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Rede von Europa-Staatsminister Michael Roth bei der Verleihung des Tolerantia Awards 2017 an Bundesjustizminister Heiko Maas
-- es gilt das gesprochene Wort --
Lieber Heiko,
sehr geehrte Damen und Herren,
herzlich Willkommen zur Verleihung des Tolerantia Awards 2017. Wenn es diesen Preis nicht bereits seit 2006 gäbe, man müsste ihn erfinden. Denn Toleranz ist ein kostbares Gut. Aber Toleranz ist nicht genug. Wir wollen uns nicht nur in unserer Verschiedenheit erdulden und aushalten. Wir brauchen vor allem ein Klima des gegenseitiges Respekts und der Akzeptanz. In Berlin, Deutschland, Europa - ja weltweit. Unser Kampf ist ein internationaler! Er ist schwierig, für manche Mitstreiterinnen und Mitstreiter sogar lebensgefährlich.
Fast überall, wo ich hinreise, treffe ich mich mit Vertreterinnen und Vertretern von Minderheiten – seien es geflüchtete Menschen, Mitglieder der jüdischen Gemeinde, Sinti und Roma oder LGBTI.
Und gerade aus der Mitte der LGBTI-Community wird mir immer wieder geschildert: Gewalt und Diskriminierung gegen LGBTI-Personen sind weiterhin bittere Realität. Immer noch erreichen uns aus viel zu vielen Ländern Berichte über Menschen, die allein wegen ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Gender-Identität ausgegrenzt oder verfolgt werden. Viele erleben Ablehnung und Hass in ihrem direkten Umfeld, in der Schule, am Arbeitsplatz, sehr oft auch in der Familie.
Eigentlich hat der Staat die Pflicht, sich schützend vor sexuelle Minderheiten zu stellen und die Achtung der Menschenrechte zu garantieren. Leider sieht die Wirklichkeit oft anders aus.
Doch in vielen Ländern sind es gerade staatliche Akteure, von denen Angriffe auf LGBTI ausgehen. Homosexualität ist immer noch in etwa 80 Staaten strafbar. In einigen Staaten droht die Todesstrafe. Wir erleben durchaus Fortschritte, aber eben auch dramatische Rückschritte. Das ist skandalös und traurig!
Besonders im Fadenkreuz der Verfolgung sind LGBTI-Aktivistinnen und Aktivisten, die sich mutig dafür einsetzen, dass endlich weltweit für alle Menschen gleichermaßen das große Versprechen des ersten Artikels der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erfüllt wird: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“
Deshalb ist eines besonders wichtig: Wir dürfen die Zivilgesellschaft nicht im Stich lassen und müssen ihr den Rücken stärken. Der Schutz von LGBTI-Rechten ist einer der wichtigsten Schwerpunkte unserer Menschenrechtspolitik.
Weltweit fördern wir Projekte, in Nigeria, der Elfenbeinküste, Indonesien, Ukraine, Russland, Tunesien und Montenegro.
Mit öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen bekennen wir Farbe für Vielfalt, Respekt und Toleranz. Auch hinter verschlossenen Türen sprechen wir das Thema regelmäßig an. Wir appellieren an Regierende in aller Welt, die Menschenrechte von LGBTI-Personen zu achten und zu schützen.
Dabei können wir durchaus Erfolge verbuchen. In immer mehr Ländern gibt es einen Trend zur Gleichstellung. In über 20 Staaten konnte mittlerweile die Ehe für alle durchgesetzt werden, in weiteren 20 Staaten immerhin die eingetragene Partnerschaft. Im vergangenen Jahr gelang es erstmals, bei einer Abstimmung in den Vereinten Nationen eine Mehrheit der Staaten für LGBTI-Rechte zu gewinnen.
Und in immer mehr Gesellschaften dreht sich die öffentliche Meinung im Sinne der Gleichstellung. Bisweilen ist die Gesellschaft der Politik sogar ein paar Schritte voraus. In Deutschland befürwortete in Umfragen eine Mehrheit die gleichgeschlechtliche Ehe, lange bevor es dafür politische Mehrheiten gab.
Insbesondere in Lateinamerika und Südosteuropa erleben wir eine Entwicklung, die Mut macht. Die Regierungen der Region bekennen sich endlich zu ihrer Verantwortung, Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Pride Parades vor Gewalttätern zu schützen. Manche Regierungsvertreter gehen noch einen Schritt weiter und reihen sich ein in den Zug der Menschen, die für Gleichstellung demonstrieren. In mehreren Staaten der Region wurde die Antidiskriminierungs-Gesetzgebung verbessert.
Vergangene Woche haben wir wir im Auswärtigen Amt eine Konferenz mit LGBTI-Aktivistinnen und Aktivisten vom Westlichen Balkan organisiert. Dabei berichtete ein Aktivist aus Mazedonien, wie seine Organisation in den vergangenen Jahren sechs Mal Opfer von Übergriffen wurde. Auch er selbst wurde angegriffen, und hatte anschließend den Eindruck, dass staatliche Behörden kein Interesse an einer Aufklärung der Vorfälle hatten. Seit dem Regierungswechsel hat sich dort die Lage deutlich verbessert. Als die Organisation kürzlich ihren Geburtstag feierte, erhielt sie spontan Besuch von einem hochrangigen Gratulanten: dem neuen Regierungschef. Solche Erfolge sind wichtige Etappen auf dem Weg zur Gleichstellung. Jeder dieser Erfolge wurde mühsam erstritten, von einer aktiven, mutigen Zivilgesellschaft.
Vor uns liegt noch ein langer Weg. Um das zu erkennen, müssen wir nicht in die Ferne blicken: Auch in Europa, auch in Deutschland erleben LGBTI in ihrem Alltag immer noch Diskriminierung, manchmal auch Gewalt. Selbst in einer so liberalen und weltoffenen Metropole wie Berlin werden schwule Paare auf der Straße körperlich angegriffen oder übelst beschimpft. Umso wichtiger ist die Arbeit von MANEO in Berlin, die Opfern von schwulenfeindlicher Gewalt und Diskriminierung helfen. Danke für Ihren großartigen Einsatz!
Wenn wir uns weltweit für LGBTI-Rechte stark machen, wenn wir Aktivistinnen und Aktivisten in unsere Botschaften oder nach Berlin einladen, um ihnen den Rücken zu stärken, wenn wir gegenüber Regierungen dafür werben, die Menschenrechte Aller gleichermaßen zu schützen, dann brauchen wir vor allem eines: Glaubwürdigkeit!
Lieber Heiko, Du verkörperst diese Glaubwürdigkeit! Konsequent hast Du Dich in Deiner langen politischen Karriere für eine umfassende Menschenrechtspolitik eingesetzt. Ich will hier nur beispielhaft erinnern an Dein Engagement gegen Hate Speech im Internet.
Ein wichtiges Thema, denn von LGBTI aus aller Welt höre ich oft, wie Hate Speech das gesellschaftliche Klima vergiftet und so zu Diskriminierung und Gewalt beiträgt.
Der Schriftsteller Umberto Ecco hat einmal gesagt: „Um tolerant zu sein, muss man die Grenzen dessen, was nicht tolerierbar ist, festlegen.“ Diese Worte hast Du Dir, lieber Heiko, bei der Bekämpfung von Hate Speech zum Leitsatz gemacht. Und deswegen ist der „Tolerantia Award 2017“ bei Dir auch in den allerbesten Händen. Wir kennen uns schon seit gemeinsamen Juso-Zeiten. Ich weiß, dass Dir Dein Engagement für eine bunte, weltoffene Republik, in der wir ohne Angst verschieden sein können, ein Herzensanliegen ist.
u hast einen entscheidenden Beitrag zur Aufarbeitung des Unrechts geleistet, das Homosexuelle in der Bundesrepublik erfahren haben, insbesondere durch den § 175. Diese Gerechtigkeit kam für die damals Betroffenen sehr spät, für viele definitiv zu spät. Wenn wir offen vergangene Fehler eingestehen und uns zu historischer Schuld bekennen, stärkt das unsere Glaubwürdigkeit im weltweiten Einsatz für Respekt, Toleranz und ein friedliches Miteinander der Kulturen, Ethnien, Religionen und Minderheiten.
Du hast Dich im Einsatz für die Universalität der Menschenrechte verdient gemacht. Dafür danke ich Dir von Herzen!
Zum Weiterlesen:
Schutz von Homo- Bi-, Trans- und Intersexuellen („LGBTI-Rechte“)