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Rede der Außenministerin Baerbock bei der Eröffnungssitzung der 4. Konferenz der Moldau-Unterstützungsplattform

17.10.2023 - Rede

Mein erster Besuch in der Republik Moldau als Außenministerin fand nur zwei Wochen nach dem Beginn von Russlands großangelegter Invasion der Ukraine statt.

Nach meinem Treffen mit dir, Nicu, in Chisinau fuhr ich nach Palanca an den Grenzübergang zwischen der Republik Moldau und der Ukraine. Es war noch sehr kalt. Tausende Ukrainerinnen und Ukrainer, die meisten von ihnen Mütter mit Kindern, überquerten die Grenze in ihren Autos mit ihrem Hab und Gut, mit Spielsachen und Winterkleidung.

Einige kamen nicht im Auto, sondern zu Fuß, mit nur einer einzigen kleinen Tasche. Wir besuchten ein nahegelegenes Flüchtlingslager, und ich konnte kaum glauben, was ich dort sah. Denn in nur acht Stunden, so sagte man mir, hatte Ihre Regierung, Ihr Land, direkt an der Grenze ein Flüchtlingslager errichtet. Mit funktionierender Internetverbindung in den Zelten. Als ich zur Essensausgabe ging, bot mir jemand Suppe an. Ich fragte, so wie man eben als Außenministerin Fragen stellt: „Sie sind also Koch, woher kommen Sie?“ Ich dachte, es handele sich um jemanden von einer NGO oder einer wohltätigen Organisation. Aber die Person, die mir die Suppe reichte, antwortete: „Nein, normalerweise arbeite ich im Innenministerium.“

Ich glaube, das sagt alles: Als Ihre Partner und Freunde, als die Ukrainerinnen und Ukrainer Hilfe brauchten, waren alle in Ihrem Land zur Stelle, auch aus den Ministerien, um zum Beispiel in Flüchtlingslagern auszuhelfen.

Ich erzähle Ihnen das, weil die Hilfsbereitschaft der Moldauerinnen und Moldauer überwältigend war. Und das in einer Lage, in der Moldau selbst mit der Gefahr einer Destabilisierung oder möglicherweise gar einer Invasion konfrontiert war.

Sie haben den Ukrainerinnen und Ukrainern Zuflucht und Sicherheit geboten; Sie haben ihnen Ihre Wohnungen, Ihre Herzen, Ihre Schulen geöffnet.

Die Republik Moldau steht bei der Verteidigung von Freiheit und Demokratie mit an vorderster Front. Daher war es mir und meinen Kolleginnen und Kollegen, Catherine, aber auch vielen anderen Außenministerinnen und Außenministern so wichtig, heute hier persönlich anwesend zu sein, ganz besonders jetzt, da der Krisendiplomatie nach dem brutalen Terroranschlag der Hamas gegen Israel eine so überaus große Rolle zukommt.

Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir fest an der Seite der Republik Moldau und der Ukraine stehen.

Als Russland die Ukraine angriff, wusste die Republik Moldau bereits, wozu Russland in der Lage ist: Energie als Waffe einzusetzen, Desinformation zu verbreiten und Nachbarländer zu destabilisieren.

Uns allen war damals bewusst, dass die Schockwellen von Russlands Angriff auf die Ukraine die Stabilität und Sicherheit der Republik Moldau gefährden könnten. Unsere gemeinsame Antwort darauf war die Unterstützungsplattform für die Republik Moldau, die genau 40 Tage nach Beginn des russischen Kriegs auf einer Tagung in Berlin im April des letzten Jahres ins Leben gerufen wurde. Gemeinsam wollten wir eine Brücke der Solidarität von den europäischen Partnern hin zur Republik Moldau bauen.

Heute ist Tag 601 von Russlands großangelegter Invasion. Russland setzt seine niederträchtige Aggression fort. Die gute Nachricht inmitten dieser furchtbaren Realität ist: Die Republik Moldau hat bisher mit der Hilfe ihrer Freunde dem Sturm standgehalten.

Diese Plattform ist, wie aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen bereits deutlich gemacht wurde, ein Erfolg. Unser Fonds zur Minderung der Anfälligkeit im Energiebereich hat geholfen, die Last der sprunghaft gestiegenen Gaspreise für die Moldauerinnen und Moldauer abzufedern. Die Plattform hat dazu beigetragen, Flüchtlinge und moldauische Familien unterzubringen, zu schützen und zu unterstützen. Und seitdem wir Außenministerinnen und Außenminister dieses Format vor eineinhalb Jahren geschaffen haben, haben sich viele unserer Kolleginnen und Kollegen anderer Ressorts diesen Bemühungen angeschlossen. Erst vor wenigen Tagen war der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft aus Deutschland hier, um über unsere Partnerschaft in der Landwirtschaft zu sprechen.

Und die Liste ist noch viel länger.

Die Republik Moldau ist auf einem guten Weg – vor allem dank Ihrer Widerstandsfähigkeit, Entschlossenheit und Kreativität: zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Innenministeriums, die Süßigkeiten verteilten.

Letztes Jahr erreichte die Inflation in der Republik Moldau ein Rekordhoch von 30 %. Heute liegt sie deutlich unter 10 %.

Letztes Jahr war Ihr Land mit einer massiven, von Russland gesteuerten Desinformationskampagne konfrontiert, die gegen Ihre Regierung gerichtet war. Heute arbeiten wir gemeinsam daran, Desinformation und hybride Bedrohungen mithilfe des moldauischen Desinformationszentrums und der Partnerschaftsmission der EU zu bekämpfen.

Und ich muss es noch einmal betonen: Der Erfolg ist so groß, weil Ihre Regierung sich so engagiert. Und ich möchte hinzufügen: Gerade auch deshalb, weil Ihre Präsidentin Maia Sandu sich bei all diesen Bemühungen so engagiert.

Sie setzen Ihren demokratischen Reformkurs fort. Ihr Land hat den Kandidatenstatus für den Beitritt zur Europäischen Union. Mit gutem Grund vertrauen Sie darauf, dass diese Reise in die EU weitergehen wird. Ich bin beeindruckt von der bisher geleisteten Arbeit. Bitte behalten Sie diese Dynamik bei und setzen Sie Ihre Bemühungen fort, etwa im Kampf gegen Korruption.

Der Beitritt der Republik Moldau zur Europäischen Union ist eine geopolitische Aufgabe. Aber der Prozess, der dort hinführt, basiert auf Leistungen. Deshalb unterstützen wir die Reformbemühungen weiterhin. Wir unterstützen Sie auch finanziell, wie meine geschätzte Freundin und Kollegin Catherine bereits betont hat. Deutschland arbeitet nicht nur an der Seite Frankreichs mit Ihnen im Energiesektor zusammen, sondern wir setzen unsere Unterstützung für die Republik Moldau auch 2024 fort, mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 95 Millionen Euro.

Ich freue mich, dass unsere vierte Konferenz, lieber Nicu, heute in Chisinau stattfindet. Das zeigt, dass die Republik Moldau sich diese Plattform zu eigen macht.

Da der Bedarf an Nothilfe abnimmt, stehen wir nun vor der Frage, wie wir zu einer eher langfristigen und strategischen Form der Zusammenarbeit übergehen können.

Darüber haben wir heute Vormittag gesprochen. Wir schlagen vor, unsere gemeinsame Unterstützungsplattform in eine dauerhafte Partnerschaftsplattform für die Republik Moldau umzuwandeln. Unsere Ministerkonferenz könnte jährlich stattfinden, und die Arbeit der Partnerschaftsplattform könnte von unseren hochrangigen Beamtinnen und Beamten gelenkt werden. Mit Blick auf die wichtige Arbeit der Arbeitsgruppen denken wir heute außerdem darüber nach, wie diese umstrukturiert und auf Ihren Bedarf auf dem Weg in die Europäische Union ausgerichtet werden können.

Eines weiß ich: Die Brücke der Solidarität, die wir gemeinsam im letzten Jahr gebaut haben, ist heute stärker und robuster denn je. Und das wird auch künftig so sein.

Denn sie führt in unsere gemeinsame europäische Zukunft.

Vielen Dank.

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