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Begrüßung und Eröffnungsrede des Außenministers beim Troika-Treffen EU-Zentralasien in Berlin
-Es gilt das gesprochene Wort-
Sehr geehrte Kollegen, sehr geehrter Botschafter Morel, sehr geehrter Botschafter Redschepow, sehr geehrter Botschafter Curto, sehr geehrter Herr Generaldirektor Landaburo,
ich möchte Sie herzlich in Berlin begrüßen. Und ich danke Ihnen, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.
Als wir uns zum letzten Mal gemeinsam trafen – das war am 28. März in Astana – , haben wir uns viel vorgenommen. Wir wollten ein neues Kapitel der europäisch-zentralasiatischen Beziehungen aufschlagen, wir wollten den Anstoß geben für eine umfassende und allseitigen Vertiefung unserer Beziehungen. Ich freue mich, heute mit Ihnen eine erste gemeinsam Bilanz zu ziehen. Als sichtbares Zeichen unserer gemeinsamen Bemühungen liegt vor Ihnen die vom Europäischen Rat gebilligte Zentralasienstrategie der Europäischen Union.
Ich verstehe diese Strategie als ein konkretes Programm für die nächsten Jahre. Seine Umsetzung ist unsere gemeinsame Aufgabe, wobei den nachfolgenden Präsidentschaften naturgemäß hier eine besondere Rolle zukommt. Deswegen freue ich mich, dass unser Kollege Luis Amado in Kürze zu uns stoßen wird.
Die „Strategie für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den fünf zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan“ ist ein Erfolg: für die Europäische Union und für Zentralasien. Zum ersten Mal verfügen wir über einen politischen Rahmen, der gemeinsame Ziele definiert und konkrete Bereiche für eine intensivierte Zusammenarbeit benennt. Wir wollen eine Partnerschaft mit den Ländern Zentralasiens, die ihren Beitrag leistet zu mehr Sicherheit und Wohlstand in dieser wichtigen Region. Und wir verstehen die Zentralasien-Strategie als weiteren Baustein unserer Bemühungen, die Beziehungen der EU zu unseren östlichen Nachbarn zu stärken – neben der Nachbarschaftspolitik und der Weiterentwicklung der strategischen Partnerschaft mit Russland.
Ihnen, Herr Botschafter Morel, als dem EU-Sondergesandten für Zentralasien möchte ich für Ihr großes Engagement in dieser Sache danken, ebenso der Kommission und allen EU-Partnern, ohne deren aktive Mitarbeit dieser Schritt nicht möglich gewesen wäre.
Mein Dank gilt auch den zentralasiatischen Kollegen. Viele Ihrer Anregungen aus den vergangenen Monaten sind in das vorliegende Dokument eingeflossen.
Wir wissen alle um die jahrhundertealten Verbindungen zwischen Europa und Zentralasien. Bei der Strategie geht es aber um mehr als Geschichte oder ein romantisches Besinnen auf die märchenhaften Traditionen der Seidenstraße. Vielmehr geht es um ganz konkrete Aufgaben, die sich für uns im Zeitalter der Globalisierung gleichermaßen stellen und die wir auch nur gemeinsam bewältigen können: Terrorismus, organisierte Kriminalität, Drogenhandel, aber auch Umweltgefahren – um in diesen Feldern effektiv zu handeln, wollen wir unsere Kräfte überregional bündeln. Auch der Weg zu Stabilisierung und Wiederaufbau in Afghanistan führt über Zentralasien. Als EU wollen wir mit Ihnen, den Staaten Zentralasiens, in all diesen Feldern eng zusammenarbeiten. Wir möchten Sie bei der politischen und wirtschaftlichen Modernisierung in Ihren Ländern unterstützen. Grundlage sind dabei die Werte und Prinzipien, zu denen sich die EU und die Staaten Zentralasiens in der UNO und in der OSZE gemeinsam bekennen.
Teil unseres Bemühens ist die Stärkung des politischen Dialogs zwischen beiden Regionen. Am 28. März 2007 fand in Astana erstmals ein Treffen der EU-Troika mit den Außenministern der zentralasiatischen Staaten statt. Für diesen Dialog streben wir einen jährlichen Rhythmus an, und die EU ist bereit, ihre Präsenz in Zentralasien signifikant zu verstärken. Wie Sie wissen, möchte die Europäische Kommission auch aus diesem Grund neue Vertretungen in Zentralasien eröffnen.
Darüber hinaus wird die EU auch ihre Mittel für die Zusammenarbeit mit den Staaten Zentralasiens verdoppeln.
Wichtig ist die bessere Integration der Länder Zentralasiens in die Weltwirtschaft wie auch der Ausbau der regionalen Handelsverbindungen. Voraussetzungen hierfür sind, wie überall, verlässliche Bedingungen auch für private Investoren. Wir Europäer haben einen langen Weg zurückgelegt, um unsere Märkte zu vereinheitlichen und zu liberalisieren. Unsere Erfahrungen könnten auch für Sie in Zentralasien hilfreich sein, wenn es nämlich darum geht, die dortigen Volkswirtschaften schrittweise an EU- und internationale Standards heranzuführen. In diesem Zusammenhang unterstützen wir auch das Bemühungen derjenigen zentralasiatischen Staaten, die noch keine Mitglieder sind, um WTO-Mitgliedschaft.
Zukunftsträchtig ist ebenso die Zusammenarbeit im Bereich Energie. Hier bestehen große und noch längst nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten. Mindestens 4 % der Weltenergiereserven lagern in Zentralasien. Zunächst wollen wir den Energie-Dialog verstärken, um die praktische Zusammenarbeit voranzutreiben. Dabei geht es auch um zusätzliche Energie-Transport-Korridore vom kaspischen Becken über die Schwarzmeer-Region nach Europa.
Die Geschichte der EU ist eine Geschichte von Frieden und Wohlstand durch regionale Zusammenarbeit, eines gleichberechtigten Miteinanders zwischen großen und kleinen Staaten. Auch die Länder Zentralasiens unterscheiden sich voneinander. Jedes hat seine nationalen Besonderheiten, sein historisches und kulturelles Erbe. Deshalb ist unser Ansatz bilateral und gleichzeitig regionalpolitisch. Wir möchten Sie unterstützen beim Aufbau eines modernen Grenzmanagements, das Grenzen sichert, zugleich aber den Austausch von Menschen und Gütern nicht behindert.
Grenzüberschreitende, regionale Zusammenarbeit ist auch für die effiziente Nutzung der Wasserressourcen notwendig. Nur so können Umweltkatastrophen wie das Austrocknen des Aralsees künftig vermieden werden.
Weitere, auch bilaterale Ansätze für die Zusammenarbeit sehe ich im Bildungsbereich oder beim Schutz der Menschenrechte. Der Beginn des Menschenrechtsdialogs mit Usbekistan zeigt, wie nützlich das gemeinsame Bemühen in dieser Beziehung ist. Darüber hinaus planen wir eine „Rechtsstaatsinitiative“ der EU, um die Entwicklung moderner rechtsstaatlicher Strukturen zu fördern.
Maßgeschneiderte Programme wollen wir auch im Rahmen der „Bildungsinitiative“ der EU entwickeln. Der Sternenkatalog von Ulug Beg, dem großen „Astronomenprinz“ auf dem Thron von Samarkand, die Enzyklopädie der Medizin des berühmten Arztes Abu Ali Husain ibn Sina aus Buchara – in Europa noch besser bekannt unter dem Namen Avicenna – , wir alle wissen um die großen Wissenschaftstraditionen in Zentralasien. Ulug Beg sagte einst: „Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Zarenreiche zerstören sich von selbst, aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben für alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht eines jeden!“ Auch daran wollen wir anknüpfen, wenn wir daran gehen, den Zugang der Menschen zu Bildung und Ausbildung zu verbessern, die Bildungssysteme zu modernisieren und den akademischen und wissenschaftlichen Austausch zwischen Zentralasien und der EU auszubauen.
Liebe Kollegen,
die vorliegende Strategie, das habe ich eingangs schon gesagt, ist in meinen Augen weniger ein Ergebnis als vielmehr eine Konkretisierung der vor uns liegenden Aufgaben. Europa und Zentralasien sollten als Partner ins 21. Jahrhundert gehen. Wir haben uns dafür eine gute Arbeitsgrundlage geschaffen. Nun hängt alles davon ab, dass wir unsere gemeinsame Agenda tatkräftig umsetzen.
Das Wort hat nun Botschafter Morel, der uns über die nächsten Schritte bei der Umsetzung der Strategie unterrichten wird.