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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock zum Start der CEDAW-Initiative zu Frauenrechten in Afghanistan

26.09.2024 - Rede

Übersetzung der Rede aus dem Englischen

Ihr dürft nicht zur Schule gehen.

Ihr dürft keinen Sport treiben.

Ihr dürft nicht reisen.

Ihr dürft nicht arbeiten.

Nicht den Bus nehmen.

Nicht mit einem Mann oder Jungen sprechen.

Nicht alleine zum Arzt gehen.

Das klingt nach Gefängnis.

Aber für Frauen und Mädchen in Afghanistan ist das seit 2021 die Realität.

In Afghanistan sind die Taliban gerade dabei, Frauen und Mädchen den letzten Rest an Freiheit zu nehmen.

Zuletzt haben sie Frauen sogar verboten, in der Öffentlichkeit zu sprechen.

Auf Deutsch gibt es dafür einen Ausdruck: mundtot machen.

Also jemanden töten, indem man seine Stimme tötet.

Genau dies geschieht gerade.

Und viele der grausamen Bestimmungen in den sogenannten „Tugend- und Lastergesetzen“ sind zudem vage und unklar.

Das bedeutet, dass Frauen in Afghanistan jederzeit der unberechenbaren und willkürlichen Auslegung des Rechts durch die Sittenpolizei unterworfen sind.

Und wie Rosa Otunbajewa, Leiterin der Hilfsmission der VN in Afghanistan (UNAMA), dem Sicherheitsrat letzte Woche sagte, trennt das drakonische Vorgehen der Taliban nicht nur Frauen von Männern.

Es trennt sie auch von anderen Frauen, weil sie sich nicht mehr trauen, irgendetwas zu machen.

Es ist deswegen nicht überraschend, dass 90 Prozent der Frauen in Afghanistan sagen, dass sich ihre psychische Gesundheit verschlechtert.

Und dass 8 Prozent sagen, dass sie eine Frau kennen, die versucht hat, sich das Leben zu nehmen.

Es ist nicht weniger als der beispiellose Versuch, 50 Prozent der afghanischen Bevölkerung aus dem öffentlichen Leben zu verbannen.

Wir alle wissen, dass dies, dieses De-facto-Einsperren der halben Bevölkerung, einfach inakzeptabel ist. Und ich würde sagen – und das haben wir auch mit unseren Kolleginnen und Kollegen diskutiert: Wenn wir erleben würden, dass solche Maßnahmen nicht aufgrund des Geschlechts, sondern aufgrund der ethnischen Herkunft oder Religion ergriffen werden, würden wir sie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen.

Wir sind heute hier, weil wir nicht einfach zuschauen können, wie dies geschieht.

Wir sind heute hier, weil das Regime für diese Verbrechen gegen die weibliche Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen werden muss.

Daher starten wir diese Initiative und schlagen einen neuen Weg ein.

Um den Frauen und Mädchen in Afghanistan die klare Botschaft zu übermitteln, dass wir sie sehen.

Aber auch, um die klare Botschaft zu übermitteln, dass wir das Regime für diese Verbrechen gegen die weibliche Menschlichkeit zur Rechenschaft ziehen.

Die afghanische De-facto-Regierung, die Taliban, ist nach dem Völkerrecht verantwortlich für die Verletzung zahlreicher Verpflichtungen nach dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), das Afghanistan 2003 ratifiziert hat.

Daher haben wir gemeinsam mit Australien, Kanada und den Niederlanden gegenüber den De-facto-Behörden deutlich gemacht, dass wir von ihnen erwarten, Afghanistans Verpflichtungen nach CEDAW einzuhalten.

Wie in den Bestimmungen von CEDAW vorgeschrieben, machen wir einen ernsthaften Versuch, die De-facto-Behörden dazu zu bringen, ihren internationalen Menschenrechts­verpflichtungen nachzukommen, insbesondere denjenigen, die Frauen und Mädchen betreffen.

Wir glauben an die Macht des Rechts.

Ich möchte von Anfang an für alle ganz klar sagen: Indem wir dies tun, erkennen wir nicht die Taliban politisch als rechtmäßige Regierung von Afghanistan an. Allerdings betonen wir, dass die De-facto-Behörden verantwortlich dafür sind, Afghanistans Verpflichtungen nach dem Völkerrecht zu achten und ihnen nachzukommen.

Denn Frauenrechte sind Menschenrechte und Menschenrechte sind Frauenrechte.

Und jetzt, da wir diesen Weg einschlagen, wissen wir und unsere Teams natürlich, dass zu diesem Weg verschiedene Schritte gehören. Wir müssen uns auf politischer Ebene einsetzen. Dies haben wir jetzt seit mehr als zwei Jahren versucht.

Und die vier Länder, die diese Initiative ins Leben gerufen haben – eine Initiative, die von so vielen anderen Ländern hier unterstützt wird –, machen auch in der Erklärung deutlich, dass weitere Schritte folgen könnten.

Wir wissen – und wir sind auch dankbar für diese Debatte –, dass nicht jedes Land, das hier am Tisch sitzt, dafür ist, jeden einzelnen Schritt zu gehen, der folgen wird und letzten Endes zu internationalen Gerichten führt..

Aber was diese Gruppe eint, ist das Verständnis, dass CEDAW nicht nur auf dem Papier existiert. Es ist ein Übereinkommen, das Länder zur Rechenschaft zieht. Ich möchte daher allen Ländern danken, die diese Initiative unterstützen.

Ich denke, genau das ist der Geist der VN-Generalversammlung.

Es mag kleine Differenzen zwischen unseren Ländern geben, aber wenn wir Seite an Seite stehen, um den Kern dessen zu schützen, was uns wichtig ist, können wir dafür sorgen, dass Menschenrechte und Frauenrechte mehr sind als nur Paragraphen.

Vielen Dank daher für die Zusammenarbeit!

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