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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock bei der Moldau-Partnerschaftsplattform

17.09.2024 - Rede

Übersetzung aus dem Englischen

Lassen Sie mich mit einem einzigen Wort beginnen: unglaublich.

Denn was Sie über die letzten zweieinhalb Jahre hinweg erreicht haben, ist schlichtweg das: unglaublich.

Ich erinnere mich, dass ich bei meinem ersten Besuch in Moldau im März 2022, zwei Wochen nach Russlands Invasion der Ukraine, die Freiwilligen an der Grenze sah, die Lebensmittel verteilten und Tee ausschenkten, an die vielen Menschen, die aus der Ukraine dort ankamen.

Ich fragte einen von ihnen: „Wo arbeiten Sie normalerweise?“

Er sagte: „Eigentlich arbeite ich im Innenministerium.“

Die gesamte Regierung war dort vor Ort.

Moldau, dieses kleine Land mit dem großen Herzen, hat mehr als 1,5 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine bei sich aufgenommen.

Sie, Frau Präsidentin, liebe Maia Sandu, und die gesamte Bevölkerung Moldaus haben Ihren ukrainischen Nachbarinnen und Nachbarn Ihre Häuser, Ihre Schulen und Ihre Herzen geöffnet.

Und als wir angeboten haben, dabei zu helfen, dass diese Menschen aus der Ukraine an andere Orte in Europa weiterreisen könnten, stellten Sie klar, dass diese Menschen, Ihre Nachbarinnen und Nachbarn, auch in Moldau bleiben können, wenn sie das wollten.

In der Nähe ihrer Heimat, ihrer Sprache und ihrer Kultur.

Bis heute leben mehr als 150.000 Ukrainerinnen und Ukrainer hier im Land – das sind 5 Prozent der Bevölkerung Moldaus.

Wir, die größeren Länder Europas, werden das nie vergessen.

Als Putin 2022 seine Invasion begann, richtete sich sein Angriff nicht gegen die Ukraine allein – er nahm auch Moldau ins Visier. Er zielte auf uns Europäer.

Moldau bezog damals 100 Prozent seiner Gasimporte aus Russland.

Wegen Putins Krieg lag die Inflationsrate zeitweise bei fast 30 Prozent.

Ich erinnere mich, liebe Frau Präsidentin Sandu, dass in Ihrem Büro die Hälfte der Lampen ausgeschaltet blieben. Denn Sie sagten: „Wenn die Bevölkerung leidet, muss auch die Regierung Opfer bringen.“

Sie, Frau Präsidentin Sandu, beschrieben diese Zeit als Feuerprobe für Ihr Land.

Und Moldau hat diese Probe bestanden. Dank Ihrer Führungsstärke.

Und weil die Menschen in Moldau zusammengehalten haben.

Seitdem ist Ihre Haltung, Ihre Antwort von einem Grundsatz geleitet: Nicht klagen, sondern handeln.

Das hat mich, und ich denke, das gilt hier und heute für viele von uns, zutiefst beeindruckt.

Sie haben uns gezeigt, was möglich ist, wenn wir zusammenhalten.

Dass wir gemeinsam Unglaubliches erreichen können. Selbst in den schlimmsten Krisenzeiten.

Von Tag Eins seit Beginn des russischen Angriffskriegs haben wir diplomatische Unterstützung organisiert, damit Moldau nicht kollabiert.

40 Tage nach der russischen Invasion, wenige Wochen nach meinem ersten Besuch hier, haben wir in Berlin gemeinsam mit unseren Freundinnen und Freunden aus Frankreich und Rumänien die Unterstützungsplattform für die Republik Moldau gegründet.

Und ich möchte Minister Stéphane Séjourné und Ministerin Luminița Odobescu für die Zusammenarbeit mit Blick auf diese Plattform danken.

Uns war bewusst, dass Moldau mit an vorderster Front steht, wenn es darum geht, unsere Freiheit und unsere europäische Demokratie zu verteidigen.

Und wie sieht die Lage heute aus?

Mittlerweile ist die Inflationsrate auf fünf Prozent gesunken.

Moldau bezieht keinen Kubikmeter Gas mehr aus Russland.

Die Regierung setzt dringend benötigte Reformen um, indem sie etwa das Justizwesen modernisiert und die Korruption bekämpft.

Deswegen haben wir die Plattform angepasst.

Statt der Krisenreaktion der ersten Monate stehen nun Widerstandsfähigkeit und langfristige strategische Partnerschaft im Fokus.

Es geht nicht mehr nur um Unterstützung, sondern um Partnerschaft.

Um europäische Partnerschaft.

Um Partnerschaft mit einem Land, dessen Zukunft in der Europäischen Union liegt.

Seit dem 14. Dezember 2023 laufen die Verhandlungen über den Beitritt Moldaus zur EU. Das ist ein historischer Schritt. Ein unglaublicher Schritt.

Und genau das Gegenteil von dem, was Putin wollte.

Moldau hat die Feuerprobe bestanden. Und Moldau ist Beitrittskandidat der Europäischen Union.

Sie, Frau Präsidentin, haben zusammen mit der gesamten Bevölkerung bewiesen, dass Moldau in diesen Krisenzeiten eines der stärksten Länder ist.

Und Sie persönlich haben sich hierbei als eine der führungsstärksten Politikerinnen erwiesen. Als eine unglaublich starke Frau an der Spitze.

Wir alle wissen ja, was Russlands hybride Kriegsführung bedeutet.

Als Frauen wissen wir, dass Fake News und Lügen oft besonders perfide gegen Frauen gerichtet sind. Sie haben gerade als Frau besonderen Widerstand dagegen geleistet, und hierfür zollen wir Ihnen höchsten Respekt.

Nach Angaben des Informations- und Sicherheitsdienstes von Moldau hat Russland allein im Jahr 2023 mehr als 55 Millionen Dollar auf illegalen Wegen in Wahlbeeinflussung und Stimmenkauf in Moldau investiert.

Deshalb müssen wir unsere Anstrengungen aufrechterhalten.

Für mich sind in diesem Zusammenhang drei Punkte besonders wichtig:

Erstens müssen wir diese Plattform zu einer langfristigen Partnerschaftsplattform weiterentwickeln.

Deshalb haben wir die Zahl der Arbeitsgruppen der Plattform verringert und gesagt: Wir wollen unsere Bemühungen dort bündeln, wo dies am meisten Wirkung erzielt – zum Beispiel in der Energiesicherheit, der Korruptionsbekämpfung und der Stärkung der Wirtschaftskraft.

Zweitens werden wir weiterhin Moldaus Reformprozess auf dem Weg in die Europäische Union unterstützen.

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass wir uns in Europa keine „Grauzonen“ leisten können.

Deshalb bilden wir Beamtinnen und Beamte aus Moldau in Europarecht fort.

Wir beraten den Landwirtschaftssektor in Chişinău genauso wie in Bălți und Bender dabei, sich an die neuen Standards anzupassen – auch mit Blick auf die Klimakrise.

Und wir arbeiten mit IT-Fachleuten und Beamten zusammen, um die IT-Infrastruktur Moldaus gegen Hackerangriffe zu sichern.

Gemeinsam mit unseren Partnern aus Frankreich und Polen haben wir in im Weimarer Dreieck die Unterstützung Moldaus zu einem Schwerpunkt für die neue europäische Legislaturperiode erklärt.

Mein dritter Punkt ist folgender: Wir werden uns der russischen Aggression weiterhin entgegenstellen.

Indem wir die Ukraine mit Waffen, humanitärer Hilfe und mit diplomatischen Mitteln weiter unterstützen.

Für unsere ukrainischen Freunde und ihre Freiheit.

Für die Freiheit Moldaus und unsere europäische Freiheit.

Sie haben unmissverständlich klar gemacht, dass die russische Aggression gegenüber der Ukraine die stärkste Bedrohung für die Wirtschaft Moldaus darstellt.

Natürlich wird dieser Krieg irgendwann auf dem Verhandlungswege beendet werden müssen. Alles, was wir tun, zielt darauf ab, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass die Ukraine wieder in Frieden leben kann.

Aber bis jetzt hat Russland jedes neue Angebot von Schritten zum Frieden nur mit noch mehr Bomben und stärkeren Angriffen beantwortet.

Die Ukraine braucht Frieden. Sie braucht einen gerechten und dauerhaften Frieden. Keinen Diktatfrieden von Russlands Gnaden. Denn wenn ein solcher Frieden nur dazu dient, Russland eine Atempause zu verschaffen, dann würde Putin nur den nächsten Angriff vorbereiten, und das nächste Opfer könnten wir – oder Sie – sein.

Frau Präsidentin Sandu, Herr Ministerpräsident, dies sind entscheidende Monate für Ihr Land.

Deshalb sind wir heute hier.

Aber wie schon 2022 ist Moldau auch heute nicht allein.

Einigkeit ist, was uns heute hier verbindet, und dies wird auch in Zukunft so bleiben.

Wir stehen an Ihrer Seite.

Damit die Bevölkerung Moldaus selbst ihren Weg bestimmen kann.

Den Weg in ihre eigene, unglaubliche Zukunft.

Eine europäische Zukunft in Frieden, Wohlstand und Demokratie.

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