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„Afrika: Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe“ – Rede von Bundesminister Steinmeier vor dem Deutschen Bundestag am 02.03.07
Bundesaußenminister Steinmeier unterstreicht in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag die Bedeutung des Jahres 2007 für Afrika. Er verweist auf Afrika als Mitgestalter einer gemeinsamen globalen Zukunft:„Die Staaten Afrikas ... nehmen das Leitmotiv “African Ownership„ ernst und sind bereit, sich über ihren eigenen Kontinent hinaus aktiv einzubringen.“ Im Rahmen der deutschen EU- und G8-Präsidentschaften soll die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Staaten und Regionalorganisationen neue Impulse erhalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Gründe für eine Afrikadebatte in diesem Hause gibt es reichlich. Ich freue mich, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages Anlässe für eine solche Debatte geschaffen haben. Ich bin Ihnen dankbar dafür. Ich bin Ihnen dankbar, dass wir die Debatte jetzt führen; denn 2007 ist in der Tat ein wichtiges Jahr für Afrika. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass Ghana fast auf den Tag genau vor 50 Jahren unabhängig geworden ist und damit einen historisch einmaligen Prozess der Dekolonialisierung, und zwar unumkehrbar, eingeleitet hat.
Schauen wir heute auf dieses Land: Ghana zeigt gerade mit der Bereitschaft, den Vorsitz in der Afrikanischen Union zu übernehmen, seine Entschlossenheit, auch künftig als Pionier in Afrika voranzugehen. Das, was wir jetzt sehen, ist in diesem Jahr wichtig. In diesem Jahr haben wir allein in Westafrika bis zu elf Wahlen vor uns, darunter die ganz besonders wichtige Präsidentschaftswahl in Nigeria, die ganz sicher ‑ egal, wie sie ausfallen wird ‑ Signalwirkung für den gesamten Kontinent haben wird.
Ich betone das, weil ich denke, dass der vor uns liegende Wahlkalender in Afrika eines zeigt, nämlich dass Demokratisierung und politische Entwicklung unseres Nachbarkontinents viel weiter sind, als wir in Europa das manchmal wahrhaben wollen.
Ich sage das, obwohl ich die Probleme kenne: Elend und Bürgerkrieg in manchen Regionen dieses Kontinents. Aber es gibt eben auch die positiven Zeichen. Ich erinnere mich, dass Thabo Mbeki Ende der 90er-Jahre eine „Afrikanische Renaissance“ gefordert hat. Ich erinnere mich, wie viele darüber gelächelt haben. Was damals noch als Träumerei galt, ist heute in vielen Teilen Afrikas politische Realität geworden. Sie kennen das Engagement vieler afrikanischer Staaten in der Entwicklungspartnerschaft NEPAD, in der sie zeigen, dass sie sich zu mehr Demokratie und Transparenz verpflichten. Sie haben den Prozess der letzten Jahre mitverfolgt, in dem sich die Afrikanische Union mehr und mehr zu einer handlungsfähigen Gemeinschaft entwickelt hat.
Was zeigt das? Afrika hat sich aus meiner Sicht auf der Weltbühne zurückgemeldet ‑ nicht nur als bloßer Empfänger von Entwicklungstransfers, sondern als Mitgestalter unserer gemeinsamen globalen Zukunft. Ich nenne nur ‑ Sie haben das aus jüngster Zeit in Erinnerung ‑ die Gastgeberrolle Kenias beim Weltsozialforum Anfang dieses Jahres. Die Umweltpolitiker unter Ihnen erinnern sich an die Weltklimakonferenz Ende 2006. Mir liegt fachlich sehr viel näher die positive Rolle, die etwa Ghana und Südafrika im Gouverneursrat der Internationalen Atomenergiebehörde gespielt haben, auch und gerade bei der Behandlung des immer noch nicht gelösten Konflikts mit dem Iran.
Ich meine, all das zeigt: Die Staaten Afrikas wollen gestalten, nehmen das Leitmotiv „African Ownership“ ernst und sind bereit, sich über ihren eigenen Kontinent hinaus aktiv einzubringen.
Was ich über die politische Entwicklung sage, gilt auch ‑ vorsichtig gesehen ‑ für die wirtschaftliche Entwicklung. Nach den Wachstumsraten, die seit zwei oder drei Jahren relativ stabil sind und sich in diesem Jahre offensichtlich so fortsetzen, können wir mit einem soliden Wirtschaftswachstum des afrikanischen Kontinents von im Durchschnitt immerhin 5 bis 6 Prozent rechnen. Ich weiß, dass ein Großteil dieses Wachstums auf die hohen Rohstoffpreise zurückzuführen ist. Ich weiß auch, dass die Gründung von Wachstum nur auf Ausbeutung von Rohstoffressourcen seine eigenen Probleme mit sich bringt. Wirtschaftlich gesehen zeigen die Fakten: Afrika ist ‑ Sie alle wissen das ‑ für private Investoren interessanter geworden, zumal für asiatische und insbesondere für Investoren aus China.
Für die politische wie für die wirtschaftliche Zukunft Afrikas wird ganz entscheidend sein, dass der eben angesprochene positive Reformkurs fortgesetzt wird. Das gilt ganz sicher politisch und auch beim Ausbau der Bildung, bei dem wir viel helfen müssen. Es gilt aber auch wirtschaftlich; auch dort brauchen wir eine Fortsetzung der Reformen. Denn Sie alle wissen oder ahnen: Nur wenn es gelingt, dass ausländisches Kapital und ausländisches Know-how nach Afrika kommen, werden wir Armut auf diesem Kontinent wirksam und nachhaltig bekämpfen können.
Nur wenn das gelingt, dann wird die Jugend dieses Kontinents und damit die Hälfte der Einwohner Afrikas eine Zukunft in ihrem eigenen Land sehen. Nur dann können politische und wirtschaftliche Institutionen aufgebaut und erhalten werden, solche Institutionen, die in der Lage sind, Herausforderungen wie Aids, regionale und innerstaatliche Konflikte, Urbanisierung und Migration wirksam anzugehen und hoffentlich auch zu meistern. Meine Damen und Herren, wir in Deutschland bzw. in Europa insgesamt wollen Afrika auf seinem Weg in die Zukunft partnerschaftlich begleiten. Das sollte die Botschaft sein, die von der heutigen Debatte ausgeht.
Deutschland und die Europäische Union haben mit ihrem Engagement zur Absicherung der Wahlen im Kongo gezeigt, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Partnerschaft, von der ich eben gesprochen habe, mit Leben zu füllen. Ich habe, als wir schon einmal über den Kongo diskutierten, gesagt: Eine nachhaltige Stabilisierung gerade der Region der Großen Seen wäre ein Meilenstein für die Entwicklung Afrikas insgesamt.
Natürlich müssen wir auch Gefahren und Krisenherde außerhalb dieser Region weiter im Fokus behalten. Es geht nicht nur um den Kongo. Wir unterstützen auch die Forderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, die Möglichkeiten der Afrikanischen Union im Sudan schlagkräftiger zu machen und sie mittelfristig mit den Anstrengungen der Vereinten Nationen zu verknüpfen. Die Europäische Union wird weitere Mittel freigeben bzw. freigeben müssen, damit die Finanzierung der AU-Kräfte sichergestellt werden kann. Am kommenden Montag werden wir im EU-Außenministerrat darüber beraten.
Natürlich werden wir die sudanesische Regierung anhalten müssen, sich viel stärker als bisher zu einer politischen Öffnung bereit zu erklären. Ich freue mich, dass mein ehemaliger schwedischer Kollege Jan Eliasson in dieser Region unterwegs ist und versucht, neue und jetzt endlich belastbare Absprachen und Vereinbarungen zwischen den unterschiedlichen Rebellengruppen und der Regierung zu treffen. Ich denke, wir sollten ihm bei seinem Bemühen auch von hier aus großen Erfolg wünschen.
Was ich über den Sudan gesagt habe, könnte ich in abgeschwächter Form auch über Somalia sagen. Wir haben uns in diesem Jahr erneut mit der Situation in diesem Land beschäftigen müssen. Hierzu sage ich: Militärische Präsenz allein wird die Probleme nicht lösen. Sie ist kein Ersatz für eine politische Lösung, die wir in diesem Land dringend brauchen.
Auch auf europäischer Ebene habe ich die Auffassung vertreten: Wenn wir, wie gerade geschehen, 15 Millionen Euro für die Bemühungen der Afrikanischen Union freigeben, dort einigermaßen stabile Verhältnisse sicherzustellen, dann muss das unter der Vorraussetzung geschehen, dass die somalische Übergangsregierung bereit ist, den politischen Prozess bzw. den innerstaatlichen Versöhnungsprozess wirklich nachhaltig einzuleiten.
Gott sei Dank kann Deutschland in diesem Jahr aufgrund seiner EU- und G-8-Präsidentschaft ganz besondere Akzente setzen; Frau Wieczorek-Zeul wird dazu gleich aus der Perspektive der Bundesregierung berichten. In der Europäischen Union tun wir das, indem wir versuchen, in diesem Jahr endlich die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die in der Vergangenheit einem EU-Afrika-Gipfel im Wege gestanden haben.
Im Hinblick auf die internationalen Aktivitäten, die Sie alle beobachten, müssen Sie sich einmal vorstellen: Seit nunmehr sieben Jahren gab es zwischen der Europäischen Union und den afrikanischen Staaten keine Zusammenkunft auf Gipfelhöhe, also auf der Ebene der Regierungschefs. Die Gründe dafür sind bekannt. Wir versuchen nun intensiv, und zwar gemeinsam mit der nachfolgenden portugiesischen Ratspräsidentschaft, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wir wollen, dass in der zweiten Jahreshälfte, ungefähr im September, endlich ein solcher Gipfel möglich wird.
Schließlich komme ich auf die G-8-Präsidentschaft Deutschlands zu sprechen. Ganz bewusst haben wir sie unter das Motto „Wachstum und Verantwortung“ gestellt. Wir werden mit besonderer Beachtung der afrikanischen Staaten ‑ der afrikanischen Staaten, die als Leistungsträger gelten ‑ die dortigen Reformprozesse unterstützen. Wir wollen die Kapazitäten der Afrikanischen Union und der Regionalinstitutionen im Bereich Frieden und Sicherheit weiter ausbauen. Ziel ist aus außen- und sicherheitspolitischer Sicht, dass es uns langfristig gelingt, in Afrika eine umfassende eigene Sicherheitsstruktur zu schaffen.
Die Zeiten, in denen afrikanische Staaten als Bittsteller behandelt wurden, gehören ‑ ich möchte sagen: Gott sei Dank! ‑ der Vergangenheit an. Afrika, in all seiner Vielfalt und Dynamik, ist längst wichtiger Partner geworden. Ich bin überzeugt: In einer Welt, die immer stärker zusammenwächst, die sich zum globalen Dorf entwickelt, brauchen wir ein starkes, ein handlungsfähiges Afrika, ein Afrika, das gleichberechtigt und auf Augenhöhe wahrgenommen wird.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.