstehen. Wir reden nicht nur über bilaterale Fragen, nicht nur über die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen, sondern wollen unsere Positionen auch im internationalen Umfeld synchronisieren. So sind wir beispielsweise beide in der Gruppe der Freunde des syrischen Volkes und stimmen uns eng ab, damit ein demokratischer Neuanfang in Syrien möglich wird und kein Flächenbrand in der gesamten Region entsteht.

Washington und Moskau wollen nun mit einer Syrienkonferenz den Bürgerkrieg beenden. Was muss als erstes geschehen?

Entscheidend ist, dass beide Seiten von den Vorteilen einer politischen Lösung überzeugt werden können. Dafür ist die Einigung zwischen den USA und Russland ein starkes Signal.

Gehören damit die Waffenlieferungen für die Aufständischen vom Tisch?

Ich verstehe die Motive derjenigen, die überlegen, auch Waffen an die Rebellen in Syrien zu liefern. Ich bin davon aber nicht überzeugt, solange zwei Fragen bleiben: Werden weniger Menschen sterben, wenn mehr Waffen zum Einsatz kommen? Und lässt sich verhindern, dass Waffen nicht in falsche Hände geraten, in die Hände von Extremisten, Terroristen und Dschihadisten, für die Damaskus nur eine Zwischenstation auf dem Weg nach Jerusalem ist.

Sehen Sie sich in ihrer Skepsis bestätigt durch den iranischen Aufruf, in Syrien auch gegen Israel zu kämpfen?

Mich beunruhigt sehr, dass es in vielen Ländern der Region eine Bewegung von jungen Menschen gibt, nach Syrien zu gehen, um dort auf verschiedenen Seiten für unterschiedliche Ziele zu kämpfen. Um es klar zu sagen: Ein islamistischer Terrorist wird nicht deshalb zu unserem Partner, weil er gegen Assad kämpft.

Fragen: Gregor Mayntz. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Rheinischen Post.

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