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Statement von Außenministerin Baerbock beim Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der G20 - Sitzung II „Reform der globalen Ordnungspolitik“
Exzellenzen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
lieber Mauro als Vorsitzender des G20-Treffens,
vielen Dank, dass du das Thema Reform der globalen Ordnungspolitik ins Zentrum unserer heutigen Tagesordnung gestellt hast. Eure „issue note“ war ein gelungener Auftakt.
Deutschland stimmt uneingeschränkt zu: Wenn wir die komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bewältigen wollen, dürfen unsere multilateralen Institutionen nicht im letzten Jahrhundert verharren.
Mehr als drei Viertel der heutigen Staaten waren nicht dabei, als die Weltbank und der Internationale Währungsfonds gegründet wurden.
Ich glaube, dass der G20 bei diesem Reformprozess eine wichtige Rolle zukommen kann und muss.
Schließlich hat sich auch die G20 erst letztes Jahr unter indischer Führung reformiert. Durch die erste Erweiterung der G20 überhaupt ist die Afrikanische Union nun, wo sie hingehört - hier an unseren Tisch.
Lieber Mauro,
wir als Gruppe bilden die geopolitische Vielfalt der heutigen Welt recht gut ab. Das macht unsere Arbeit bisweilen zu einer Herausforderung, wie wir alle wissen. Aber wenn es uns gelingt, in unserem Kreis eine gemeinsame Grundlage zu finden, dann können wir ein Motor für Veränderung sein, auch in Foren wie den Vereinten Nationen.
Diese Arbeit hat bereits begonnen.
In New York arbeiten die VN-Mitgliedstaaten derzeit am Zukunftspakt. Die Neugestaltung der globalen Ordnungspolitik wird dabei ein zentrales Thema sein:
Wir wollen, dass der Pakt konkrete Schritte auf den Weg bringt, zu einer Reform des Sicherheitsrats, zu einer neuen Dynamik in der Generalversammlung und im ECOSOC sowie zu einer gestärkten Kommission für Friedenskonsolidierung.
Deutschland hat die Ehre, diesen Prozess als Ko-Fazilitator gemeinsam mit Namibia zu begleiten. Deshalb wollen wir Ihren Vorschlag diskutieren, bei der VN-Generalversammlung ein G20-Ministertreffen zu organisieren, das die angestrebten Ziele des Zukunftspakts unterstützt.
Der Pakt hat das Potenzial, den Multilateralismus zu stärken. Aus diesem Grund ermutigen wir alle Partner, sich von Anfang an einzubringen.
Ein weiteres wesentliches Thema des Pakts ist die Reform der internationalen Finanzarchitektur.
Denn „Geld zählt“, insbesondere wenn wir die verheerenden Folgen der Klimakrise angehen und wirtschaftliche Transformationsprozesse beschleunigen wollen.
Von der Energiewende profitieren wollen alle Länder, aber viele haben nicht das nötige Geld dafür. Und je länger es dauert, die Emissionen zu senken, desto höher werden die Kosten für eine Anpassung an den Klimawandel, insbesondere für die Schwächsten. Alle 18 Tage gibt es ein klimabedingtes Ereignis, dessen wirtschaftliche Kosten eine Milliarde US-Dollar übersteigt.
Deshalb war Deutschland bei der aktuellen Reform der Weltbank an vorderster Stelle dabei, um eine „bessere und größere Bank“ aufzubauen. Eine Bank, die in der Lage ist, zentralen Herausforderungen wie Pandemien und der Klimakrise zu begegnen. Wir unterstützen diese Neuausrichtung mit bis zu 305 Millionen Euro.
Und als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt unterstützen wir ebenso nachdrücklich die Reform des Streitbeilegungsmechanismus der WTO. Ich möchte an unsere Partner und Freunde hier appellieren: Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für diese Reform, insbesondere wenn man zu den beiden größten Volkswirtschaften gehört.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,
ich glaube, dass wir uns bei der Bewältigung unserer gemeinsamen Herausforderungen gegenseitig geduldig zuhören müssen – wohlwissend, dass wir unterschiedliche Sichtweisen haben. Das macht das Forum der G20 so stark, so effektiv.
Ich bin sehr dankbar für unsere gestrige offene und freimütige Debatte über die Lage im Nahen Osten.
Und, liebe Naledi, da du es gerade angesprochen hast, möchte ich in Bezug auf den Internationalen Gerichtshof antworten.
Eines will ich klar und deutlich sagen:
Unabhängig davon, wie dieses Verfahren ausgeht, wird Deutschland sich an das Urteil halten und von anderen dasselbe erwarten.
Ebenso möchte ich unmissverständlich klarstellen: Auch wenn wir unterschiedliche Rechtsauffassungen haben, bedeutet das nicht, dass wir die Legitimität des Gerichts anzweifeln.
Ganz im Gegenteil: Wir werden uns neben vielen anderen an dem von Südafrika und weiteren Parteien angestrengten Verfahren beteiligen, um unsere Sichtweise dazulegen.
Um die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, um den IGH zu stärken. Dasselbe gilt für den Internationalen Strafgerichtshof, für die Verfahren dort.
Ich glaube, was uns verbindet, ist unser Bekenntnis zum Völkerrecht und zu internationalen Institutionen einschließlich der Gerichtshöfe. Aus diesem Grund wollen wir sie stärken.
Ich schätze offene Debatten. Aber ich muss sagen, was wir nicht schätzen, sind Lügen. Herr Lawrow, die Wahrheit ist, dass aus Odessa kein Getreide ausgeführt werden kann, weil Russland den Hafen der Stadt bombardiert hat.
Aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen das Völkerrecht und gegen die Menschenrechte haben wir Sanktionen erlassen. Wenn russische Beamtinnen und Beamte an der Verschleppung von Kindern aus der Ukraine beteiligt sind, können sie nicht länger nach Europa fahren, um dort Luxuskleidung für ihre eigenen Kinder zu kaufen. Oder Geld, das sie anderen gestohlen haben, in Eigentumswohnungen in Berlin investieren.
Was UNRWA angeht, so haben die USA der Organisation 340 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt. Mit 202 Millionen US-Dollar folgt Deutschland als zweitgrößter Geber. Russland hat zwei Millionen bereitgestellt.
Diese Tatsachen können Sie nicht ignorieren, während Sie Zivilistinnen und Zivilisten bombardieren.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, beim Blick zurück auf die letzten Monate könnte man leicht den Mut verlieren.
Als internationale Partner aber liegt es an uns. Wir können uns entscheiden, ob wir resigniert den Kopf in den Sand stecken.
Oder ob wir versuchen, voranzukommen – und zwar gemeinsam. Indem wir konkrete pragmatische Schritte nach vorn machen.
Wir müssen dafür sorgen, dass der Multilateralismus funktioniert. Und zwar für alle.
Abschließend möchte ich noch einen positiven Punkt nennen. Was wir im Dezember in Dubai erreicht haben, war funktionierender Multilateralismus für alle. Wir sind mit unterschiedlichen Partnern aus der ganzen Welt zusammengekommen, ob groß oder klein, und haben uns von Lateinamerika über Asien und Afrika bis hin zu den Inselstaaten des Pazifiks die Hand gereicht. Um deutlich zu machen, dass wir die Klimakrise nur gemeinsam bekämpfen können.
Um deutlich zu machen, dass die Bewältigung der Klimakrise auch eine Frage der Gerechtigkeit ist. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam den Fonds für Verluste und Schäden eingerichtet.
Mit Blick auf die COP 30 in Brasilien freuen wir uns darauf, unsere brasilianischen Partner zu unterstützen, daran anzuknüpfen.
Und wir sehen der G20-Präsidentschaft Südafrikas erwartungsvoll entgegen.
Wir haben gezeigt, was wir erreichen können, wenn wir zusammenarbeiten.
Im Dezember war ich in Ruanda bei der Eröffnung der Produktionsanlage von BioNTech unweit von Kigali, wo künftig bis zu 50 Millionen Dosen mRNA-Impfstoff pro Jahr hergestellt werden.
Die Zusammenarbeit bei globalen Gesundheitsfragen zeigt ebenfalls, dass Multilateralismus für alle funktioniert, wenn wir uns die Hand reichen.