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Grußwort von Bundesaußenminister Steinmeier anlässlich des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages

06.06.2007 - Rede

Bundesaußenminister Steinmeier setzt sich in seinem Grußwort anlässlich der Eröffnung des 31. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Köln für faire Regeln und weltumspannende Solidarität ein: „Das 21. Jahrhundert ist das erste Jahrhundert, in dem die Menschheit gemeinsam darüber entscheidet, ob wir eine gute Zukunft haben. Wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot - egal ob reich oder arm, ob wir in Afrika, Asien oder Europa geboren sind. ... nur mit fairen Regeln und einer weltumspannenden Solidarität können wir die wichtigsten Zukunftsprobleme lösen. “

Der Abschlussgottesdienst des wunderbaren Kirchentages in Hannover liegt gerade zwei Jahre zurück. Schön, dass wir uns heute in Köln wiedersehen!

In den nächsten Tagen werden hier mehrere Hunderttausend Menschen miteinander diskutieren, lernen, lachen, tanzen und auch beten. Der Evangelische Kirchentag ist ein Fest des Glaubens und ein Fest des Friedens, voller Weltoffenheit und Neugier füreinander. Hier in Köln werden Argumente ohne großes Polizeiaufgebot, ohne Gewalt, Zäune und Stacheldraht ausgetauscht.

Wir leben in einer Welt voller Hoffnungen und Ängste. Unsere Ängste gründen auf den immer schnelleren Veränderungen der Welt und des eigenen Lebens. Der Begriff Globalisierung - er klingt für viele Menschen nach immer schärferem Wettbewerb, nach Kostendruck und dem Griff nach dem schnellen persönlichen Vorteil. Die einen werden immer reicher, andere bleiben abgehängt zurück. Aber es keimt auch Hoffnung. Die Hoffnung, dass wir eine menschliche Gesellschaft in den stürmischen Zeiten des Wandels miteinander erhalten und gestalten. Dies ist eine Botschaft, für die gerade auch die Evangelische Kirche und wir alle, die diese Kirche bilden, immer wieder eintreten.
Ich danke all denen auch ganz persönlich, die im Alltag anderen Menschen in Not helfen, die sie trösten und unterstützen. Mit ihrem Dienst am Nächsten geben Sie unserer Gesellschaft ein menschliches Gesicht. Sie leben das „Prinzip Verantwortung“, für das wir im globalen Rahmen noch sehr kämpfen müssen.

Das 21. Jahrhundert ist das erste Jahrhundert, in dem die Menschheit gemeinsam darüber entscheidet, ob wir eine gute Zukunft haben. Wir sitzen alle gemeinsam in einem Boot - egal ob reich oder arm, ob wir in Afrika, Asien oder Europa geboren sind. Ich wünsche mir, dass diese Botschaft auch von diesem Evangelischen Kirchentag ausgeht - und zwar nach seinem Motto: „lebendig und kräftig und schärfer“. Diese Botschaft aus dem Hebräerbrief ist so aktuell wie nie zuvor. Denn nur mit fairen Regeln und einer weltumspannenden Solidarität können wir die wichtigsten Zukunftsprobleme lösen. Nur wenn wir uns auf eine gemeinsame Weltinnenpolitik verständigen, werden wir dauerhaften Frieden schaffen, die Armut bekämpfen und die Erderwärmung bremsen, kurz: können wir die „offene Welt“ als Chance für die Benachteiligten von heute erhalten!
Dazu brauchen wir mehr Gespräch und Zusammenarbeit, mehr gegenseitige Verflechtung und friedlichen Ausgleich. Und vor allem brauchen wir auch ein besseres Verständnis und Miteinander der Kulturen und Religionen. Juden, Christen oder Muslime - wir müssen daran arbeiten, dass sich die Kinder Abrahams ab und zu auf ihre verwandtschaftlichen Bindungen besinnen, statt nur auf das Trennende zu schauen!

Warum suchen die Menschen wieder stärker nach Sinn und Orientierung, auch in den christlichen Kirchen? Ich glaube, daran ist nicht in erster Linie die Globalisierung schuld. Viele Menschen haben vielmehr das Gefühl, dass bei uns der soziale Zusammenhalt und das Streben nach Gemeinschaft verloren gehen. Die Ökonomisierung aller Lebensbereiche, in denen Menschen nur noch als Konsumenten, Produzenten und Kostenstellen vorkommen, erfüllt uns mit Unbehagen und Sorge. Viele empfinden den Preis des Fortschritts als hoch - ich meine die beständigen Rufe nach mehr Flexibilität, Mobilität und Veränderung. Ein Leben nach der Stoppuhr bedroht in den Augen vieler Menschen genau das, was wir für das Wesentliche halten: soziale Bindungen, menschliches Miteinander, Sicherheit und Lebensqualität.
Keine noch so gute Politik kann sozialen Zusammenhalt staatlich garantieren. Nur politische Gaukler behaupten etwas Anderes!

Aber Politik ist auch keineswegs machtlos. Denn gute Politik kann Rahmenbedingungen schaffen, die den sozialen Zusammenhalt fördern und uns dem Ziel einer menschlichen Gesellschaft näher bringen. Dafür brauchen wir gute Kindergärten und Schulen, in denen unsere Kinder nicht nur rechnen und schreiben lernen, sondern auch lernen, was Gemeinschaft, was Verantwortung bedeutet und dass man gemeinsam besser vorankommt. Eine menschliche Gesellschaft braucht aber vor allem soziale Netze - in der Familie, in der Kirchengemeinde, im Freundeskreis. Kein voller Geldbeutel kann gute Freunde ersetzen. Wenn wir in Not sind, gilt immer noch das alte Motto: Menschen für Menschen.

Ich wünsche uns in Deutschland ein neues Bündnis für sozialen Zusammenhalt. Ein Bündnis, das getragen wird von den vielen kleinen Bündnissen im Alltag - dem Einsatz der Menschen füreinander. Ich bin überzeugt: Ein optimistisches, ein menschliches und der Zukunft zugewandtes Land gibt es nur mit einer lebendigen Bürgergesellschaft.
Ich wünsche Ihnen allen bewegte Tage, interessante Gespräche und Begegnungen, die Ihnen neue Horizonte eröffnen. Und vor allem wünsche ich uns allen viel Kraft und Mut, weiter an dem Ziel einer Gesellschaft zu arbeiten, in der jeder seinen anerkannten Platz hat und in der wir füreinander einstehen.

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