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Rede von Außenminister Guido Westerwelle zur Europapolitik in Zagreb

25.08.2010 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Herren Minister,
meine Herren Botschafter,
Exzellenzen,
lieber Kollege!

Ich möchte mich zunächst einmal sehr herzlich bei Ihnen allen für die Gastfreundschaft bedanken. Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern Kroatiens. Herzlichen Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen aus der Politik, dass Sie unserer Delegation die Ehre Ihrer Anwesenheit geben, wir wissen das außerordentlich zu schätzen und ich danke Ihnen für Ihr großes Interesse.

Das nächste Jahr wird ein großes Jahr für Kroatien. 2011 jährt sich die Wiedererlangung der vollen Unabhängigkeit Ihres Landes zum zwanzigsten Mal.

Auf dem Weg in die EU hat Kroatien die Zielgerade erreicht.

Wenn Kroatien alle Kräfte zum Endspurt bündelt, dann können die Beitritts-Verhandlungen bald abgeschlossen werden, vielleicht sogar schon im nächsten Jahr. Ich wünsche es Ihnen.

Mit der anschließenden Ratifikation der Beitrittsverträge steht der Weg dann frei für Kroatien als achtundzwanzigster Mitgliedsstaat der Europäischen Union.

Sie haben selbst erlebt, der Weg in die Europäische Union, es ist ein mühseliger Weg. Ein Weg harter Arbeit. Aber diese harte Arbeit, sie lohnt sich.

Europa heißt mehr Freiheit, mehr Sicherheit und mehr Wohlstand für alle.

Aber vor allem ist die europäische Einigung von Beginn an ein einzigartiges Friedensprojekt. Sie hat das Konfrontationsmodell in Europa überwunden und durch ein Modell der Kooperation und der Integration ersetzt.

Für die Jüngeren ist Krieg in der Europäischen Union zurecht völlig undenkbar. Aber Millionen von Menschen, die heute auf dem Kontinent leben, haben noch die Verheerungen des Zweiten Weltkrieges selbst erlebt, und ihre Eltern, wenn ich an meine Generation denke, meine Großeltern, auch noch die Schrecknisse des Ersten Weltkriegs.

Wir dürfen nie vergessen, dass die europäische Einigung uns einen Frieden gebracht hat, von dem man über Jahrhunderte in Europa nur träumen konnte.

Bei all denen, die oft sehr leichtfertig kritisch über Europa und die europäische Union reden, bitte ich noch einmal darüber nachzudenken, was uns Europa gebracht hat. Wenn Europa und die europäische Union uns nicht mehr gebracht hätte als diesen Frieden, es hätte sich schon gelohnt. Europa und die europäisches Union, es hat begonnen als eine großartige Friedensidee. Und es ist diese Friedensidee, die wir immer und immer wieder erringen und verteidigen müssen. Das ist die historische Aufgabe unserer Generation. Es ist die historische Aufgabe der Jüngeren zu begreifen, dass Frieden nicht selbstverständlich ist, sondern dass die europäische Union mit ihrem Kooperationsmodell die entscheidende Ursache für diese so großartige Entwicklung auf unserem Kontinent ist.

Die Perspektive des Beitritts zur Europäischen Union hat auch in Südosteuropa Frieden und Versöhnung möglich gemacht. Gute Nachbarschaft, regionale Zusammenarbeit und der Wille zur friedlichen Lösung aller bilateralen Fragen. Das ist die Essenz der europäischen Einigung.

Die Europäische Union steht für ein demokratisches Staatsverständnis. Die EU steht für Staaten, die keine Untertanen kennen, sondern die Rechte der Bürgerinnen und Bürger verteidigen und auch Minderheiten schützen. Die EU steht für Staaten, die Meinungsverschiedenheiten auf friedlichem Wege lösen, und zwar im eigenen Land genauso wie in der Außenpolitik.

Gerade weil die Europäische Union Frieden, Freiheit und Sicherheit in einem noch nie da gewesenen Ausmaß garantiert, messen heute viele die EU vor allem daran, dass sie die Europäerinnen und Europäer zu Gewinnern der Globalisierung macht.

Die EU ist in der Globalisierung unsere Wohlstandsversicherung.

Die europäischen Staaten können sich als Union viel besser als allein im globalen Wettbewerb behaupten. Die Bürgerinnen und Bürger in Europa profitieren davon, dass die Staaten freiwillig nationale Kompetenzen abgegeben haben undabgeben und gemeinsame Regeln für Handel und Wirtschaft aufstellen.

Oft wird in den Mitgliedsstaaten darüber kritisch diskutiert, aber wir wollen nicht vergessen, wie viel gute Entwicklungen durch diese Europäische Union für die Bürgerinnen und Bürger ganz konkret spürbar geworden sind, jenseits von Frieden und von Wohlstand. Das tägliche Leben wird in einem positiven Sinne durch die europäische Union geprägt.

Ich nenne einige wenige Beispiele. Seit die Europäische Union den Telekommunikationsmarkt liberalisiert hat, ist Telefonieren zum Beispiel Deutschland so billig wie noch nie. Ein Ferngespräch, das vor fünfzehn Jahren noch mehrere Mark gekostet hat, kann man heute für einige Cent führen. Seit die Europäische Gesetzgebung den Markt für Erdgas liberalisiert hat, fallen die Preise und wächst gleichzeitig die Versorgungssicherheit.

In 16 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zahlt man heute mit einer gemeinsamen Währung. Im Europäischen Binnenmarkt kann man seine Produkte an 450 Millionen Menschen verkaufen. Das ist längst nicht nur eine Chance für die großen Unternehmen, die ohnehin global agieren können, es ist zuallererst eine Chance für die kleinen und mittleren Unternehmen, die wie zum Beispiel in Deutschland, das Rückgrat des Arbeitsmarktes und des Wohlstandes unserer Wirtschaft sind.

Wir brauchen die wirtschaftliche Dynamik der Europäischen Union, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Die Welt um uns herum, sie schläft nicht. In China, in Indien, Brasilien, Mexiko, Südafrika wachsen Bevölkerung und Wirtschaft in zum Teil atemberaubenden Tempo. Wir wollen die inneren Fragen dieser Länder nie aus den Augen verlieren. Wir Europäer sind Teil einer Wertegemeinschaft, aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass hier eine Konkurrenz in der Welt erwächst, auf die wir antworten müssen, zum Beispiel mit einem großen europäischen Binnenmarkt. Anders als in diesen jungen Gesellschaften werden in Europa in zwanzig Jahren weniger Menschen als heute leben, sie werden älter sein und auch länger leben.

Es wäre kurzsichtig, die demographische Entwicklung ausschließlich als Herausforderung an die Systeme der sozialen Sicherung zu verstehen. Wenn wir über Demographie reden, denkt jeder auch an die notwendigen schweren und mutigen politischen Entscheidungen bei den sozialen Sicherungssystemen, aber wir sollten auch denken an die demographische Entwicklung in der Welt. Wie lange wird es dauern, bis diese jungen Gesellschaftenden Anspruch erheben, auch zu den politischen und nicht nur ökonomischen Zentren dieses Globus zu zählen?

Wird es uns gelingen, dass die Globalisierung von Märkten von einer Globalisierung von Werten begleitet wird? Dass Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung, ethische Maßstäbe weltweit beachtet werden?

Werden wir trotz sinkendem Anteil an der Weltbevölkerung unseren Wohlstand halten oder vielleicht sogar ausbauen?

Können wir die wachsenden Märkte außerhalb Europas als Chance nutzen?

In den nächsten Jahren müssen wir drei große Aufgaben gemeinsam bewältigen, damit wir alle diese Fragen mit „ja“ beantworten können.

Erstens. Wir müssen die innere Einheit Europas vollenden.

Zweitens. Wir müssen langfristig die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion und damit unseren Wohlstand sichern.

Drittens. Wir müssen dafür sorgen, dass Europa nach außen handlungsfähig bleibt.

Auf dem Weg zur inneren Einheit, also der ersten Herausforderung an Europa, sind wir schon weit vorangekommen. Mit den Erweiterungen von 2004 und 2007 gehört die Spaltung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg für jeden sichtbar der Vergangenheit an. Die Teilung Europas ist überwunden. Europa war nie nur Westeuropa und die Europäische Union kann nicht nur eine Westeuropäische Union sein. Es geht um das ganze Europa, das kulturelle, das historisch gewachsene Europa, das sich als Wertegemeinschaft versteht.

Zur Vollendung Europas gehört die Aufnahme Kroatiens ebenso wie die Aufnahme auch anderer Staaten Südosteuropas.

Aber es gibt Unterschiede. Kroatien hat für seinen Beitritt hart gearbeitet. Deutschland hat Kroatien auf diesem Weg von Anfang an unterstützt. Auch heute geht die Unterstützung Deutschlands für Kroatien weiter, vom Räumen von Minen bis zur Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten.

Sie können sich und das sage ich an die Bürgerinnen und Bürger aus Kroatien, die heute hier freundlicherweise zu Gast sind, Sie können sich auf die deutsche Außenpolitik verlassen. 1991 hat Hans-Dietrich Genscher 1991 viel Kritik einstecken müssen, als er sich für die Anerkennung Kroatiens einsetzte. Er ist gegen alle Widerstände seinen Überzeugungen gefolgt, und die Geschichte hat ihm und seinem Weitblick Recht gegeben.

Genau wie damals können Sie auch in Zukunft auf den Beistand Deutschlands bauen.

Reformen für die Beitrittsfähigkeit brauchen manchmal Zeit, aber es lohnt sich. Das gilt für Kroatien und alle weiteren, die beitreten wollen.

Die Europäische Kommission überprüft die Reformen in jedem einzelnen Staat. Es gelten die gleichen Regeln für alle. Wenn wir die Regeln lockern würden, würden wir nur Bedenken gegen neue Beitritte schüren. Wenn die Mitgliedstaaten ihre Bürgerinnen und Bürger überfordern, ist niemandem geholfen. Europa ist nur stark, wenn Europas Bürgerinnen und Bürger für Europa einstehen. Deswegen werden wir keine Abstriche bei den Beitritts-Kriterien zulassen.

Mit den Beitritts-Kriterien will niemand den Weg der Kandidaten in die Europäische Union künstlich erschweren. Die Beitritts-Kriterien sind keine Hürden, sondern Garantien für Freiheit, für Sicherheit und Wohlstand.

Im Kampf gegen die Korruption hat Kroatien Beachtliches erreicht. Bei der Justizreform will und muss Kroatien noch einiges leisten, aber nicht, um der EU einen Gefallen zu machen. Die Beitrittskandidaten müssen europäische Standards erfüllen, weil sie es ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern schulden. Es ist Teil europäischer Werte, dass Rechtsuchende schnell und effektiv zu ihrem Recht kommen, wenn Richter gut ausgebildet sind und Minderheiten geschützt werden. Rechtsstaatlichkeit und fairer Wettbewerb sind zwei starke Säulen auf denen der Wohlstand gebaut ist.

Ich kann nur davor warnen, Konflikte zwischen Nachbarn in die Europäische Union zu importieren.

In der europäischen Vergangenheit mussten Landesgrenzen viel zu oft als Anlass für Konflikte bis hin zum Krieg herhalten. In der europäischen Zukunft müssen wir Grenzlinien zu Verbindungslinien zwischen Nachbarn und Freunden machen.

Kroatien und Slowenien haben uns gezeigt, wie man auf eine Grenzfrage eine europäische Antwort in gegenseitigem Vertrauen findet.

Die Einigung zwischen Kroatien und Slowenien ist Vorbild für ganz Südosteuropa. Alle Staaten Südosteuropas, auch Serbien, auch Kosovo, werden sicherlich eines Tages ihren Platz unter dem gemeinsamen europäischen Dach finden.

Das Friedensprojekt der europäischen Einigung ist nicht von gestern, sondern ein Projekt für heute und für morgen.

Der Geist der Versöhnung hat die Freundschaft zwischen Deutschland und Polen, zwischen Deutschland und Frankreich ermöglicht, und dieser Geist der Versöhnung macht Europa auch in Zukunft stark. Wer Europa will - und das sage ich an alle - wer Europa will, muss Frieden und Ausgleich wollen. Der Weg in die Europäische Union führt nur über Kooperation, nicht über Konfrontation; die Europäische Union will das Kooperationsmodell und nicht das Konfrontationsmodell. Das ist für alle, die dabei sein wollen, eine conditio sine qua non.

Meine Damen und Herren,

die Versöhnung zwischen ehemaligen Gegnern ist nur der erste Schritt in eine gemeinsame europäische Zukunft. Am Ende dieses Weges wird ein gesamteuropäisches Gefühl der Zusammengehörigkeit entstehen.

Meine Damen und Herren,

Ich komme zur zweiten wichtigen Herausforderung für Europa, der Sicherung unserer Wirtschafts- und Währungsunion und damit der Sicherung unseres Wohlstands, des Wohlstandes für alle Bürgerinnen und Bürger.

Frieden, Stabilität und Wohlstand sind nur möglich, wenn wir als Europäische Union im globalen Wettbewerb bestehen. Wir müssen deswegen alles tun, damit wir mit den dynamisch wachsenden Volkswirtschaften außerhalb Europas mithalten können. Das ist für das EU-Gründungsmitglied genauso wichtig wie für das künftige Mitglied Kroatien.

Zukunftssicherung heißt Schuldenabbau und strenge Regeln für Neuverschuldung.

Nur so wird Europa zu gesundem Wachstum zurückkehren. Der gute Europäer sorgt dafür, dass Europa stabil ist. Und zwar nicht nur für den Augenblick oder das Jahr, sondern dauerhaft.

Das schulden wir übrigens auch nachfolgenden Generationen.

Schon im eigenen Interesse müssten alle Euro-Staaten für einen gesunden Euro einstehen und alles für die Stabilität unserer gemeinsamen Währung tun. Wenn sich dennoch ein Euro-Staat unverantwortlich verhält, können die anderen nicht einfach wegsehen und so tun, als ginge das die anderen eben nichts an. Die Stabilität des Euros geht alle an. Und deshalb brauchen wir nach Auffassung der deutschen Bundesregierung für den Fall, dass unsere vertraglichen Verpflichtungen seitens einiger Beteiligter anhaltend und immer wieder verletzt werden, auch Sanktionen. Wenn sich jemand außerhalb der Verantwortungsgemeinschaft stellt, die Europa trägt, dann muss dieses auch automatisch Folgen haben, aus unserer Sicht in Form von entsprechenden Sanktionen.

Wer sich nicht an die Regeln hält, darf auch kein Geld mehr aus den EU-Strukturfonds erhalten. Die Sanktionen müssen automatisch kommen und sie müssen für jeden gelten, gleich wie groß und mächtig ein Land in Europa auch sein mag. Wir wollen eine Europäische Union der Verantwortung und wir wollen keine Transferunion, in der man sich den Folgen des eigenen Fehlverhaltens entziehen kann, indem man auf andere baut und auf andere hofft.

Europa bleibt wirtschaftlich stark, wenn wir mit Technologie und Innovation im globalen Wettbewerb vorne bleiben. Auch wenn die Werkbänke der Globalisierung nicht mehr vorrangig in Europa stehen, können und müssen wir Vorreiter für den technologischen Fortschritt sein. Nur mit Innovationen werden in Europa Arbeitsplätze entstehen.

Ich sage das mit Nachdruck, aber auch voller Optimismus und mit sehr viel Zuversicht.

Wir Europäer neigen manchmal dazu, unsere eigene Europäische Union zu unterschätzen. Und das sage ich Ihnen, die Sie bald dabei sein werden. In Asien, Afrika und Lateinamerika dagegen gilt die EU als Erfolgsmodell. Dort entstehen regionale Verbände zwischen Staaten, die sich die Europäische Union als Vorbild nehmen. Mercosur, die Afrikanische Union, ich habe gerade erst dort vor den Außenministern der Afrikanischen Union sprechen dürfen, ASEAN. Das sind nur einige Beispiele, wo sich Regionen, Völker, Nationen zusammenschließen, sehr wohl als Antwort auf die neue Zeit der Globalisierung mit unterschiedlichen Ausgangsbedingungen, mit unterschiedlichen Erfolgsaussichten auch, aber doch geeint vom selben Ziel. Nämlich der Erkenntnis, dass man gemeinsam stärker ist in einer globalisierten Welt , als man es alleine sein kann. Das gilt für die großen, das gilt für die mittelgroßen und das gilt auch für die etwas kleineren Länder innerhalb und außerhalb Europas.

Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise und der Verunsicherung wird der Erfolg der EU deutlich.

Die Wirtschafts- und Währungsunion, der Euro und der gemeinsame Markt haben verhindert, dass Protektionismus und Währungsspekulationen gegen einzelne Staaten die Krise weiter vertieft haben. Die Mitgliedstaaten der EU sind natürlich in der Krise nicht allein.

Das europäische Solidarmodell, in dem der Starke dem Schwachen hilft, wenn dieser in Not gerät, ist sehr wohl ein Modell, für das sich zu kämpfen lohnt. Aber das ist eben subsidiär zu verstehen. Zunächst einmal geht es um die Verantwortung der einzelnen Gesellschaften, der einzelnen Staaten und natürlich auch der einzelnen Politiker.

Meine Damen und Herren,

umgekehrt, übertragen auf die Gesellschaft, möchte ich betonen, dass der Sozialstaat Bestandteil des europäischen Erfolgsmodells ist. Aus meiner Sicht übrigens unverzichtbar

Den Sozialstaat verteidigt aber der am besten, der dafür sorgt, dass er auf einem solidem wirtschaftlichem Fundament steht.

Meine Damen und Herren, wenn wir über Wettbewerbsfähigkeit in Europa sprechen, müssen wir vor allem darauf achten, dass wir nicht hinter anderen Teilen der Welt zurückfallen.

Strukturwandel - und ich weiß, Sie wissen, worüber ich spreche -, Strukturwandel ist nie einfach, weil es neben Gewinnern auch immer Verlierer gibt. Und ich weiß um Ihre Diskussionen und Sie wissen auch um die, die wir zuhause in Deutschland führen und auch geführt haben.

Langfristig raubt der Staat seiner eigenen Jugend aber Zukunftschancen, wenn er Geld in nicht wettbewerbsfähige Wirtschaftszweige pumpt. Das gilt in der Industrie und übrigens auch in der Landwirtschaft. Je länger man sich gegen die Einsicht in die Notwendigkeit des Wandels sträubt, umso teurer wird der Übergang zu zukunftsfähigen Produkten und Technologien.

Am Ende hat man Millionen ins Gestern gesteckt und dieses Geld fehlt dann den Schülern und Studenten von heute und von morgen.

Die EU hatte in der Lissabon-Agenda das Ziel formuliert, den wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum weltweit zu schaffen. Dort sind wir weiß Gott noch nicht. Das heißt nicht, dass wir jetzt locker lassen dürfen. Im Gegenteil, wir werden uns noch mehr als bisher anstrengen, damit wir in Europa Wachstum und Wohlstand schaffen. Die im Juni dieses Jahres beschlossene Strategie „Europa 2020“ wird uns den Weg dahin ebnen.

Es geht bei der dritten Herausforderungan Europaum die Frage nach unserer zukünftigen Handlungsfähigkeit.

Die europäischen Staaten waren in den 90er-Jahren nicht in der Lage, die Rückkehr von Krieg und Zerstörung auf dem eigenen Kontinent zu verhindern. Aber wir haben in den letzten Jahren daran gearbeitet, dass wir in Zukunft auf Krisen und Konflikte besser reagieren können.

Europa kann heute schneller und entschlossener handeln als noch vor zwanzig Jahren.

Der Vertrag von Lissabon hat die Möglichkeiten einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gestärkt. Er hat einen Europäischen Auswärtigen Dienst geschaffen, der die nationale Diplomatie nicht ersetzt aber sehr wohl ergänzt.

Das Integrations- und Kooperationsmodell Europa muss seinen unvergleichlichen Erfahrungsschatz in die Globalisierung einbringen.

Die Globalisierung braucht mehr Europa und nicht weniger.

Mit dem Vertrag vonLissabon sind die Institutionen für ein entschlosseneres Auftreten der EU eingerichtet. Das Ende der Verhandlungen ist der Augenblick, um nach vorne zu schauen.

Die Bürgerinnen und Bürger in Europa haben vermutlich wenig Interesse an staatsphilosophischen Überlegungen, aber sicher viel Interesse an einer wirkungsvollen europäischen Politik und auch an einer wirkungsvollen europäischen Außenpolitik. Ich glaube, dass es den meisten Bürgerinnen und Bürgern egal ist, welches Etikett diese Außenpolitik der Europäischen Union trägt. Sie erwarten nicht Etikettierungen, sondern sie erwarten von den Institutionen vor allem, dass sie die Probleme lösen.

Manchmal scheint es, als würde vergessen, dass die Institutionen kein Selbstzweck sind. Die Union wurde mit dem Ziel gegründet, etwas zu erreichen, was die Staaten Europas nicht alleine erreichen können.

Gerade in der Außenpolitik werden die Herausforderungen, die wir nur gemeinsam bewältigen können nicht weniger, sondern - wir spüren es doch längst -, sie werden mehr.

Beim Klimaschutz ist es ganz offensichtlich, aber auch bei der Suche nach Regeln für eine stabile internationale Finanzordnung werden die Staaten Europas kaum etwas erreichen, wenn ihre Vorschläge im Stimmengewirr untergehen. Sie werden aber gehört, wenn sie in der EU ihre Stimme bündeln.

Wenn die Staaten allein etwas können, sollten sie das auch allein tun dürfen. Nicht alles muss in Brüssel entschieden werden.

Aber ohne die EU hätten wir keinen Binnenmarkt, viel weniger Freiheit, weniger Sicherheit und weniger Wohlstand als heute.

Unsere Regierungen in Europa haben die Aufgabe, unseren Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, was die Europäische Union für sie tut und wie sehr sie über das Europäische Parlament, über ihre eigenen nationalen Regierungen und Regionen Europa mitgestalten können.

Wenn es um Europa geht bin ich aus tiefster Überzeugung Optimist. Diese Union der Staaten und vor allem diese Union der Bürger kann die Versprechen der europäischen Aufklärung einlösen.

In der Europäischen Union ist der Mensch nicht Diener seines Staates, sondern der Staat ist Diener seiner Bürgerinnen und Bürger.

Die Europäische Union steht für die Herrschaft des Rechts, für die Menschenwürde und die individuellen Freiheitsrechte aller, besonders auch der Minderheiten. Minderheitenschutz ist eine Aufgabe für alle Staaten in Europa, für die Beitrittskandidaten ebenso wie für diejenigen, die schon Mitglieder der EU sind.

Und nicht zuletzt ist mit der Europäischen Union ein Europa entstanden mit dem Ziel, dass Europa nie wieder Barbarei und Mord zum Opfer fallen wird.

Für diese Union des Friedens, der Freiheit , der Sicherheit, für diesen Kontinent, auf dem die Menschen in Würde leben können, lohnt sich jede Anstrengung. Und ich freue mich von ganzem Herzen auf den Tag, an dem Kroatien gleichberechtigter Teil dieser Union ist.

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