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Treffen der Außenministerin und der Außenminister der Länder des Weimarer Dreiecks (Paris, 12. Februar 2024) Politische Erklärung

12.02.2024 - Pressemitteilung

Anlässlich des Treffens des Weimarer Dreiecks in La Celle-Saint-Cloud am 12. Februar 2024 bekräftigen wir, die Außenministerin und die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens, unsere Entschlossenheit, unserer trilateralen Zusammenarbeit neue Dynamik zu verleihen. Kurz vor dem zweiten Jahrestag der russischen Invasion fällt unser Treffen in eine Zeit, in der die internationalen Beziehungen von Ambivalenz, Unwägbarkeit, Unsicherheit und Instabilität geprägt sind.

Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund ist es unser Ziel, die Europäische Union so zu gestalten, dass sie geeinter, stärker und auf dem Weg hin zu einer Sicherheits- und Verteidigungsunion in der Lage ist, auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen der heutigen Zeit zu reagieren, und dabei den Erwartungen unserer Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden. Wir bekennen uns ferner zu einer starken und geeinten NATO.

Wir erinnern an unsere 10-Punkte-Erklärung von 1991, in der das Ziel des Weimarer Dreiecks unter anderem damit beschrieben wird, gemeinsame Grundinteressen für die Zukunft Europas zu identifizieren. Unsere Gründungswerte und -interessen werden weiterhin den Kern unseres gemeinsamen Engagements in einer Welt immer größerer Herausforderungen bilden.

Wir werden unsere Abstimmung innerhalb des Weimarer Dreiecks verstärken, um es in den Dienst der EU zu stellen und dafür zu sorgen, dass es mehr denn je eine entscheidende Rolle bei der Förderung dieser ehrgeizigen Agenda für Europa spielt. Wir sind entschlossen, die Zusammenarbeit zwischen unseren Außenministerien auf allen Ebenen weiter zu vertiefen. Unser nächstes Außenministertreffen wird im Frühsommer in Weimar stattfinden.

Wir bringen ferner unsere Absicht zum Ausdruck, in naher Zukunft ein erweitertes Außenministertreffen im Format „Weimar + Ukraine“ abzuhalten.

Russland macht uns durch Desinformation, Cyberangriffe und politische Einflussnahme zum Ziel hybrider Aktionen und verfolgt dabei den Zweck, Zwietracht in unseren Gesellschaften zu säen. Russland ist nach wie vor die größte und unmittelbarste Bedrohung für unsere Sicherheit und für den Frieden und die Stabilität im euroatlantischen Raum.

2024 ist ein wichtiges Wahljahr, auch in Europa. Wir werden keinerlei Versuche der Einflussnahme in unsere demokratischen Prozesse zulassen. Der Zusammenhalt unserer Gesellschaften steht auf dem Spiel. Gemeinsam werden wir ein hohes Maß an Wachsamkeit aufrechterhalten und unsere Bürgerinnen und Bürger vor derartigen Manipulationen schützen. Wir sind übereingekommen, zwischen Deutschland, Frankreich und Polen ein Frühwarn- und Reaktionssystem im Hinblick auf Informationsmanipulation und Einflussnahme aus dem Ausland einzurichten, und wir werden auf eine weitere Mobilisierung der EU in diesem Bereich hinarbeiten, mit dem Ziel sicherzustellen, dass Online-Plattformen wirksamere Maßnahmen treffen.

Gemeinsam werden wir unsere Bemühungen auf eine Agenda für Frieden und Sicherheit, Souveränität und Solidarität zwischen unseren Völkern konzentrieren.

1. Frieden und Sicherheit

Angesichts der beispiellosen Verschlechterung des Sicherheitsumfelds in Europa aufgrund des groß angelegten Krieges Russlands gegen die Ukraine bekräftigen wir unsere unerschütterliche Entschlossenheit, die Ukraine dabei zu unterstützen, ihre Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit zu verteidigen und die russische Aggression abzuwehren. In diesem Krieg stehen die europäischen Sicherheitsinteressen auf dem Spiel. Wir werden Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Russlands illegale Aggression scheitert, und wir werden die Ukraine unterstützen, solange es nötig ist.

Die am 1. Februar erzielte Einigung über die Einrichtung der Ukraine-Fazilität setzt ein klares Zeichen für die langfristige Unterstützung der Ukraine. Wie der Europäische Rat erneut erklärt hat, ist es jetzt von entscheidender Bedeutung, der Ukraine rechtzeitige, vorhersehbare und nachhaltige militärische Unterstützung zu leisten, vor allem durch die Europäische Friedensfazilität, die militärische Unterstützungsmission der Europäischen Union und Fähigkeitskoalitionen sowie durch unmittelbare

bilaterale Hilfe von Mitgliedstaaten, gemäß dem Bedarf der Ukraine.

Russland kann nicht auf eine Ermüdung Europas zählen, sondern sollte mit einer vollumfänglichen Rechenschaftspflicht für alle in der Ukraine begangenen illegalen Handlungen und Verbrechen rechnen. Alle russischen Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden.

Wir rufen ferner zur Annahme des 13. Pakets von Sanktionen gegen Russland auf. Wir verpflichten uns, die Umgehung von Sanktionen zu bekämpfen, die Einhaltung von beschlossenen restriktiven Maßnahmen sowie die Umsetzung weiterer gegen Wirtschaftssektoren und Einzelpersonen gerichteter Sanktionen zu stärken, die insbesondere darauf abzielen, die Fähigkeit Russlands zur Kriegsführung zu begrenzen. In diesem Zusammenhang sollten wir unsere gezielten Sanktionen gegen Belarus auch mit Blick darauf gestalten, zu verhindern, dass Belarus als Drehscheibe für die Umgehung von EU-Sanktionen gegen Russland dient, und es dabei weiterhin klar von dem Aggressor unterscheiden.

Der Aufbau einer effektiven Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und wirksamer EU-Verteidigungsinitiativen wird einen positiven Beitrag zur weltweiten und transatlantischen Sicherheit leisten. Wir werden gemeinsam auf den weiteren Ausbau militärischer Fähigkeiten und der europäischen Rüstungszusammenarbeit sowie auf eine Erhöhung der EU-Verteidigungsausgaben drängen, was einen stärkeren europäischen Beitrag zur euroatlantischen Sicherheit gewährleisten wird.

Wir werden im Vorfeld des im Juli in Washington stattfindenden NATO-Gipfels Beratungen abhalten und damit dazu beitragen, Abschreckung und Verteidigung des Bündnisses weiter zu stärken sowie die unverminderte Unterstützung des Bündnisses für die Ukraine auf dem Weg zu ihrer euroatlantischen Integration zu demonstrieren.

Niemand sollte unsere Stärke und unsere Entschlossenheit in Zweifel ziehen, im Einklang mit Artikel 5 des Nordatlantikvertrags jeden Zentimeter des Bündnisgebiets zu verteidigen. Wir werden ferner die Arbeit zur gegenseitigen Unterstützung und Solidarität nach Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union fortsetzen. Wir werden weiterhin substanzielle Beiträge zum Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv der NATO leisten, unter anderem durch die Präsenz unserer Streitkräfte im Ostsee- und im Schwarzmeerraum. Wir werden unsere Zusammenarbeit als Europäer und als Bündnispartner stärken, um der gesamten Bandbreite an Bedrohungen durch die Russische Föderation, mit denen sich unsere Länder konfrontiert sehen, zu begegnen. Wir werden sicherstellen, dass unsere Nationen ihre Verpflichtungen gemäß der Zusage zu Investitionen im Verteidigungsbereich einhalten, um zu gewährleisten, dass das Bündnis über alle Fähigkeiten verfügt, die für die Bündnisverteidigung und andere Aufgaben notwendig sind. Gemeinsam werden wir uns mit Nachdruck für eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen EU und NATO sowie verstärkte militärische Mobilität einsetzen.

Wir werden auch in Zukunft zusammenarbeiten, um die Ukraine auf ihrem Weg hin zu einer Mitgliedschaft in der EU zu unterstützen. Wir unterstützen in vollem Umfang das Recht der Ukraine, ihre eigenen Sicherheitsvereinbarungen zu wählen. Gemeinsam werden wir auch zukünftig die Fortschritte der Ukraine bei Interoperabilität und weiteren Reformen im Sicherheitssektor unterstützen. Die Zukunft der Ukraine liegt in der NATO.

Im Hinblick auf die Lage im Nahen Osten stimmen wir darin überein, dass es notwendig ist, die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen dringend anzugehen, eine regionale Eskalation zu verhindern und den politischen Prozess hin zu einer Zweistaatenlösung zu reaktivieren. Wir bestehen auf der umgehenden Freilassung aller von der Hamas festgehaltenen Geiseln. Unser Kampf gegen den Terrorismus wird nicht aufhören. Wir werden Terroristen der Hamas weiter mit Sanktionen belegen. Wir sind entschlossen, die Bemühungen Europas für ein gemeinsames internationales Angebot für Frieden und Stabilität in der Region zu maximieren. Gewalt von Siedlerinnen und Siedlern gegen Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland ist inakzeptabel und mit Sanktionen zu belegen. Wir begrüßen ferner die EU-Operation EUNAVFOR ASPIDES, die als Teil dieser Bemühungen und als Beitrag zur Sicherheit des Seeverkehrs in der Region in Kürze im Roten Meer starten wird.

Wir fordern einen gerechten und nachhaltigen Frieden im Südkaukasus und unterstützen die Vermittlungsbemühungen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung eines Dialogs zwischen Armenien und Aserbaidschan. Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Unversehrtheit der Staaten des Südkaukasus.

Ein politisch stabiler und sicherer Sahel ist in unserem langfristigen Interesse. Wir bekräftigen unsere entschlossene Unterstützung für die Anstrengungen der Afrikanischen Union und ECOWAS, verfassungswidrige Regimewechsel zu bekämpfen. Wir sind tief besorgt angesichts des Rückgangs der Rechtsstaatlichkeit und der Zunahme von Menschenrechtsverletzungen in der Sahelregion, wodurch regionale und internationale Bemühungen hin zu Frieden und Stabilität untergraben werden. Wir stehen den Menschen im Sahel zur Seite, auch mit humanitärer Hilfe, und unterstützen die Zivilgesellschaften sowie Projekte zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegenüber gewalttätigem Extremismus. Wir sind bereit, die Zusammenarbeit mit den Küstenstaaten Westafrikas auf EU-Ebene und auf bilateraler Ebene weiter zu vertiefen, um ein Übergreifen von Terrorismus und organisierter Kriminalität zu verhindern. Integrierte Ansätze, bei denen sicherheitspolitische und zivile Maßnahmen kombiniert werden, sind in dieser Hinsicht von zentraler Bedeutung.

2. Europäische Souveränität

Wir müssen die Handlungsfähigkeit der EU stärken, indem wir die Agenda, zu der wir uns in der Erklärung von Versailles im März 2022 infolge der russischen Aggression verpflichtet haben, umsetzen und ausbauen, und zwar in den Bereichen Verteidigungsfähigkeit, Energie, Gesundheit, kritische Rohstoffe, Halbleiter, Ernährungssicherheit und Digitales.

Die Stärkung unserer europäischen Widerstands- und Verteidigungsfähigkeit sowie die Erhöhung der Produktionskapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie sind von größter Bedeutung. Wir fordern dazu auf, dass in der zukünftigen Strategie für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIS) Maßnahmen vorgeschlagen werden, mit denen die Verteidigungsbereitschaft der EU insgesamt erhöht wird, und wir werden alle entsprechenden europäischen Instrumente, darunter auch neue, nutzen, um die rüstungstechnologische und -industrielle Basis Europas weiter zu stärken, Innovationen zu fördern und die Produktionskapazitäten in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum aufzustocken.

  • Wir sind ferner entschlossen, den NATO-Aktionsplan zur wehrtechnischen Produktion umzusetzen. Wir werden dazu beitragen, die Nachfrage zu bündeln, um unseren gemeinsamen Fähigkeitsanforderungen nachzukommen, die multinationale Zusammenarbeit und eine agile Beschaffung fördern, auch in Bezug auf kleine und mittelständische Unternehmen, sowie die Transparenz im Hinblick auf die Industrie erhöhen.
  • Wir müssen ferner dafür sorgen, dass die europäische Industrie in der gesamten EU widerstandsfähiger, innovativer und wettbewerbsfähiger wird, und zwar als Teil einer breiteren und vertieften EU-Innovationsagenda. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass es der EU im nächsten institutionellen Zyklus gelingt, eine Führungsrolle in den zentralen Technologiesektoren, die unsere Zukunft bestimmen werden, beizubehalten beziehungsweise einzunehmen. Das sollte ein zentrales Element der Strategischen Agenda sein, die bis Juni festgelegt werden muss.
  • Bei unserem Vorgehen im Hinblick auf Erweiterung und interne Reformen der EU im Einklang mit der Erklärung von Granada müssen auch die Widerstandsfähigkeit der EU und ihre Handlungsfähigkeit maßgeblich berücksichtigt werden. Wir werden insbesondere auf eine Stärkung des Zusammenhalts der EU und der Wirksamkeit ihres auswärtigen Handelns hinarbeiten. Wir werden uns eng zu den Themen Erweiterung und Reformen abstimmen und Formate auf fachlicher Ebene innerhalb des Weimarer Dreiecks ausloten, auch mit Blick auf die anstehende polnische Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union.

Wir sehen einer schnellstmöglichen Vorstellung des Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zu Reformen in der Ukraine vor Beginn der Beitrittsverhandlungen erwartungsvoll entgegen. Wir werden zusammenarbeiten, um die Ukraine beim Aufbau von Kenntnissen in Bezug auf die zentralen Bereiche des EU-Besitzstands zu unterstützen, und wir werden konkrete Projekte für die Ukraine im Verlauf des EU-Beitrittsprozesses erarbeiten. Es ist ferner unser starker Wunsch zusammenzuarbeiten, um in die Zukunft der Ukraine zu investieren, unter anderem durch mögliche gemeinsame Projekte zum Wiederaufbau des Landes. Wir werden all unsere Kräfte aufbieten, um die 3. Wiederaufbaukonferenz am 12. und 13. Juni in Berlin zu einem Erfolg zu machen.

Um den EU-Beitrittsprozess von Moldau und der Ukraine zu unterstützen, werden wir trilaterale Initiativen verstärken, die eine Zusammenarbeit von demokratischen nichtstaatlichen Akteuren aus Deutschland, Frankreich und Polen mit Moldau und der Ukraine fördern. Wir werden den Weg der sechs Westbalkanstaaten hin zur EU weiterhin unterstützen, auch durch den Berliner Prozess.

3. Solidarität zwischen unseren Völkern

Wir bringen unseren Willen zum Ausdruck, eine engere Zusammenarbeit im Weimarer Dreieck aufzubauen, wobei besonderes Augenmerk auf eine Vertiefung der Solidarität und Verständigung zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext, mit Schwerpunkt auf junge Menschen gerichtet wird. Je besser unsere Bürgerinnen und Bürger einander verstehen, desto stärker wird der europäische Zusammenhalt.

Wir werden regelmäßig diplomatische Beratungen im Weimarer Format abhalten, die gemeinsame Diplomatenausbildung fördern und eine Reihe von Veranstaltungen zum Austausch im Bereich politische Planung unter Beteiligung unabhängiger Fachleute abhalten.

Wir werden einen Fahrplan erarbeiten, der unter anderem folgende Initiativen umfasst:

  • „Weimar der Bürgerinnen und Bürger“: Förderung der Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament sowie der trilateralen Zusammenarbeit zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere in den Grenzregionen durch Bürgerversammlungen im Weimarer Format;
  • „Weimar der Jugend“: Förderung eines starken Weimar-Reflexes innerhalb des Deutsch-Französischen sowie des Deutsch-Polnischen Jugendwerks und Verstärkung trilateraler Projekte, beginnend mit einem Projekt, das junge Menschen für eine Debatte zur Zukunft der Zusammenarbeit im Weimarer Format zusammenbringt;
  • „Weimar der Exzellenz“: Schaffung eines entscheidenden Impulses für die akademische Zusammenarbeit durch die Finanzierung gemeinsamer Sommer-Exzellenz-Programme zwischen europäischen Hochschulallianzen, an denen unsere drei Länder beteiligt sind;
  • „Weimar der Kultur“: Unterstützung für im Exil lebende Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine sowie aus Belarus und Russland durch entsprechende Programme.

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