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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 27.05.2024

27.05.2024 - Artikel

Nahostkonflikt

[…]

Frage

Frau Deschauer, die Außenministerin hat heute Morgen gesagt, dass das Urteil des Internationalen Gerichtshofs bindend sei. Wir hatten ja hier letzte Woche schon einmal eine Debatte über den Internationalen Strafgerichtshof und den möglichen oder zumindest beantragten Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten geführt. Deswegen wollte ich nur fragen: Ist denn ein Urteil des Internationalen Strafgerichtshofs aus Sicht des Außenministeriums ebenfalls bindend?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. – Genau, die Außenministerin hat sich bereits heute Morgen am Rande der Sitzung des RfAB zu der Gesamtlage in Nahost und auch der Lage in Rafah und zum Thema IGH, wie der Regierungssprecher gerade erläuterte, geäußert.

Ich glaube, hinsichtlich der Frage des IStGH waren wir in der vergangenen Woche hier verschiedentlich im Gespräch, und der Regierungssprecher hat sich dazu für die gesamte Bundesregierung geäußert. Dem habe ich, ehrlich gesagt, nichts hinzuzufügen.

Zusatz

Aber, wenn ich da noch einmal nachfragen darf, es geht um das Wort „bindend“. „Bindend“ hieße dann, dass, wenn ein Haftbefehl ausgestellt wird, er dann auch umgesetzt werden muss. Das war ja genau die Debatte, die wir letzte Woche geführt hatten. Deswegen geht es mir um das Wort „bindend“.

Hebestreit (BReg)

Sie haben es jetzt so schön gesagt: Wir haben letzte Woche eine Debatte geführt. Das ist sehr hypothetisch, weil wir ja noch in der Phase sind, in der das Richtergremium den Antrag und auch die Belege, die der Chefankläger wohl vorgelegt hat, prüfen muss. Wenn es dann ein Ergebnis gibt, können wir intensiver darüber sprechen. Im Augenblick ist es so, dass das Verfahren noch nicht so weit ist und Sie ja auch Wortmeldungen von mir aus der vergangenen Woche dazu gehört haben.

Zusatzfrage

Entschuldigung, aber, wenn ich noch einmal nachfragen darf, meine Frage war doch eigentlich eine ganz andere! Meine Frage war, ob, wenn die Außenministerin sagt, dass der Internationale Gerichtshof urteile und das bindend sei, dasselbe für den Internationalen Strafgerichtshof gilt, unabhängig von den einzelnen Fällen. Sieht die Außenministerin das genauso als bindend an?

Deschauer (AA)

Wir haben uns hier mehrfach dazu geäußert, dass die Bundesregierung, und das gilt selbstverständlich für das Auswärtige Amt und die Außenministerin, die internationale Gerichtsbarkeit als zentralen Pfeiler unserer internationalen Ordnung ansieht und entsprechend natürlich mit Respekt vor der Unabhängigkeit laufende Verfahren nicht weiter kommentiert, aber selbstverständlich die völkerrechtliche Einhaltung ergehender Beschlüsse oder auch hinsichtlich des IGH, von dem wir vorhin sprachen ‑ da kann ich noch ergänzen, dass das ein Beschluss im Eilverfahren war, noch nicht der Beschluss im Hauptsacheverfahren ‑, für wichtig erachtet.

[…]

Frage

Frau Deschauer, die israelische Regierung hat ja jetzt auf dieses Urteil anders reagiert als auf den Antrag des Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof. Herr Hebestreit hat die Staatsanwältin erwähnt, die sich diesen Vorfall genau ansehen möchte. Deswegen hätte ich ganz gern bei Ihnen noch einmal nachgefragt, ob Sie mit der israelischen Regierung Gespräche über dieses Prinzip der Komplementarität geführt haben, also dass, wenn die israelische Regierung selber ernsthafte Untersuchungen einleitet, man möglicherweise internationale Urteile noch abwenden kann.

Deschauer (AA)

Sie können sich sicher sein, dass die Bundesregierung ‑ und auch das Auswärtige Amt ‑ jede Gelegenheit nutzt, um mit den israelischen Ansprechpartnern alle Details, die dazu dienlich sein könnten, die wahnsinnig schwierige Situation, die für so viele Menschen dramatisch ist, vor Ort zu besprechen, damit dieser Konflikt, der Leid auf beiden Seiten bringt, ein Ende hat.

Ich möchte aus vertraulichen Gesprächen ‑ das kennen Sie ‑ nicht näher berichten. Aber Sie können sich sicher sein: Wir sind zu allen relevanten Fragestellungen im Gespräch.

Hebestreit (BReg)

Das gibt mir auch noch einmal die Gelegenheit darauf hinzuweisen ‑ das ist vielleicht der Unterschied in diesem Konflikt ‑, dass eine Konfliktpartei, nämlich Israel, ein demokratischer Rechtsstaat mit einer unabhängigen Justiz ist. Das hat uns ja in den letzten anderthalb Jahren heftig beschäftigt, wie unabhängig sie aus Sicht der Regierung ist. Insofern zeigt das vielleicht den Unterschied, dass solche möglichen Verstöße, wenn es sie denn gegeben haben soll oder sie vorkommen, auch in dem dortigen Verfahren geahndet werden können.

Frage

Frau Deschauer, ich möchte noch einmal an die Antwort anknüpfen, die Sie auf eine vorherige Frage des Kollegen gegeben hatten, als Sie sagten, die Außenministerin bewerte die internationale Gerichtsbarkeit sehr hoch. Können Sie dann bitte sagen, ob aus Sicht der Außenministerin Entscheidungen der internationalen Gerichtsbarkeit ‑ und zwar unabhängig davon, ob vom Internationalen Strafgerichtshof oder vom Internationalen Gerichtshof ‑, wenn sie gefallen sind, auf jeden Fall rechtlich bindend sind?

Deschauer (AA)

Ich kann das gern noch einmal machen, aber ich glaube, wir haben das hier schon getan. Und ich würde noch einmal anregen, die Äußerungen der Ministerin heute Morgen in Brüssel, wo sie sich mit Bezug auf den IGH geäußert hat, nachzulesen. Dort sagt sie mit Bezug darauf: Sie sind bindend und müssen natürlich befolgt werden. ‑ Insofern ist die Antwort klar, und wir hatten sie Ihnen schon gegeben.

Zusatzfrage

Ich frage deswegen nach, weil ich die Äußerungen des Regierungssprechers vorhin zum Internationalen Strafgerichtshof so verstanden habe, dass da noch keine Entscheidung gefallen sei und man sich hypothetisch nicht äußern wolle. So habe ich das wahrgenommen. Aber das wird von dem überlagert, was Sie sagen: Unabhängig davon, wie eine mögliche Entscheidung ausfällt, ist sie bindend, wenn sie gefallen ist. ‑ Verstehe ich Sie da richtig?

Deschauer (AA)

Ich kann weder eine Überlagerung noch einen Widerspruch erkennen. Ich kann erkennen, dass sich die Bundesregierung mehrfach ‑ sei es der Regierungssprecher, sei es ich, sei es die Ministerin heute Morgen ‑ zum internationalen Völkerrecht, teils zu spezifischen Fallkonstellationen, geäußert hat. Es steht ja nicht im Widerspruch dazu, dass der ISTGH ‑ ‑ ‑

Da kommen wir noch einmal auf die vergangene Woche zurück: Es gibt bisher einen Antrag. Dieser Antrag wird von einem Gremium aus drei Richtern geprüft ‑ Vorverfahrenskammer nennt sich das ‑, und es liegt noch kein Haftbefehl vor. Die Frage bleibt weiter theoretisch, wie wir das letzte Woche besprochen haben und der Regierungssprecher eben wiederholt hat.

Die grundsätzliche Frage, die wir hier zum IGH und internationalem Recht besprochen haben, dass die Bundesregierung diese als zentrale Stütze der internationalen Ordnung sieht und auch als bindend einordnet, ist davon unbenommen. Es besteht also kein Widerspruch, keine Überlagerung, sondern es sind verschiedene Sachverhalte, die wir hier aufgedröselt haben.

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