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„Das Prinzip Hoffnung wird uns nicht vor Putins Russland schützen“

04.08.2024 - Namensbeitrag

Gastbeitrag von Außenministerin Annalena Baerbock in der Bild zur Stationierung amerikanischer Raketen in Deutschland. Erschienen in der Bild vom 04.08.2024.

Dutzende Kinder kauern auf einer Straße in Kyjiw. Sie tragen Mützen, obwohl Sommer ist. Ihre Eltern balancieren Infusionsständer auf dem Asphalt. Ärzte eilen von einem Kind zum nächsten.

Die Kinder haben Krebs. Und Putin hat gerade ihr Krankenhaus bombardiert.

Die Bilder des russischen Angriffs auf das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus in Kyjiw haben sich mir eingebrannt. So wie viele Bilder der letzten 893 Tage seit dem 24. Februar 2022: die Belagerung von Mariupol, die Massaker von Butscha.

Im Juni fand in der Schweiz eine große internationale Friedenskonferenz statt. Fast 100 Länder berieten mit der Ukraine über Frieden. Und die Ukraine beschloss, Russland zur nächsten Konferenz im November einzuladen. Man kann sich nur vorstellen, was das für eine Überwindung war. Nach Mariupol, nach Butscha, nach dem Ochmatdyt.

Die Ukraine kämpft um ihren Frieden. Jeden Tag. Die Welt sehnt sich danach.

Aber kurz nach der Krankenhausbombardierung lehnte der Kreml die Einladung ab.

Mit der Absage an eine Friedenskonferenz entlarvt sich Putin selbst: vor der Weltöffentlichkeit (darunter viele Staaten, die Russland nahestehen) will er nicht zugeben, dass er will, dass die Ukraine sich ihm unterwirft. Dass er der Ukraine noch immer das Recht abspricht, eigenständig zu existieren.

Putin beantwortet jede Friedensinitiative, all unserer diplomatischen Arbeit für ein Ende der Kämpfe mit Eskalation, mit neuen Absagen an Diplomatie. Nicht erst seit 893 Tagen. Sondern seit Jahren. Während wir noch gehofft und in Minsk verhandelt haben, haben viele schon gewarnt.

Denn Russland hat diesen Krieg lange vorbereitet. Es hat über Jahre Verträge zur Abrüstung erst gebrochen und dann gekündigt. Verbotene Waffen entwickelt, die nuklear bestückt werden können. Und diese in Kaliningrad aufgestellt, keine 600 Kilometer von Berlin entfernt. Am 24. Februar 2022 hat Putins Russland dann den größten Krieg in Europa seit 1945 vom Zaun gebrochen.

Heute Außenpolitik zu machen bedeutet zu erkennen: das Prinzip Hoffnung wird uns vor Putins Russland nicht schützen.

Was uns schützt, ist unsere Unterstützung für die Ukraine. Für die Menschen, die tapfer ihr Land verteidigen. Und damit dafür sorgen, dass Putins Truppen nicht dichter an uns rücken.

Was uns jetzt schützt ist, dass wir in unsere eigene Sicherheit und Stärke investieren – in der EU, in der NATO und in Deutschland. Und dazu zählt die Entscheidung zur Stationierung weitreichender amerikanischer Waffensysteme. Weil wir gegenüber Russland eine glaubwürdige Abschreckung brauchen, es ja nicht zu wagen. Eine Abschreckung, die auch die Polen, die Balten und Finnen schützt – unsere Partner, die direkt an Russland grenzen und in den letzten Monaten erlebt haben, wie es mit hybriden Maßnahmen an der Grenze zündelt.

Denn wenn wir uns nicht auf das Prinzip Hoffnung verlassen, dann geht es nicht nur um die Sicherheit von Mariupol, Butscha und dem Ochmatdyt-Krankenhaus. Sondern auch um die Polens, Finnlands, und der baltischen Staaten. Und um deren Kinderkrankenhäuser.

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