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Rede von Guido Westerwelle beim Abendessen aus Anlass des „Petersberger Klimadialogs“

02.05.2010 - Rede

-- Es gilt das gesprochene Wort! --

Exzellenzen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, Sie heute in meiner Heimat begrüßen zu können. Hier in Bonn bin ich aufgewachsen, hier habe ich studiert und im Rheinland habe ich auch meine politische Heimat.

Das Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg hat eine lange Geschichte. In den vergangenen Jahren wurden hier immer wieder wichtige internationale Konferenzen erfolgreich durchgeführt. Der Petersberg steht für Frieden und Sicherheit durch internationale Kooperation. In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine erfolgreiche Konferenz.

Die Bekämpfung des Klimawandels ist eines der zentralen Themen des 21. Jahrhunderts. Dieses Thema ist mit der Stadt Bonn eng verbunden. Als Stadt der Vereinten Nationen in Deutschland beherbergt Bonn beispielsweise auch das Klimasekretariat der Vereinten Nationen.

Wir wollen Bonn als Standort der Vereinten Nationen fördern und weiter ausbauen. Dies ist auch Ausdruck unseres Engagements für die Vereinten Nationen.

Erster Punkt: Wir haben es hier mit einer der zentralen Herausforderungen für die Menschheit zu tun. Die Zeit drängt. Mit jedem Jahr wird die Lösung der Klimafrage schwieriger und teurer, seine Auswirkungen für die Menschen schwerer. Noch haben wir die Möglichkeit, den Klimawandel auf zwei Grad zu begrenzen. Aber dieses Zeitfenster schließt sich.

Es muss uns bis 2020 gelingen, den globalen Trend zu immer weiter wachsenden Emissionen umzukehren.

Mein zweiter Punkt: Der ungebremste Klimawandel stellt die Einhaltung fundamentaler Menschenrechte in Frage. Er bedroht insbesondere eines der grundsätzlichsten aller Menschenrechte, das Recht auf Leben in einer gesunden Umwelt.

Gerade in den Ländern, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, ist die Existenz von Millionen von Menschen gefährdet.

Mein dritter Punkt: Im Klimawandel liegt auch eine Chance. Wir haben die Möglichkeit, bis Mitte des Jahrhunderts auf globaler Ebene die Voraussetzungen für nachhaltiges, qualitatives Wachstum zu schaffen.

Diese Chance wollen wir nutzen. So kann global eine moderne Industrie entstehen, die sauber produziert, Wachstum und Innovation ermöglicht und Arbeitsplätze schafft. Bildung und Innovation spielen hier die entscheidende Rolle spielen. Auch deshalb hat die Bundesregierung gleich zu Beginn beschlossen, zusätzliche 12 Milliarden Euro in Bildung und Forschung zu investieren.

Klimaschutz ist im Zeitalter der Globalisierung eine Querschnittsaufgabe für Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und die gesamte Gesellschaft.

Der Klimawandel hat weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche uns soziale Entwicklung ganzer Kontinente und der Völkergemeinschaft insgesamt. Klimaaußenpolitik ist daher ein wesentlicher Teil unserer Außenpolitik, die auf Frieden und Sicherheit zielt.

Mir liegt als Außenminister das Thema „Klima und Sicherheit“ besonders am Herzen. Denn der Klimawandel kann zu Instabilitäten innerhalb von Staaten und Regionen führen und fühlbare Beeinträchtigungen für das Zusammenleben zwischen den Völkern hervorbringen. .

Wir erleben bereits aufgrund des Klimawandels Veränderungen der Lebensverhältnisse in vielen Teilen der Welt. Wir müssen damit rechnen, dass der Klimawandel zu einem steigenden Meeresspiegel, zu extremen Wetterereignissen und zu Dürreperioden führt. Die Folgen sind offensichtlich: Nahrungsmittelknappheit, Wassermangel, Krankheiten, Landflucht, Migration.

Für einige Staaten ist die Bedrohung unmittelbar mit Händen zu greifen:

Besonders eindrucksvoll war mein kürzliches Gespräch mit dem Präsidenten der Malediven Mohamed Nasheed. Er hat mir drastisch vor Augen geführt, wie stark die kleinen Inselstaaten vom Klimawandel bedroht sind. Sie sehen sich heute der Gefahr des Untergangs ausgesetzt.

Ein einfaches Hinnehmen oder Hinwegsehen ist für uns keine Option.

Wir werden alle Instrumente einsetzen, die uns zur Verfügung stehen: Klassische Diplomatie, Entwicklungspolitik, internationale Bildungspolitik, Förderung von Innovation und Hochtechnologie.

Klimaschutz ist global eines der beherrschenden Themen auf der politischen Agenda geworden. Das stelle ich auf meinen Reisen immer wieder fest. Ob in China, Japan, Brasilien, Südafrika oder Tansania: Das Bewusstsein der Dringlichkeit ist da.

Wir müssen uns aber über den gemeinsamen Weg zu unserem Ziel noch einigen. Das wird sicher ein hartes Stück Arbeit, aber es ist alternativlos.

Hans-Dietrich Genscher hat für die entstehende multipolare Welt einmal drei Optionen formuliert:

Die erste ist ein globales Chaos ohne Regeln, ohne Sanktionen und ohne Verantwortung. Das ist die Chaos-Option.

Die zweite ist die gefährliche Illusion, einzelne Staaten könnten aufgrund ihrer wirtschaftlichen oder militärischen Stärke die globalen Regeln nach eigenem Ermessen bestimmen.

Die dritte Option schließlich ist die globale Kooperation auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der Völker, der Staaten und Regionen. Das ist die Kooperationsoption.

Chaos ist keine Option. Vorherrschaft einzelner Staaten oder Regionen ist ebenfalls keine Option. Die Option, für die Petersberg steht, ist die Option der Zusammenarbeit auf der Grundlage von Gleichberechtigung und Ebenbürtigkeit der Völker.

Persönlich sehe ich im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, Energie und Infrastruktur ein breites Feld für internationale Kooperationen, zu beiderseitigem Nutzen. Dies gilt besonders für die Förderung neuer Technologien. Deutschland ist gern bereit, mit seinem Know How im Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienz seinen Beitrag zu leisten.

Die Kooperationsoption erfordert weitsichtiges und verantwortungsvolles Handeln auch auf regionaler Ebene.

Eine der großen und weitsichtigen Initiativen der 70er Jahre war die Gründung der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, der KSZE. Sie trug maßgeblich zur Beendigung des Ost-West-Konfliktes bei.

Durch die KSZE und ihre Nachfolgerin, der OSZE, haben wir in Europa sehr viel gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und die Spaltung unseres Kontinents überwunden.

Mir kommt es auf folgenden Punkt an:

Wir brauchen diesen Geist der Gemeinsamkeit auch bei den Klimaverhandlungen. Gerade in Kopenhagen wurde deutlich, welche Bedeutung ein umfassender und transparenter Verhandlungsprozess hat, der auf Vertrauen basiert.

Die Dramatik der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise, der Klimakrise und ihre zu erwartenden Auswirkungen lassen nur einen Schluss zu: Es gibt keine Alternative zu einer Weltordnung der globalen Interdependenz.

Globalisierung bedeutet globale Nachbarschaft aller mit allen. Was in anderen Weltregionen geschieht, betrifft uns heute viel unmittelbarer als zuvor. Es gibt keine entfernten Gebiete und Ereignisse mehr. Bei dieser Nachbarschaft geht es darum, einen Ausgleich für die unterschiedlichen, legitimen Interesse zu finden.

Es reicht nicht, nur an die gegenseitige Rücksichtnahme und die gemeinsame Verantwortung zu appellieren. Wir müssen unsere Werte und unsere Interessen in einem - zum Teil mühevollen - Prozess in Einklang bringen. Dies ist unsere gemeinsame Aufgabe.

In unseren marktwirtschaftlich organisierten Ländern sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, die zur freien Entfaltung der vorhandenen schöpferischen Kräfte führen.

Sie müssen aber gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung fördern und den ärmsten Ländern eine Chance bieten, ihre Situation zu verbessern.

Aus vielen Gesprächen mit Unternehmern weiß ich, dass die Wirtschaft bereit ist, Regeln zu akzeptieren, die dem Klimaschutz dienen, wenn sie zu vorhersehbaren und fairen Wettbewerbsbedingungen führen.

Wir brauchen deswegen ausgewogene Regeln für den globalen Wettbewerb.

Besonders wichtig erscheint mir, dass wir gemeinsam einen globalen Kohlenstoffmarkt schaffen.

Denn wir schaffen zum einen ökonomische Anreize für den Klimaschutz. Zum anderen können wir die Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionszertifikaten nutzen, um Klimaschutzmaßnahmen zu Hause und in aller Welt zu finanzieren.

Wir haben damit auch eine wichtige Finanzierungsquelle, um Anpassungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern zu finanzieren.

Aus den blutigen Kriegen des 20. Jahrhunderts haben wir in Deutschland gelernt, dass wir unsere Interessen nur durch eine enge Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn durchsetzen können.

In der Welt von heute stellt uns der globale Klimawandel erneut eine große Aufgabe. Von der Europäischen Union haben wir gelernt, wie der zwischenstaatliche Interessensausgleich in der Wirtschafts- und Energiepolitik funktioniert.

Wir sind in der Lage, diesen Interessenausgleich auch auf globaler Ebene für den Klimaschutz zu finden. Solche Wege gibt es. Man muss sie nur beschreiten.

In den kommenden Tagen können Sie ein neues Fundament in der Klimapolitik legen und - das ist wohl besonders wichtig - verlorenes Vertrauen wieder aufbauen.

Sie können darüber hinaus – und das ist die eigentliche Botschaft meiner Rede - das Fundament festigen für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen unseren Nationen in der globalisierten Welt. Diese Welt muss zugleich dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung für den Schutz des Klimas Rechnung tragen.

Ich wünsche uns allen einen guten Verlauf des „Petersberger Klimadialogs“

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