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Abschlussrede von Staatsminister Gernot Erler bei der Konferenz „Sicherheitsbedrohung Klimawandel – Handlungsoptionen für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft“
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
die internationale Konferenz „Sicherheitsbedrohung Klimawandel - Handlungsoptionen für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft“ geht jetzt zu Ende, und Sie haben eben gehört, ich habe die schöne Aufgabe, jetzt in fünf Minuten diese Konferenz zusammenzufassen. Nichts ist unmöglich, aber das ist schwierig. Ein paar Punkte will ich versuchen festzuhalten:
Erstens: Wir haben eine gemeinsame Risikoanalyse, hier gibt es Einigkeit. Die Wissenschaft hat dargestellt, was die Gefährdungen sind: die Trinkwasserverknappung auf der einen Seite, das Abschmelzen der Pole und die Erhöhung des Meereswasserspiegels auf der anderen Seite, die Dürrekatastrophen, die zu noch mehr Nahrungsmittelmangel führen und die zunehmenden Unwetter, die unsere Kapazitäten überfordern.
Zweitens: Es gibt auch eine gemeinsame Position darüber, dass das alles Probleme und Gefährdungen sind, die durch Menschenhand entstanden sind. Wir reden hier also nicht von Schicksal, und das bedeutet auch, dass die Antwort von den Menschen kommen muss. Und da reicht es nicht, alleine auf die große Politik zu schauen, auch wenn sich die deutsche Außenpolitik, wie Sie gesehen haben, jetzt diese Themen zu eigen macht, sie anerkennt als behandlungswert. Da brauchen wir vielmehr Gesellschaft, die gemeinsame Anstrengung, die Expertise von Umweltverbänden, aber auch komplexe Bündnisse, Koalitionen, Netzwerke, um eine gemeinsame Antwort zu geben. Denn - ich komme noch einmal zurück auf den Beitrag von Nobelpreisträger Pachauri - wir haben nicht mehr viel Zeit, maximal sieben Jahre, um wirklich etwas zu ändern. Und auch Professor Messner vom Wissenschaftlichen Beirat für Globale Umweltveränderung hat uns, glaube ich, eindrücklich gezeigt, dass sich die katastrophalen Ereignisse multiplizieren werden, wenn wir nicht schnell genug handeln.
Mein dritter Punkt ist die Technologie: Ich denke, wir haben gerade heute Vormittag hier noch einmal vor Augen geführt bekommen, dass vieles bereits vorhanden und noch mehr möglich ist. Eindrucksvoll fand ich, dass gerade Professor Eicke Weber als ein Vertreter der Wissenschaft hier optimistischer als viele Politiker war, wenn er gezeigt hat, was er sich selbst, was er seiner Zunft zutraut, obwohl es natürlich noch viele ungelöste Probleme gibt. Aber entscheidend ist, dass diese Technologie durch ein richtiges politisches Rahmenwerk genutzt wird. Dabei vorauszugehen, ist eine schöne, eine wichtige Aufgabe, auch für so ein Land wie Deutschland. Wir sind natürlich stolz darauf, dass heute schon weltweit 71 Staaten, wie wir gehört haben, erneuerbare Energien nutzen und 52 davon nach dem Muster des deutschen Erneuerbaren-Energien-Gesetzes mit den Einspeiseregelungen, welches ein so großer Anreiz ist, diesen Weg zu gehen. Aber wir haben heute auch gelernt, dass es nicht ausreicht, hier nur voranzuschreiten, dass vielmehr die Gefahr besteht, dass man die klimaschädlichen Vorgehensweisen in die Dritte Welt verlagert, und sich so selber sozusagen rein macht von Verantwortung, Stichwort: carbon leakage. In diesem Kontext war das Beispiel von einem dezentralen Vorgehen, wie das mit dem Namen Grameen Shakti in Bangladesh verbunden ist, besonders ermutigend. Man wünscht sich, dass dieses Beispiel in vielen, vielen Regionen der Welt Schule macht als ein dezentraler Ansatz, den man unterstützen muss. In diesem Zusammenhang haben wir vielleicht den konkretesten Hinweis auf dieser Konferenz bekommen, nämlich dass es überaus wichtig ist, die von uns entwickelten so genannten Enabling Technologies, über Energieentwicklungshelfer auch anderswo als in Bangladesh, wirksam zu machen.
Vierter Punkt: die besondere Verantwortung der Kommunen. Die Städte haben 50 Prozent der Weltbevölkerung, 70 Prozent des Energieverbrauchs - wo sonst muss man ansetzen? Und ich fand es wirklich faszinierend zu hören, dass hier ein Ansatz funktioniert, der sonst in der Politik selten funktioniert, nämlich ein Austausch von Ideen, von Erfahrungen, von Kreativität auf gleicher Augenhöhe. Wir haben keine Chance, wenn wir beispielsweise den Chinesen sagen, sie dürften auf keinen Fall das Wohlstandsmodell nachmachen, das wir seit über 150 Jahren verfolgen. Dieser Dialog muss vielmehr auf gleicher Augenhöhe stattfinden, die gleichen Rechte müssen anerkannt werden. Der Austausch von Erfahrungen, von Ideen, von Kreativität auf gleicher Augenhöhe - das ist die Chance von Zusammenarbeit von Städten. Und da bin ich froh, dass wir hier in Freiburg ICLEI haben, die sich das zum Motto gemacht haben.
Fünfter Punkt: Es gibt selbstverständlich eine große Frage, die wir hier auch diskutiert haben: Wie kommt man eigentlich zu einem politischen Durchbruch? Wir sind, was das Weltfinanzsystem angeht, in einer Stresssituation, die immer mehr droht, zu einer Weltwirtschaftskrise zu werden. Auf der anderen Seite wurde gerade hier Handlungsfähigkeit bewiesen. Innerhalb von Tagen konnten Pakete von Hunderten von Milliarden Dollar oder Euro mobilisiert werden, um möglichst diese Krise noch zu vermeiden. Da ist die Frage, was das für die Herausforderung durch den Klimawechsel bedeutet. Wir brauchen im Grunde genommen diese gleiche Fähigkeit, diese gleiche Dimension des Handelns und dies innerhalb von wenigen Jahren. Und da sind wir bei der zentralen Frage: Sind wir wirklich imstande, die jetzige Klimasituation als eine Herausforderung anzunehmen und nach vorne zu gehen in eine neue Innovationsrevolution? Ich denke, gerade weil wir zur Zeit das Scheitern von bisherigen Systemen beobachten, sind wir durchaus zu einem solchen Epochenbruch auch in Bezug auf den Klimawandel in der Lage.
Und in diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an den Anfang erinnern, an das, was Außenminister Frank-Walter Steinmeier hier gesagt hat. Er hat betont, dass es nicht ausreicht, dass Europa eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnimmt. Wir brauchen dafür vielmehr noch eine zweite Lokomotive, nämlich die Vereinigten Staaten von Amerika, die größte Wirtschaftsmacht und politische Macht auf der Welt, die auch am meisten Energie verbraucht. Das war eine ausgestreckte Hand und eine Botschaft an den neu gewählten amerikanischen Präsidenten Barack Obama zu sagen, leadership würde heißen, vielleicht mit uns zusammen so einen „Green New Deal“ zu machen.
Und meine Damen und Herren, hier geht es für mich um eine Übertragung einer Erfahrung aus der klassischen Sicherheitspolitik auf diese neue Sicherheitspolitik, die mit den Herausforderungen des Klimawandels zusammenhängt. Was sind denn die Erfahrungsschritte in der klassischen Sicherheitspolitik gewesen? Sie laufen doch darauf hinaus, dass wir es nicht schaffen werden, Konflikte international immer erst hinterher zu reparieren, mit Interventionen, vielleicht sogar mit militärischen Interventionen. Das schaffen wir nicht, das überfordert uns. Und genauso ist es beim Klimawandel. Wir brauchen eine globale Präventivpolitik in Bezug auf den Klimawandel, und das bedeutet Schritte in Richtung einer globalen Verantwortungsgemeinschaft. Dies ist natürlich nur möglich, wenn die ganz großen Player, die Amerikaner, die Chinesen, die Inder, die Lateinamerikaner hier dabei sind. Eine aktive, eine proaktive Klimapolitik, das ist die Friedenspolitik der heutigen Zeit.
Meine Damen und Herren,
das war mein Versuch, in fünf Minuten das auf dieser Konferenz Gesagte zusammenzufassen. Das hat viele, viele wertvolle Aspekte ausgelassen, die wir hier gehört haben. Aber auch in diesem Zusammenhang habe ich eine gute Nachricht für Sie. Hier in Freiburg gibt es ein Zentrum für Erneuerbare Energien, das einen internationalen Masterkurs in „Renewable Energy Management“ anbietet. Die Vertreter dieses Kurses sind hier, und Ihnen wurde die nicht ganz einfache Seminaraufgabe gestellt, bis heute Abend von jedem Panel eine Zusammenfassung auf Englisch zu erstellen und im Anschluss eine Zusammenfassung der gesamten Konferenz daraus zu erarbeiten. Diese Zusammenfassung sowie alle Redebeiträge und Charts, die hier gehalten beziehungsweise gezeigt und freigegeben werden, werden wir ab der kommenden Woche auf die Webseite der Konferenz www.freiburg-konferenz.de einstellen. So haben Sie etwas, das Sie nicht nur an diese Konferenz erinnert, sondern das für Sie vielleicht auch eine Arbeitsgrundlage für weitere Anstrengungen ist.
Meine Damen und Herren,
es wurde angekündigt, dass es jetzt noch ein kleines Event gibt. Zunächst möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, dass wir hier versucht haben, mit gutem Beispiel praktischer Tätigkeit vorausgehen und diese Konferenz klimaneutral gestellt haben. Ich bin stolz, Ihnen hierzu eine kleine Urkunde zeigen zu können. Wir haben ausgerechnet, dass die Durchführung dieser Konferenz mitsamt den Reisetätigkeiten, Unterkunft usw. 148.000 Tonnen CO2-Äquivalenten entspricht. Wir haben dafür einen Ausgleich geschaffen durch Ankauf von Zertifikaten für eine gebündelte Windkraftanlage in Maharashtra in Indien. Sie können also mit gutem Gewissen sagen, dass Sie ohne klimaschädigende Folgen zu verursachen an dieser Konferenz teilgenommen haben.
Aber wir haben ja noch etwas. Wir haben noch die Idee gehabt, zum Auftakt dieser Konferenz vorgestern ein Konzert des Freiburger Barockorchesters als Benefizkonzert für ein Klimaschutzprojekt zu veranstalten. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ganz herzlich bei der Deutschen Telekom und ihrem Repräsentanten Dr. Ignacio Campino bedanken, dass Sie dieses wunderbare Benefizkonzert so großzügig gesponsort und somit möglich gemacht haben, dass wir dem Klimaschutzprojekt „Lighting up Hope and Communities in Rural Nicaragua“ eine beträchtliche Summe zur Verfügung stellen können.
Und jetzt bitte ich Frau Dr. Helen Marquard, Generalsekretärin der Organisation SEED mit Sitz in London, die das Projekt im Rahmen ihres jährlichen Wettbewerbs für die besten nachhaltigen Unternehmensideen, ausgewählt hat, auf die Bühne zu kommen. Ich bitte Sie, Frau Marquard, einige Worte zu SEED und zu dem geförderten Projekt zu sagen. Sie haben das Wort.
[REDE Fr. Marquard]
Danke schön Frau Marquard. Sie haben uns, glaube ich, überzeugt, dass wir mit dem Solarprojekt in Totogalpa die richtige Wahl getroffen haben. Wir haben uns übrigens auch für dieses Projekt entschieden, weil Totogalpa nur ca. 200 km entfernt von Freiburgs eng verbundener Partnerstadt Wiwili liegt. Ich darf Ihnen jetzt, Frau Marquard, symbolisch den Scheck in Höhe von 35.000 Euro aus dem Erlös des Benefizkonzerts des Freiburger Barockorchesters am 5. November übergeben.
Meine Damen und Herren, ich komme abschließend zu einigen Danksagungen. Zunächst einmal möchte ich nochmals unserem Sponsor, der Deutschen Telekom, herzlich danken, dass das Benefizkonzert und die Förderung des Solarprojekts in Nicaragua möglich gemacht wurde. Ich danke der Stadt Freiburg und deren Mitarbeitern für die gute Kooperation bei der Vorbereitung und Durchführung der Konferenz. Ich möchte meinem Team vom Auswärtigen Amt, das diese Konferenz nicht nur vorbereitet, sondern auch zum Erfolg geführt hat, herzlich danken, ganz besonders meiner Mitarbeiterin Frau Annette Walter, ohne die das nicht möglich gewesen wäre. Auch möchte ich Adelphi Research als die Organisation, die das ganze professionell durchgeführt hat, einen herzlichen Dank sagen. Ich glaube, alle haben sich hier wirklich bewährt. Ich möchte auch einen Blick ganz nach oben werfen zu unseren professionellen Dolmetscherinnen, die glaube ich dafür gesorgt haben, dass jeder, der auch nicht so gut Englisch beherrscht, teilnehmen und profitieren konnte von dieser Konferenz. Herzlichen Dank, es war eine großartige Arbeit. Ich danke allen Keynote-Speakern und auch allen Panelisten, die hier beigetragen haben zu der Konferenz. Vor allem aber möchte ich Ihnen danken, dass Sie in so beeindruckend hoher Zahl über eineinhalb Tage hier teilgenommen und dass Sie dafür gesorgt haben, dass das eine lebendige und diskussionsfreudige Veranstaltung war.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal kurz die Moderatorin Frau Petra Pinzler hier nach oben bitten. Frau Pinzler, Sie haben vorhin das Publikum gelobt. Das ist auch richtig, das muss ein Moderator so machen. Aber ich fand, wir haben Ihnen auch zu danken, dass diese Konferenz keine ermüdende Aneinanderreihung von Einzelvorträgen war, sondern dass ein lebendiger Dialog entstanden ist, dass es spannend war und dass eben dieser „Spirit“ rübergekommen ist bei der Konferenz. Das verdanken wir in erster Linie Ihnen, und deswegen möchten wir Sie nicht ohne ein kleines Geschenk hier entlassen. Ich habe davon geredet, dass wir hier vorgestern das wunderbare Konzert des Freiburger Barockorchesters hatten. Ich übergebe Ihnen hiermit die kompletten Vier Jahreszeiten von Haydn gespielt vom Freiburger Barockorchester, und das sind die letzten Blumen, die man in Freiburg bekommt, die nicht im Gewächshaus, sondern draußen gewachsen ist. Auch das passt zu dieser Konferenz. Noch einmal ganz herzlichen Dank für Ihre tolle Arbeit!