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Interview: Westerwelle in der ARD-Sendung Bericht aus Berlin

24.01.2010 - Interview

Mit welchem Konzept will eigentlich die Bundesregierung nach London fahren, mehr Soldaten oder mehr zivile Aufbauhelfer?

Wir wollen vor allem dafür sorgen, dass es einen wirtschaftlichen Aufbau in Afghanistan gibt. Wir werden auch gleichzeitig in London mit den Vorschlag machen, dass es ein Aussteigerprogramm gibt für die sogenannten Mitläufer. Das heißt, dass diejenigen, die nicht als gewaltbereite Terroristen mit ideologischer Verblendung diesen Kampf führen, sondern dass andere, die mitlaufen, oft genug auch weil sie dort wirtschaftlich etwas angeboten bekommen, dass die jetzt ein Aussteigerprogramm bekommen, um auch in die Gesellschaft reintegriert zu werden.

Da sagen aber Geheimdienstleute in Kabul, das sei eigentlich unnötig, denn das sei das Letzte womit man Taliban ködern könne, mit einem Aussteigerprogramm.

Deswegen spreche ich auch nicht von den gewaltbereiten, ideologischen Taliban-Terroristen, die ja aus fundamentalistischer Verblendung uns deshalb schon ans Leben wollen, weil wir so aufgeklärt und liberal im Westen leben, wie wir das alle gerne tun. Sondern ich spreche von den Mitläufern, ich spreche von denen, die zum Beispiel in ländlichen Regionen angeworben werben. Oft genug, weil sie keine eigene wirtschaftliche Perspektive haben. Wir wollen diesen Neuanfang versuchen in der Afghanistan-Politik und deswegen werden wir auch einen Fond beschließen in London. So ist es vorbesprochen, so wird es kommen, der die Reintegration von solchen Mitläufern auch unterstützen soll.

Wie einig sind Sie sich denn mit Ihrem Ministerkollegen Herr Zu Guttenberg? Da hört man, er will bis zu 1.000 neue Soldaten schicken. Sie waren eigentlich immer gegen eine Truppenaufstockung.

Ich habe nie gesagt, dass es keinerlei Truppenaufstockung geben darf. Ich hab immer nur gesagt, zunächst einmal geht es um den zivilen Aufbau. Es geht dann auch vor allen Dingen um die Umschichtung innerhalb des vorhandenen Bundeswehrkontingentes. Das heißt, wie viele können mehr eingesetzt werden, für die Ausbildung, für das Training der Soldaten und der Polizisten in Afghanistan? Und ganz am Schluss kann es lediglich um die Frage gehen, ob aufgestockt wird. Im Mittelpunkt unserer Strategie liegt ja das Ziel, dass wir abziehen wollen, wir wollen ja nicht ewig in Afghanistan bleiben, also müssen wir auch die Übergabe der Verantwortung organisieren und das geht nur dadurch, indem wir eigene, selbsttragende Sicherheitsstrukturen in Afghanistan schaffen und die Schaffung unterstützen.

Sie haben gerade gesagt, Sie wollen irgendwann einmal abziehen. Die SPD sagt nun, 2015 sollte das letzte Datum sein für den Abzug. Da scheinen Sie sich ja nicht einigen zu können. Wird es keine Einigung mit der SPD über die Afghanistan-Strategie geben?

Wir werden ja, so wie in der letzten Woche auch, auch in dieser Woche intensiv das Gespräch mit der Opposition suchen. Aber ich werde mich keinen parteipolitischen Manövern der Opposition unterwerfen. Dieser Afghanistan-Einsatz hat begonnen unter rot-grüner Regierung, er ist fortgesetzt worden unter schwarz-roter Regierung und wir müssen jetzt sehen, wie wir ihn umstrukturieren, damit er erfolgreicher wird und deswegen appelliere ich auch an die Sozialdemokraten sich doch ihrer Verantwortung jetzt nicht mit Vorwänden zu entziehen. Es kann ja nicht so sein, dass wir gerade einmal 80 Tage, 90 Tage im Amt sind und die SPD alles vergessen hat, dass sie die letzten Jahre nämlich regiert hat.

Der US-Beauftragte von Präsident Obama, Richard Holbrooke sagt, zu verhandeln sei eigentlich nichts mehr in London, die Strategie stehe, das heißt mehr Soldaten. Wie wollen Sie sich da noch durchsetzen?

Das mag seine Meinung sein. Die Meinung aller anderer Verbündeten ist anders, wie ich festgestellt habe und in aller Bescheidenheit, ich freue mich auch darüber, dass mein Ziel, nämlich dass es in London eine wirkliche, breite politische Konferenz wird, dass das auch gelungen ist und da habe ich auch meinen Beitrag dazu leisten können. Darüber freue ich mich.

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