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„Lichtblick am Ende einer schwierigen Woche“

26.09.2011 - Interview

Guido Westerwelle lobt die Erklärung des Nahost-Quartetts auch als Erfolg der europäischen Diplomatie (Interview).

Interview mit Außenminister Guido Westerwelle, erschienen in der Welt am Sonntag vom 25.09.2011

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Herr Westerwelle, es ist in New York nicht gelungen, die offene Konfrontation zwischen Israel und Palästinensern in der UN-Vollversammlung zu verhindern. Warum ist die internationale Diplomatie trotz intensiver Bemühungen daran gescheitert?

Weil die Lage in der Region zwischen den beiden Parteien seit Jahrzehnten ausgesprochen konfliktreich ist. Und sie ist in jüngster Zeit noch komplexer geworden: Die anti-israelischen Hassreden des Iran, die Repression in Syrien, die Rolle Hisbollahs im Libanon, Hamas, der Angriff auf die israelische Botschaft in Kairo, die Spannungen zwischen Israel und der Türkei – das sind Zutaten für ein gefährliches Gebräu.

Ist die Wahrscheinlichkeit einer neuen Welle der Gewalt in Nahost, gar einer dritten Intifada, durch den Showdown auf der Bühne der UN gestiegen?

Ich spekuliere nicht, aber dass ich mir Sorgen mache, kann ich nicht verhehlen. Deshalb kümmern wir uns ja auch darum, auf allen Kanälen, mit besten Kräften, dass aus der Verhärtung in New York nicht Gewalt in der Region wird. Sondern dass mit der Hilfe der internationalen Gemeinschaft die Chance für Dialog und direkte Gespräche wieder vergrößert werden kann. Die Konfrontation darf nicht eskalieren. Deshalb ist es gut, dass unsere Arbeit für eine Erklärung des Nahost-Quartetts erfolgreich war.

Welche Chance hat dieser Aufruf zu Verhandlungen mit klarem Zeitplan?

Die Erklärung des Nahost-Quartetts macht klare Vorgaben, um das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung auf dem Verhandlungsweg zu erreichen. Der Frieden zwischen Palästinensern und Israelis kann nicht in New York, sondern nur durch Verhandlungen zwischen Ramallah und Jerusalem geschlossen werden. Es ist nicht ausgemacht, dass der vereinbarte Fahrplan Erfolg hat. Aber selbst wenn nur Zeit gewonnen würde, wäre das nicht wenig. Der Dialog verringert die Gefahr einer Eskalation der Gewalt.

Die Erkenntnis dieser Woche lautet, dass die USA durch die anstehende Präsidentenwahl außenpolitisch gefesselt sind. Frankreichs Präsident Sarkozy hat versucht, dieses Vakuum mit eigenen Vorschlägen zu füllen. Warum haben Sie sich so vornehm zurückgehalten?

In einer solchen Lage geht es mir zuerst um Fortschritte in der Sache und nicht um Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben in vielen bilateralen Gespräche versucht, die europäische Geschlossenheit zu wahren. Bei aller Bescheidenheit glaube ich, dass auch unsere Arbeit und gerade die stille Diplomatie einen Beitrag dazu geleistet haben, dass die Quartett-Erklärung für einen Lichtblick am Ende einer schwierigen Woche gesorgt hat. Sie dürfen nicht vergessen, wie viele Monate es unmöglich war, diese gemeinsame Haltung von USA, EU, Russland und UN zustande zu bringen.

Muss ein Mitglied des Sicherheitsrates, das besondere Verantwortung für den Frieden in der Welt trägt, seine Vorstellungen nicht deutlicher formulieren?

Das haben wir getan. Wir haben auf beide Seiten eingewirkt. Ich habe nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir die Schaffung eines palästinensischen Staates unterstützen, aber gleichzeitig die Sicherheit Israels für uns nicht verhandelbar ist. Wir haben die Autonomiebehörde nicht nur mit Worten, sondern handfest mit Taten und Geld unterstützt. Wir haben auf unsere besondere Partnerschaft mit Israel verwiesen und gleichzeitig unsere Kritik an der Siedlungspolitik nicht verschwiegen. Aber etwas in diesem schwierigen und komplizierten Dossier zu erreichen, das heißt vor allem viel harte und mühsame Arbeit hinter den Kulissen.

Sie haben die EU-Außenbeauftragte Ashton massiv unterstützt. Der französische Präsident Sarkozy hat keine Rücksicht auf eine einheitliche EU-Position genommen, sein Außenminister gar die Ablösung des Nahost-Quartetts durch „eine direktere Rolle“ der fünf Sicherheitsratsmitglieder ins Spiel gebracht. Angesichts dieser nationalen Eitelkeiten kann man den Posten der Außenbeauftragten auch wieder einsparen, oder?

Dass es trotz aller Schwierigkeiten gelungen ist, eine Quartetterklärung zustande zu bringen, ist ein Beleg dafür, dass unser Festhalten an einer einheitlichen EU-Haltung richtig war. Cathy Ashton hat hier sehr gute Arbeit geleistet. Es so simpel und doch so schwer zugleich: Wenn Europa in der Nahostfrage mit einer Stimme spricht, dann kann es etwas bewirken. Manchmal ist es nicht einfach, nationalstaatlichen Verlockungen zu widerstehen, die unsere gemeinsamen diplomatische Spielräume einengen. Ich bin aber überzeugt, dass Europa gerade in der Nahost-Frage möglichst geeint handeln sollte.

Es gibt die Quartetterklärung, aber es gibt auch den Antrag der Palästinenser auf Anerkennung der UN-Vollmitgliedschaft, der nun im Sicherheitsrat liegt. Sie halten Ihre Position bei einer möglichen Abstimmung offen. Ist Deutschlands Solidarität mit Israel also doch verhandelbar?

Nein. Wir kennen unsere Verantwortung für Israel. Aber wenn wir dem Friedensprozess einen Dienst erweisen wollen, dann dürfen wir unsere diplomatischen Spielräume nicht durch öffentliche Vorfestlegungen einengen. Noch ist ja gar nicht klar, wann und ob überhaupt abgestimmt wird. Es ist bekannt, dass wir gegenüber der Anrufung des Sicherheitsrates skeptisch waren. Mit vielen Kollegen – nicht nur aus Europa – haben wir davon abgeraten, diesen Weg zu gehen. Nun ist die Lage aber da, und sie muss ins Gute gewendet werden. Die Quartetterklärung ist jetzt die Brücke, über die alle gehen sollten.

Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Welt am Sonntag. Fragen: Thorsten Jungholt.

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