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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 31.05.2024
Strafrechtliche Verurteilung von Donald Trump in den USA
Frage
Herr Büchner, vielleicht auch Herr Wagner, gibt es einen Kommentar seitens der Bundesregierung zum Schuldspruch für Donald Trump? Das ist jetzt quasi die erste Verurteilung eines ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Büchner (BReg)
Nein, das kommentieren wir nicht.
Zusatzfrage
Warum nicht?
Büchner (BReg)
Wir kommentieren das nicht.
Zusatzfrage
Herr Wagner, gibt es von Ihrer Seite etwas?
Wagner (AA)
Ich habe dem, was der stellvertretende Regierungssprecher gesagt hat, nichts hinzuzufügen.
Frage
Hat die Bundesregierung Zweifel am rechtsstaatlichen Verfahren dieses Prozesses? Diese Zweifel gibt es ja von einer Seite in Amerika. Sehen Sie die?
Wagner (AA)
Falls Sie uns abstrakt fragen, ob wir sagen würden, dass die USA ein Rechtsstaat sind - natürlich sind die USA ein Rechtsstaat.
Weiterbetrieb eines Militärstützpunktes in Niger durch die Bundeswehr
Frage
Herr Wagner, das Bundesverteidigungsministerium hat jetzt mit der Militärjunta in Niger noch einmal ein Abkommen getroffen, dass man die Basis quasi als Cold Base mit wenigen Bundeswehrsoldaten weiterhin betreibt. Die Frage an das AA: Inwieweit waren Sie in diese Gespräche mit eingebunden? Zum anderen die Frage: Inwieweit lässt sich solch eine eher pragmatische Lösung mit der wertebasierten Außenpolitik, die das AA vertritt, vereinbaren?
Wagner (AA)
Vielen Dank. Das ist ja ein Ressortabkommen des BMVg. Insofern müsste der Kollege Müller das Spezifische ergänzen.
Ich kann jetzt nur sagen, dass wir mit Blick auf das Vorgehen der Junta in Niger die Lage natürlich eng beobachten und im Ressortkreis natürlich auch in enger Abstimmung sind. Sie haben ja wahrgenommen, dass die Junta in den letzten Monaten einige Entscheidungen getroffen hat, die mit Blick auf den Abzug der Amerikaner und mit Blick auf die Kooperation mit Russland schwierig sind. Aber klar ist natürlich auch: Der Sahel bleibt eine wichtige Region für Europa ebenso wie natürlich auch die Stabilität im Sahel. Insofern schauen wir sehr genau darauf. Aber ich glaube, mit Blick auf dieses Ressortabkommen müsste tatsächlich der Kollege vom BMVg ausführen.
Müller (BMVg)
Wir haben eine Übergangsvereinbarung abgeschlossen, um den Lufttransportstützpunkt nach dem heutigen Tag als Cold Base weiterhin nutzen zu können. Das haben Sie richtig gesagt. Die Lage in Afrika ist in vielen Bereichen nicht leicht. Das haben Sie angedeutet. Vor allen Dingen die Region Sahel/Westafrika ist teilweise auch fragil. Gegebenenfalls braucht man da auch einen Ort oder eine Basis, um deutsche Staatsbürger in Sicherheit zu bringen. Insoweit galt es für uns, zwischen den Möglichkeiten, die vor Ort existieren, der Verpflichtung, die Deutschland hat, und dem Auftrag, den die Bundeswehr hat, abzuwägen. Der Auftrag ist eben, dass man notfalls auch im Rahmen einer militärischen Evakuierungsoperation deutsche Staatsbürger ‑ vereinfacht gesagt ‑ herausholt.
Ich erinnere daran: Vor circa einem Jahr hatten wir im Sudan mehr als 800 Staatsbürger aus über 40 Nationen. Das heißt, wir sind auch für die Partner geflogen. Wenn man in solch einem Szenario, in dem es kritisch zugeht, Tage oder Wochen damit verbringen, einen Stützpunkt zu finden, von dem aus man operieren kann, an dem man nachtanken kann und an dem man auch Leistungen vor Ort hat, um zum Beispiel Leute aufzunehmen, dann kann es um Menschenleben gehen. Deswegen haben wir uns zur Kooperation abgestimmt. Wichtig war uns, dass wir die Kanäle offen halten, dass wir die Brücken nicht abreißen lassen und dass wir dort nichts fallen lassen, was danach nicht wieder aufnehmbar ist, eben vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir mit dem Sudaneinsatz gemacht haben. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, waren sehr konkret, nämlich dass wir diesen Footprint benötigen.
Zusatzfrage
Ich habe in der Berichterstattung gelesen, dass allein an dem Stützpunkt rund 100 Millionen Euro investiert worden sind. Können Sie diese Zahl bestätigen? Falls das der Fall ist: Wofür wurde das Geld in Niamey überhaupt eingesetzt?
Müller (BMVg)
Ich kann bestätigen, dass die Investitionen etwa in diesem Bereich lagen. Wofür wurden sie eingesetzt? ‑ Wir haben dort erst einmal über Jahre ‑ soweit ich weiß, seit 2017 beginnend ‑ den Stützpunkt aufgebaut und betrieben. Sie wissen ja, dass Niamey nicht nur die Rückzugsbasis, sondern auch eine Hauptlogistikbasis für den Einsatz in Mali, den MINUSMA-Einsatz, war. Das heißt, es gab die Investitionen in das Camp, in den Campaufbau und in die Infrastruktur, in alles, was man in der Peripherie zum Betreiben eines Lufttransportstützpunktes braucht. Dann wurden sogenannte Ramp Areas, also Flugbetriebsflächen, und Unterkunftsgebäude, Operationsgebäude und Infrastruktur geschaffen, die man für den Betrieb von Flugzeugen benötigt. Das sind natürlich Kosten gewesen, die über die Jahresscheiben hinweg aufgewendet wurden, um den Betrieb dort sicherzustellen.
Zusatzfrage
Die Betriebskosten sind also in den 100 Millionen Euro enthalten. Das ist nicht nur das, was man dahin gestellt hat, oder?
Müller (BMVg)
Die genaue Aufgliederung liegt mir nicht vor. Ich weiß nur, dass wir in diesem Bereich, in einem niedrigen dreistelligen Millionenbereich, liegen. Natürlich wird der Großteil davon Investitionskosten sein. Das ist einfach so, wie Sie selbst wissen und wie auch oft unsere Erfahrungen bei den eigenen Flugplätzen in Deutschland sind. Wir haben gerade an vielen Luftwaffenstützpunkten Baumaßnahmen. Betriebsflächen und Rollwege, die ja entsprechende A400M als 140-Tonnen-Flugzeug aufnehmen müssen, kosten Geld. Das wurde dort investiert, vor allen Dingen in diese Flugbetriebsflächen. Das wird der große Teil gewesen sein.
Frage
Ich habe ein paar Verständnisfragen, Herr Wagner und Herr Müller. Ich erinnere mich, im letzten Sommer haben Sie hier gesessen und den Putsch dieser Militärjunta scharf kritisiert und verurteilt und immer wieder gefordert, dass die Macht an den demokratisch gewählten Präsidenten zurückgegeben werden müsse. Hat sich daran irgendetwas geändert? Wie passt das damit zusammen, dass man jetzt einen Deal oder ein Abkommen mit einer Putschistenregierung macht? Ist das völkerrechtlich okay?
Wagner (AA)
Ich habe ja gesagt, dass wir die Lage dort natürlich weiterhin eng beobachten müssen. Natürlich stellen sich einige Fragen mit Blick auf die Verlässlichkeit dieser Regierung. Ich habe gesagt, dass es da auch Entscheidungen in letzter Zeit gab, die Fragen aufwerfen. Umso wichtiger ist es, in Kontakt zu bleiben. Wie gesagt, führt das BMVg die Verhandlungen zu diesem Ressortabkommen. Das spielt dabei natürlich auch eine wichtige Rolle.
Müller (BMVg)
Unsere Beweggründe habe ich gerade sehr ausgiebig dargestellt: Wenn man Brücken bzw. Kommunikationskanäle abreißen lässt, dann hat man mit der Region oder zu dem Land erst einmal gar keinen Austausch mehr. Wir haben ja noch Truppe vor Ort. Circa 90 Soldatinnen und Soldaten sind ja in Niamey. Auf der Arbeitsebene erfolgen der Austausch und die Zusammenarbeit so, dass wir dort unseren Auftrag erfüllen können.
Natürlich beobachten wir die Lage im Land und rundherum ständig. Es ist eine Übergangsvereinbarung. Im Laufe der nächsten Monate werden wir uns genau anschauen und genau abstimmen, wie es dort mit der Nutzung weitergeht.
Zusatzfrage
Ich habe jetzt nicht nach den Beweggründen gefragt, sondern wie es überhaupt sein kann, dass man mit einer Putschistenregierung, die man ablehnt, einen Deal macht. Ist denn die Haltung der Bundesregierung immer noch dieselbe wie im Sommer, dass Sie von diesen Putschisten fordern, die Macht an den gewählten Präsidenten zurückzugeben, oder hat sich das jetzt erledigt?
Wagner (AA)
Wir haben auch damals betont, dass vor allen Dingen natürlich die Regionalorganisation ECOWAS im Lead ist. Sie haben vielleicht verfolgt, dass ECOWAS ihre Sanktionen gegen die Militärregierung in Niger Mitte Februar sehr weitgehend zurückgenommen hat, was natürlich eine souveräne Entscheidung dieser Regionalorganisation ist. Es bleibt natürlich dabei, dass wir ein großes Interesse daran haben, dass es eine Rückkehr zu einem stabilen und demokratischen Niger gibt. Deshalb beobachten wir das weiterhin.
Sie wissen auch, dass die EU ein länderspezifisches Sanktionsregime für Niger beschlossen hat, das Individualsanktionen ermöglicht. Diese Listen sind nicht befolgt. Aber es bleibt natürlich dabei, dass wir das mit Blick auf die weitere Entwicklung eng beobachten.
Frage
Herr Wagner, Herr Müller, inwieweit gibt es Erkenntnisse, dass Russland eventuell seinen Einfluss dort weiterhin ausbaut?
Wagner (AA)
Wir haben ja gesagt, dass wir diese Kooperation sehen. Wir können der Junta nur raten, sehr genau hinzuschauen, wie sich der russische Einfluss im Sahel konkret auswirkt. Wir haben das auch in anderen Nachbarländern von Niger beobachten können, zum Beispiel in Mali. Es ist mitnichten so, dass das, was Russland da verspricht, nämlich einen Zuwachs an Stabilität, eintritt. Im Gegenteil sehen wir eher eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen und von Destabilität. Insofern bewerten wir das sehr kritisch und beobachten das sehr genau.
Frage
Mich interessiert, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. War das ein Thema im Kabinett, im Bundessicherheitsrat, oder kann das BMVg von sich aus, quasi ohne Absprache oder quasi im Lead, entscheiden, dass man diese Basis weiterhin betreiben will?
Sie haben jetzt gesagt, 90 Soldatinnen und Soldaten seien vor Ort. Ab wann wäre denn ein Mandat notwendig?
Müller (BMVg)
Zunächst zur zweiten Frage: Ein Mandat ist nicht abhängig von der Anzahl der Soldatinnen und Soldaten vor Ort, sondern von der Erwartung, von der Eintrittswahrscheinlichkeit, dass vor Ort qualifizierte Gewalt eintreten könnte. Das ist für den Betrieb des Stützpunktes nicht der Fall. Damit ist ein Mandat nicht erforderlich.
Zu Ihrer ersten Frage: Es ist ein Ressortabkommen zwischen Verteidigungsministerium und der nigrischen Seite. Natürlich gibt es Gespräche und Austausch innerhalb der Bundesregierung. Aber es ist ein Ressortabkommen.
Frage
Herr Wagner, mir ist nicht klar, welchen rechtlichen Status die Junta für die Bundesregierung hat. Wenn Sie mit Ihnen Abkommen schließen ‑ das haben Sie getan ‑, dann erkennen Sie sie doch faktisch als derzeitige Regierung an, oder mit welchem rechtlichen Partner treffen Sie Verabredungen?
Wagner (AA)
Was uns betrifft, ist die Kategorie immer, ob wir einen akkreditierten Botschafter oder eine akkreditierte Botschafterin bei einer Regierung haben. Das ist im Niger nicht der Fall. Aber wir haben auch gesagt, dass es natürlich ein Interesse an Stabilität und an einem Kontakt zu diesen De-facto-Machthabern gibt. Insofern gibt es punktuelle Kooperationen. Ich denke, das ist das, was von meinem Kollegen aus dem Verteidigungsministerium hier als Ressortabkommen dargestellt wird.
Zusatzfrage
Das bedeutet, dass Sie die Junta in Niger nicht als legitime Regierung, aber als De-facto-Machthaber anerkennen, mit dem man dann auch Verabredungen treffen kann. Ist das die Position?
Wagner (AA)
Vielleicht noch einmal; wir haben hier ja auch ein bisschen einen pädagogischen Auftrag: Anerkennung gibt es nur in Bezug auf Staaten. Wir erkennen Staaten an, wir erkennen Länder an. Aber wir erkennen keine Regierungen an. Diese Kategorie gibt es nicht. Ich habe gesagt, es gibt Staaten, mit denen wir diplomatische Beziehungen unterhalten, mit denen wir Botschafterinnen und Botschafter ausgetauscht haben. Aber es gibt in dem Fall keine Anerkennung von Regierungen, sondern Deutschland erkennt andere Staaten an.
Nahostkonflikt
Frage
Herr Müller, könnten Sie uns erklären, warum die Lufthilfe über den Gazastreifen durch die Bundeswehr jetzt beendet wird? Mir wäre neu, dass in irgendeiner Weise genug Hilfslieferungen in den Gazastreifen kämen. Die Begründung für diese Flüge war die Versorgungslage, die sich ja nicht verändert hat. Der temporäre Hafen der Amerikaner funktioniert mittlerweile auch nicht. Warum stellt man den Abwurf von Hilfsgütern jetzt ein?
Müller (BMVg)
Wir haben hier von Beginn an dargestellt, dass der Abwurf von Hilfsgütern nur ein punktuell ergänzendes Mittel sein kann. Wir haben auch dargestellt, dass wir relativ wenig Tonnage pro Flug bei relativ hohem Risiko auf den Boden bringen können.
Sie haben richtig angesprochen, dass andere Möglichkeiten bestehen. Diese anderen Möglichkeiten wachsen auf. In Abstimmung mit den Partnern der Koalition, die diese Luftbrücke über Monate aufrechterhalten hat, haben wir jetzt nach ca. 150 Flugstunden und 315 Tonnen an Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Wasser und ähnlichen Dingen in Abstimmung mit den Partnern, die ihre Flüge aussetzen, entschieden, dass wir dies auch tun.
Wagner (AA)
Ich kann zur humanitären Lage und zur humanitären Hilfe noch ergänzen. In der Tat geht unsere humanitäre Hilfe weiter. Die Außenministerin hat ‑ ich meine, es war erst am Montag ‑ die Aufstockung um weitere 39 Millionen angekündigt. Dabei geht es vor allen Dingen um Gesundheitsversorgung, weil auch aufgrund der schlechten Wasserversorgung Durchfallerkrankungen und andere Erkrankungen in Gaza ein großes Problem sind.
In den Norden ‑ vor allen Dingen darauf waren die Luftabwürfe gerichtet ‑ ist mit der Eröffnung des Grenzübergangs Erez-West, aber auch über den Jordanienkorridor zuletzt tatsächlich ein bisschen mehr humanitäre Hilfe hineingekommen. Ich denke, gestern, am 30. Mai, sind über 250 Lkw über alle Grenzübergänge nach Gaza gelangt. In dem Zusammenhang ist es auch wirklich gut, dass über Ägypten jetzt wieder Lieferungen stattfinden, die in Kerem Schalom abgefertigt werden.
Aber natürlich‑ das werfen Sie auch in Ihrer Frage auf ‑, kommt nach wie vor viel zu wenig humanitäre Hilfe nach Gaza hinein. Sie haben den Ponton erwähnt, der jetzt repariert und hoffentlich in einigen Tagen wieder in Betrieb genommen wird. Insofern gehen unsere Bemühungen natürlich weiter, stärker darauf hinzuwirken, dass auch über die Landübergänge mehr Hilfe hineinkommt. Aber in der Tat ‑ das hat Herr Müller schon unterstrichen, und das sehen die Partner genauso ‑ sind die Luftabwürfe über dem Süden von Gaza sehr gefährlich, schon allein auch „on the ground“, weil eine ordnungsgemäße Verteilung dort nicht sichergestellt werden kann. Insofern haben wir auch immer gesagt, dass das ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Jedes Paket hilft. Aber in Abwägung der Güter ist die Entscheidung eben so gefallen. Wir setzen aber unsere humanitäre Hilfe natürlich fort und sind mit Blick auf Gaza im Moment auch der größte Geber.
Zusatz
Aber wenn jedes Paket hilft und diese Pakete jetzt eingestellt werden, dann verschlimmert man ja die humanitäre ‑ ‑ ‑
Wagner (AA)
Wenn das aber „on the ground“ dazu führt, dass Menschen sterben, weil das nicht geordnet eingesammelt werden kann, dann ist es letztlich eine Güterabwägung, ob es mehr hilft.
Müller (BMVg)
Ich möchte das in Hinsicht auf das Operationelle noch einmal unterstreichen. Wir haben schon über die Möglichkeiten gesprochen, Lasten in Gaza abzusetzen. Die Möglichkeiten dafür waren im Norden deutlich besser. Das wurde gerade angerissen. Anders als im Falle eines Übungsbetriebs oder bei Partnerländern haben wir kein Kontrollpersonal für die „drop zones“ am Boden. Da hilft jeder Meter, den man hat. Die Lage im Süden ist so, dass wir dort nur unter äußerst großem Risiko absetzen können. Das unterstreicht genau das, was hier gesagt wurde.
Zusatzfrage
Eine kurze Frage zu dem Risiko: Gab es denn Beschuss aus dem Gazastreifen auf die Bundeswehrflüge?
Müller (BMVg)
Wenn, dann würde das unter militärische Sicherheit fallen. Das kann ich hier nicht beantworten. Aber es gab genug Situationen, in denen wir gehofft haben, dass die Ladung sicher unten ankommt und auch da landet, wo sie landen soll. Denn die Maschinen ‑ ich habe es gesagt ‑ können nicht zu tief absetzen. Das ist in Krisenregionen so. Jede Windböe versetzt eine tonnenschwere Last über Hunderte von Metern. Dann fällt sie dahin, wohin sie nicht fallen soll. Dieses Risiko kann man auf Dauer einfach nicht eingehen.
Wagner (AA)
Ja, es gab Beschuss aus dem Gazastreifen auf Israel, zuletzt auch auf Tel Aviv.
(Zuruf)
‑ Ja, aber das hat auch Auswirkungen.
Frage
Herr Wagner, die Position der Bundesregierung war im Grunde immer eine Doppelstrategie, zum einen das Ziel einer Verbesserung der humanitären Situation, zum anderen die Hoffnung, dass durch Geiselfreilassung ein Ende des Krieges erreicht werden könnte. Ist diese Doppelstrategie nicht in dem Moment gescheitert ‑ diesen Moment haben wir ‑, in dem die israelische Regierung erklärt hat, sie werde den Krieg gegen die Hamas auch dann nicht beenden, wenn alle Geiseln freigelassen würden? Das ist eine offizielle Erklärung des israelischen Sicherheitsberaters. Ist damit die Doppelstrategie der Bundesregierung nicht gescheitert?
Wagner (AA)
Ihre Einschätzung würde ich mir nicht zu eigen machen, weil es uns darum geht, die Lage der Menschen vor Ort konkret zu verbessern. Ich denke, ein dritter Aspekt, den Sie ausgelassen haben, ist, dass es uns vor allen Dingen auch noch darum geht, die politische Perspektive auf eine Lösung dieses Konfliktes, auf eine Lösung des Nahostkonflikts zu erhalten. Ich muss Ihnen recht geben, dass es natürlich auch an der israelischen Regierung ist, darzulegen, wie wir diese Perspektive erhalten. In der Tat muss die israelische Regierung bei allen Operationen gegen die Hamas, die ja gerechtfertigt sind, weil sie Israel angreifen und eine Bedrohung für Israel sind, natürlich schon darlegen, wie dieses Ziel zu erreichen ist und wie auch ein Szenario „post conflict“ aussehen kann, wie man sicherstellt, dass es eine politische Lösung, eine Zweistaatenlösung geben kann, und wie Menschen in Gaza, im Westjordanland und auch aus Jerusalem in einem eigenen Staat Seite an Seite als Nachbarn mit Israel leben können.
Zusatzfrage
Jenseits der notwendigen Postkriegssituation deutet im Moment die israelische Äußerung darauf hin, dass dieser Krieg sozusagen ad infinitum dauern wird. Denn die Hamas ‑ das wissen alle Beteiligten ‑ verschwindet nicht einfach; sie ist da.
Was bedeutet diese explizite Erklärung der israelischen Regierung für das weitere politische Vorgehen der Bundesregierung?
Wagner (AA)
Die aktuelle Lage bedeutet erst einmal, dass wir und alle unsere Partner unsere Bemühungen weiter fortsetzen. Das sind diplomatische Bemühungen, Gespräche mit allen Seiten, Gespräche mit der israelischen Regierung, um das, was ich skizziert habe, zu erreichen, nämlich die Perspektive auf eine Lösung zu erhalten, aber auch die ganz konkreten Schritte zu erreichen: mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hinein, Anpassung der israelischen Militäroperationen, sodass sie den Schutz der Menschen in Gaza effektiv gewährleisten, aber auch eine Freilassung der Geiseln.
Frage
Sie sprachen gerade schon von den 39 Millionen für humanitäre Hilfe. Es deutet sich jetzt an, dass es weitergehen wird und mehr humanitäre Hilfe, auch finanzielle Mittel, dafür gebraucht werden. Was schätzen Sie, was an finanziellen Hilfen dafür in den kommenden Monaten noch gebraucht wird?
Eine Frage ans BMF: Inwiefern hat man das in den aktuellen Haushaltsverhandlungen im Blick und schaut, dass man das aus dem einen oder anderen Etat möglich macht?
Wagner (AA)
Das ist spekulativ. Leider kann ich das einfach nicht absehen. Aber wir sehen ja, wie die Lage im Moment ist. In der Tat braucht es, denke ich, nicht viel Fantasie, um zu sehen, dass uns dieser Konflikt leider ‑ so muss man ja sagen ‑ noch beschäftigen wird. Insofern ist der Beitrag, den Deutschland auch mit der humanitären Hilfe leistet, ein ganz wichtiger und ganz essenzieller, weil wir damit Menschen konkret helfen. Das tun wir nicht nur im Nahostkontext, sondern auch in vielen anderen Szenarien in der Welt. Dieses Geld ist wichtig. Insofern bringen wir uns in die laufenden Haushaltsverhandlungen in dem Sinne ein. Aber sehen Sie es mir nach, dass ich jetzt nicht ins Detail gehen werde. Diese Gespräche laufen im Moment innerhalb der Bundesregierung.
Olpen (BMF)
Ich kann dazu nichts ergänzen. Sie wissen, dass die Haushaltsverhandlungen laufen. Auch solche Themen sind Teil der Verhandlungen, aber diese sind intern zu führen und nicht hier zu diskutieren.
Frage
Herr Wagner, Israels nationaler Sicherheitsberater Herr Hanegbi hat im Namen der israelischen Regierung gesagt, dass die Regierung noch mindestens weitere sieben Monate Kämpfe in Gaza erwarte, dass der Krieg also mindestens noch bis Ende des Jahres laufe. Das ist eine gewisse Abkehr von vorherigen Verlautbarungen, dass man kurz vor dem Sieg stünde. We’re close to victory ‑ das meinte Herr Netanjahu.
Waren Sie von dieser Ansage überrascht, gerade im Hinblick darauf, dass man aufgrund der humanitären Situation einen Waffenstillstand fordert und hofft, dass man jetzt einen Deal bekommt?
Wagner (AA)
Ich habe ja gesagt, dass unsere Bemühungen und auch unsere Gespräche sehr intensiv sind. In der Tat ist es an der israelischen Regierung, darzulegen, wie sie gedenkt, die Hamas zu bekämpfen. In der Tat muss man sich wahrscheinlich auch fragen, ob das allein auf militärischem Wege überhaupt möglich ist. Aber Israel verteidigt sich natürlich weiterhin gegen bestehende Angriffe der Hamas, gegen das weiterhin bestehende Ziel der Hamas, Israel zu vernichten. Nach wie vor werden Geiseln in Gaza festgehalten und müssen wir alles dafür tun, dass diese Geiseln befreit werden.
Aber ebenso wichtig ist es, eine Perspektive auf eine Lösung des Nahostkonflikts zu erhalten. Das ist, denke ich, auch im langfristigen Sicherheitsinteresse Israels. Im Moment sehen wir auf beiden Seiten sehr viel Leid, sehr viel Leid in Gaza, sehr viel Zerstörung in Gaza. Natürlich muss auch die israelische Regierung darlegen, wie man bei diesem Ausmaß an Leid eine politische Perspektive erhalten kann.
Zusatzfrage
Aber zur humanitären Perspektive gehört, dass wir jetzt schon sieben Monate Krieg in Gaza haben und die Lage unfassbar ist. Was glauben Sie, was weitere sieben Monate für die humanitäre Lage bedeuten würden?
Wagner (AA)
Das kann man sich, denke ich, ausmalen. Die humanitäre Lage ist heute schon katastrophal.
Zusatz
Ja, eben.
Wagner (AA)
Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Ich kann nur sagen, was unsere Bemühungen sind. Unsere Bemühungen bleiben, wie ich sie eben skizziert habe. Es ist auch in der Verantwortung der israelischen Regierung und der israelischen Armee, dafür zu sorgen, dass die Zivilbevölkerung bei diesen Operationen besser geschützt wird.
[…]
Frage
Die Frage geht an das Auswärtige Amt. Das ist ein Thema, das bereits in der letzten RegPK angesprochen, aber an einem entscheidenden Punkt nicht geklärt werden konnte. Es bezieht sich auf die Äußerung der Außenministerin beim Demokratiefest, als sie in einer hitzigen Debatte öffentlich sagte, sie habe Videos von Bodycams von Hamaskämpfern gesehen, die Vergewaltigungsszenen darstellen würden. Das hat sie dann auch noch wiederholt. Bleibt die Außenministerin dabei, dass sie das gesehen hat? Können Sie sagen, wann und wo es gesehen wurde? Der Hintergrund der Frage ist, dass sowohl eine UN-Sonderermittlerin als auch die israelische Regierung solche Videos offensichtlich nicht kennen. Bleibt die Außenministerin bei ihrer Aussage?
Wagner (AA)
Es gibt gar keinen Anlass für mich, daran zu zweifeln, was die Außenministerin gesagt hat, und ich muss sagen, ich bin, ehrlich gesagt, einigermaßen schockiert, weil ich ‑ das habe ich ja dem Kollegen Warweg auch am Mittwoch schon gesagt ‑ finde, Ihre Frage insinuiert, dass es diese sexualisierte Gewalt und diese Vergewaltigungen am 7. Oktober nicht gegeben hat. So nehme ich, ehrlich gesagt, auch die Debatte in den sozialen Medien dazu wahr. Ich weise das in aller Form zurück. Es besteht wirklich bei niemandem irgendein Zweifel daran, dass Frauen am 7. Oktober von Kämpfern der Hamas vergewaltigt worden sind.
Zusatzfrage
Ich insinuiere gar nichts mit meiner Frage, sondern ich stelle lediglich eine sachlich begründete Frage. Ich wiederhole sie. Die Außenministerin sagt, sie habe Videos gesehen, auf denen Vergewaltigungen israelischer Frauen durch Hamaskämpfer dokumentiert worden seien. Demgegenüber, und das stelle ich sachlich gegenüber, haben eine Sonderermittlerin der Vereinten Nationen, die sich mit genau dieser Frage beschäftigt, sowie auch Ermittlungen der israelischen Regierung ausgesagt, ihnen seien solche Videos nicht bekannt. Deswegen die Frage: Wie kann die Außenministerin Videos gesehen haben ‑ das ist etwas anderes als die Frage, ob sexualisierte Gewalt stattgefunden hat ‑, von denen offiziell ermittelnde Institutionen sagen, sie hätten sie nicht gesehen?
Wagner (AA)
Ich habe die Frage eben beantwortet und bleibe bei dem, was ich dazu gesagt habe.