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Rede von Staatsminister Gloser vor dem Europäischen Parlament zur Aussetzung der Anwendung der Todesstrafe
-- Es gilt das gesprochene Wort! --
Ich bedanke mich für die Gelegenheit, heute über einen der elementarsten Bestandteile der EU-Menschenrechtspolitik sprechen zu können. Die Aktualität dieses Themas zeigt sich auch in mehreren Entschließungsanträgen, die verschiedene Fraktionen des Europäischen Parlaments eingebracht haben.
Auf Grundlage der 1998 vom Ministerrat der EU angenommenen „Leitlinien für eine Unionspolitik gegenüber Drittstaaten betreffend die Todesstrafe“ engagiert sich die EU weltweit für die Abschaffung der Todesstrafe unter allen Umständen. Auch die Festlegung von Moratoria ist seit Jahren fester Bestandteil des Kampfes gegen die Todesstrafe – allerdings nicht als Hauptziel, sondern als Zwischenschritt zu einer endgültigen Abschaffung.
Auch unter deutscher Ratspräsidentschaft wird die EU ihre Politik zum Schutz der Menschenrechte fortführen und in diesem Sinne weiter entschieden sowohl für Moratoria als auch für die endgültige Abschaffung der Todesstrafe eintreten.
Dies bedeutet zum einen, die Grundsatzdebatte weiterhin entschieden zu führen, in bilateralen Kontakten ebenso wie in multilateralen Foren, insbesondere in den Vereinten Nationen. Dazu gehört weiterhin auch, aktiv auf die Länder zugehen, die sich an einem Wendepunkt befinden, d.h. in denen sich entweder eine positive oder negative Entwicklung mit Blick auf die Todesstrafe abzeichnet und entsprechend auf diese einzuwirken. Und es bedeutet sehr konkret, in zahlreichen dringenden Einzelfällen zu demarchieren.
Ich weiß, dass auch das Europäische Parlament sich stets für diese Politik eingesetzt hat und bin froh sagen zu können, dass wir gemeinsam schon viel erreicht haben: Wenn heute in rund zwei Dritteln aller Staaten der Erde die Todesstrafe gesetzlich oder faktisch abgeschafft ist, so ist das auch das Ergebnis der konsequenten Bemühungen aller aktiven Kämpfer gegen die Todesstrafe.
Aber es gibt immer noch viel zu viele Staaten (66 an der Zahl!), die weiterhin die Todesstrafe vollstrecken und leider auch einige rückläufige Tendenzen bei der Einhaltung von Moratoria.
Wichtig ist daher, in unseren Bemühungen nicht nachzulassen und gezielt – insbesondere auch in internationalen Foren – für die Abschaffung der Todesstrafe zu werben. In diesem Sinne hat die EU seit 1999 jährliche eine Resolution in die 2005 aufgelöste Menschenrechtskommission eingebracht. Über die Jahre konnte eine stabile Mehrheit zu Gunsten dieser Resolution gesichert werden
Nach Auflösung dieses Gremiums müssen wir nach neuen Wegen suchen, die Debatte über die Abschaffung der Todesstrafe voranzubringen. Hierbei gibt es allerdings keine leichten Antworten. Wir müssen unser Handeln vielmehr sehr gut überlegen, denn es gilt in erster Linie, einen Rückschritt gegenüber dem bereits Erreichten zu vermeiden. Zu dieser Linie gibt es bislang in der EU ein klares Einvernehmen.
Wegen des unverändert hohen Risikos des Scheiterns, hat die EU daher bisher davon abgesehen, eine Resolution in die Generalversammlung der Vereinten Nationen einzubringen. Statt dessen wurde am 19.12.07 auf Initiative der EU erstmalig eine einseitige Erklärung gegen die Todesstrafe in der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorgetragen, die von 85 Staaten aller geografischen Gruppierungen unterstützt wurde. Dieses Ergebnis ist zwar einerseits ermutigend, bestätigt aber auch, dass die Erfolgschancen einer EU-Resolution in der GV der VN noch nicht als gesichert angesehen werden können.
Wie geht es nun weiter?
Für alle EU-Partner ist klar, dass wir unser Anliegen, den Kampf gegen die Todesstrafe, weiter aktiv voranbringen wollen, auch auf Ebene der Vereinten Nationen. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass das Umfeld weiterhin sehr schwierig ist und dass deshalb ein Erfolg beim Kampf gegen die Todesstrafe nur durch ein gut durchdachtes und stufenweises Handeln der EU erreicht werden kann. Maxime sollte weiterhin sein, den Misserfolg einer neuen EU-Initiative so weit wie möglich auszuschließen. Denn ein Misserfolg der EU wäre ein Erfolg der Befürworter der Todesstrafe und somit ein Rückschritt im Kampf gegen diese unmenschliche Strafe. Dies wollen und dürfen wir nicht zulassen!
Auch einige Hauptakteure unter den nichtsstaatlichen Organisationen (u.a. Amnesty International) raten daher von übereilten Schritten ab und geben zu bedenken, dass es sich für die EU als kontraproduktiv erweisen könnte, in der VN-Generalversammlung erneut auf eine Debatte über dieses Thema zu drängen.
Beim Allgemeinen Rat am 22. Januar bestand daher Einvernehmen, zunächst einen gut durchdachten Ansatz zu entwickeln, der uns schrittweise eine stärkere Thematisierung unseres Anliegens in den Vereinten Nationen ermöglicht. Entsprechend wurden die Botschafter in New York und Genf beauftragt, umgehend alle Möglichkeiten für ein Voranbringen der Diskussion auf Ebene der Vereinten Nationen zu prüfen. Daneben gilt es, auch aktuelle Entwicklungen der relevanten nichtstaatlichen Organisationen zu weiteren Schritten bei der Bekämpfung der Todesstrafe auf Ebene der Vereinten Nationen in Erfahrung zu bringen. Auf dieser Grundlage wird der deutsche EU-Ratsvorsitz dann im Februar den EU-Partnern Vorschläge für das weitere Vorgehen unterbreiten.