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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock in der Haushaltsdebatte des Bundestags zum Etat des Auswärtigen Amts
Wenn ich mir die Debatten in unserem Land in den letzten Wochen so anhörte, musste ich manchmal an den Titel eines Buches von Joachim Meyerhoff denken: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“.
Damals kostete Sicherheit vermeintlich nichts, Kriege waren vermeintlich weit weg, und für das Klima interessierten sich nur die Grünen - das war diese vermeintlich heile Vergangenheit.
Ich kann diese Sehnsucht nach der vermeintlich heilen Welt von früher, ehrlich gesagt, insbesondere an Tagen, wo man glaubt, die ganze Welt sei aus den Fugen geraten, total verstehen. Sie ist zutiefst menschlich.
Aber wir leben eben nicht in einer Wünsch-dir-was-Welt, wo man rote Rosen verteilt, sondern in einer Realität, die wir uns im Zweifel nicht ausgesucht haben. Das ist unsere politische Verantwortung heute.
Aber zur Wahrheit gehört ebenso: Diese vermeintlich sichere, bessere Vergangenheit hat es nie gegeben. Unsere Sicherheit in Deutschland, erst recht in Europa, war nie selbstverständlich. Das vermeintlich billige Gas aus Russland hat uns unsere Energiesouveränität, unsere Energiesicherheit gekostet.
Unser Leben in einem freien und friedlichen Europa, das viele meiner Generation immer als selbstverständlich angesehen haben, wurde von mutigen Menschen aufgebaut, gerade im Osten unseres Landes und vor allen Dingen im Osten unseres Kontinents. Es ist jetzt an uns, an unserer Generation, unseren Frieden und unsere Freiheit zu erhalten, zu bewahren, was uns schützt, durch die Veränderung, die es braucht in dieser Welt, in der wir nun einmal leben.
Und das können wir nur gemeinsam, egal ob wir über unsere nationale Sicherheit reden, über den Schutz unserer europäischen Friedensordnung und Freiheit in der Europäischen Union oder auch über die Migration. Alleine - und es ist ja das Wunder der Vergangenheit, dass gerade wir Deutschen nicht mehr alleine sind - werden wir es nicht schaffen.
Daher haben wir uns nach zehn Jahren Verhandlungen gemeinsam in der EU endlich auf diesen so schwierigen, aber so nötigen Kompromiss des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geeinigt. Wir schaffen es nämlich nur gemeinsam. Das sollten wir - die Debatte haben wir heute Morgen geführt - nicht vergessen. Das sage ich auch an unsere osteuropäischen Nachbarn und Partner.
Wir gehen weiter gemeinsam europäisch voran und bewahren, was uns schützt, nämlich unsere europäische Freiheit, die gebaut ist auf Schengen und unserer Freizügigkeit.
Zugleich tun wir alles, was es braucht, um unsere Außengrenzen zu sichern. Die Last, die wir in diesen Zeiten, in denen wir als Demokratien von außen und von innen angegriffen werden, natürlich tragen, gemeinsam zu schultern. In Humanität und mit geordneten Verfahren; denn dieser Zweiklang hat uns immer geleitet: als Rechtsstaaten für Ordnung zu sorgen und zu wissen, dass wir auf einem Fundament der EU als Werteunion stehen.
Dass Sie von der AfD diese Werteunion nicht kennen, das wissen wir leider alle. Sie wollen sie nämlich abschaffen. Genau das ist die Gefahr, der wir ausgesetzt sind.
Wir stehen genau dafür ein, weil der Schutz unserer Demokratie und unserer Rechtsstaatlichkeit, der Schutz unserer Werte der beste Sicherheitsschutz ist.
Das leitet uns auch in der Außenpolitik. Das leitet uns in einer Politik, wo wir hehre Reden halten können, wo wir schnelle Überschriften generieren können, wo aber tagtäglich Leid ist, wo wir jeden Tag entscheiden müssen, wie wir handeln. Und zwar nicht, wie wir es uns wünschen würden, sondern wie wir Veränderungen im Hier und Jetzt schaffen.
In der Realität. In der sich Frauen und Kinder in Dörfern in der Ostukraine frühmorgens in Evakuierungsbussen sammeln, um vor den heranrückenden russischen Truppen zu fliehen - darum geht es in dieser Welt.
In der Realität, in der Beobachtungsdrohnen über Bundeswehrstandorten gesichtet werden, mitten in Deutschland, was manche einfach nicht sehen wollen.
In der Realität sind Konflikte, Kriege und die Klimakrise eben keine fernen Dinge, wovor wir die Augen verschließen können. Sie haben einen Einfluss auf uns und auf unsere Sicherheit. Daher gilt es für uns, genau hinzuschauen, was in der Welt vor sich geht und erst recht vor unserer Haustür.
Die humanitäre Katastrophe in Sudan geht uns eben auch hier direkt etwas an, genauso wie die Instabilität in der Sahelzone. Es geht da um unsere Sicherheit.
Wir brauchen internationales Engagement, um den Wohlstand und die Sicherheit gerade bei uns zu schützen.
Dafür braucht es einen schlagfertigen Haushalt, einen Sicherheitshaushalt.
Leistet dieser Haushalt, den wir hier diskutieren, absolut alles, was wir dafür brauchen? Ehrlich gesagt: Nein. Für unsere Sicherheit bräuchten wir weit mehr, für die innere Sicherheit und die äußere Sicherheit.
Aber wir machen nun mal Politik in der Realität, in der wir uns nicht herbeiwünschen können, dass wir die Schuldenbremse modernisieren. Dafür braucht es in unserer parlamentarischen Demokratie, in unserer Realität eine Zweidrittelmehrheit. Die gibt es leider nicht.
Wir haben die Kraft, dass wir die Realität im Hier und Heute verändern können, beim Sondervermögen gefunden.
Da haben wir die Sicherheitslage gemeinsam erkannt. Daher möchte ich unterstreichen: Nicht nur ich als Außenministerin, sondern auch der Verteidigungsminister und die Innenministerin, wir alle stehen bereit, diesen Sicherheitshaushalt gemeinsam mit Ihnen als Union analog zum Sondervermögen auf den Weg zu bringen.
Solange das nicht möglich ist, kann ich mir in einem Rechtsstaat als Regierung diese Zweidrittelmehrheit zum Glück nicht selber schaffen. Deswegen haben wir in diesem Haushalt, auch in meinem Einzelplan, schmerzhafte, aber klare Prioritäten gesetzt,
in jedem Ressort, auch bei uns. Wir haben uns gefragt: Was ist unverzichtbar für die Sicherung unseres Friedens und unserer Freiheit?
Dazu gehört die weltweite humanitäre Hilfe genauso wie der Ertüchtigungstitel, mit dem wir die Ukraine unterstützen. Dazu gehört auch der bilaterale Einsatz für unsere europäische Nachbarschaft. Und dazu gehört auch, dass wir jeden Tag alles dafür tun, dass wir endlich wieder Frieden in Europa, in der Ukraine haben.
Aber leider haben wir keinen Zauberstab, mit dem wir Putin plötzlich verzaubern können, damit er an den Verhandlungstisch kommt. Der Bundeskanzler hat es klar und deutlich gesagt: Das Angebot von uns allen, über Frieden zu sprechen, ist seit zweieinhalb Jahren da. Selensky hat es erneuert. Die Antwort des russischen Präsidenten war ein Angriff auf ein Kinderkrankenhaus.
Gerade weil wir jeden Tag für die Ukraine, für den Frieden auf unserem Kontinent arbeiten, gilt auch: Wir werden die Ukraine weiter unterstützen - das bildet dieser Haushalt ab -, damit nicht nur sie in Frieden leben kann,
sondern damit der Frieden auf unserem Kontinent auch für die Generation unserer Kinder gesichert ist.