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Grußwort von Außenministerin Annalena Baerbock bei den Feierlichkeiten zum Afrikatag 2023 ausgerichtet von der Gruppe der in Berlin akkreditierten afrikanischen Botschafterinnen und Botschafter in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt
Let us all unite and celebrate together!
So der Titel der Hymne der Afrikanischen Union, die Sie zu Beginn der heutigen Feierlichkeiten gespielt haben. Und ich muss sagen, verehrte Botschafterinnen und Botschafter, Sie nehmen Ihre Hymne ganz wörtlich.
Dass ich diesen Afrikatag heute gemeinsam mit Ihnen ausrichten kann, ist eine ungeheure Ehre. Vielen Dank für diese schöne Geste.
Und ich muss sagen, es ist wirklich nett, zu einer Feier im eigenen Gästehaus eingeladen zu werden!
Es gibt einen weiteren Grund, warum dies hier ein ausgezeichneter Ort ist, um den Afrikatag zu begehen: Direkt nebenan liegt die Akademie Auswärtiger Dienst, an der wir all unsere künftigen Diplomatinnen und Diplomaten ausbilden.
Ich finde den Gedanken großartig, dass viele dieser jungen Kolleginnen und Kollegen, die ihre diplomatische Karriere genau hier an diesem wunderschönen Ort beginnen, irgendwann in ihrer Laufbahn in Ihrer Heimat Dienst tun werden – in Ländern auf dem afrikanischen Kontinent.
In Afrika befinden sich mehr als ein Viertel unserer Botschaften weltweit: 43 an der Zahl.
Und wir bauen unsere Präsenz weiter aus. In diesem Monat haben wir eine neue Botschaft im gambischen Banjul eröffnet.
Was ich selbst noch besser finde: Fragt man unseren diplomatischen Nachwuchs hier an der Akademie nach ihrem ersten Wunschposten, so ist die Antwort durchaus nicht immer New York oder Paris.
Wir hören immer wieder:
„Ich möchte nach Nairobi, nach Addis, nach Windhuk.“
Nun bin ich leider keine 25-jährige Nachwuchsdiplomatin. Aber ich muss zugeben, ich kann total verstehen, was die jungen Menschen dorthin zieht.
Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass wir, wenn wir über wichtige Herausforderungen auf der Welt, die Klimakrise und andere, sprechen, leider oft Krisenherde in Afrika vor Augen haben – in Ländern, die kaum etwas zur Klimakrise beigetragen haben, aber ihren härtesten Folgen ausgesetzt sind. Klar ist aber auch, dass die meisten Lösungen in Afrika zu finden sind, nicht nur aufgrund der Frauenpower, sondern auch dank der jungen Generation auf dem Kontinent.
In den vergangenen Monaten hatte ich das Privileg, Afrika und mehrere seiner Länder zu bereisen: den Sahel, Nigeria und das Herz der Afrikanischen Union, Addis Abeba in Äthiopien.
Auf diesen Reisen ist mir unsere klare Priorität, unsere Verbindungen zu Ihnen, unseren Partnern auf dem afrikanischen Kontinent, zu stärken, immer wieder deutlich vor Augen getreten.
Wir streben Partnerschaften an, die beiden Seiten zum Vorteil gereichen. Partnerschaften, die es uns ermöglichen, auf den Kenntnissen des jeweils anderen aufzubauen und aus unseren unterschiedlichen Erfahrungen zu lernen.
Aber – und das ist mir wichtig und wurde in der Vergangenheit vielleicht nicht ernst genug genommen – wir müssen auch aus unseren Differenzen lernen. Einheit ist nicht, wenn wir alle gleich sind. Das hat unsere Erfahrung in Europa gezeigt. Einheit in Vielfalt. Das ist tatsächlich unsere größte Stärke.
Ich glaube, wir werden alle zusammen auf unserem gemeinsamen Planeten nur bestehen können, wenn wir bereit sind, auch die Wunden der Vergangenheit offen anzusprechen: unsere europäische Kolonialgeschichte, die Ihrem Kontinent so viel Schmerz und Leid zugefügt hat.
Deswegen bin ich sehr dankbar für die offenen Gespräche, die viele von Ihnen mit uns geführt haben, sowohl hier als auch in Ihren Hauptstädten: zu Fragen der Restitution, zu Rechten, zu Verantwortlichkeiten.
Nur wenn wir zuhören, nur wenn wir über die Sichtweise unseres Gegenübers nachdenken, können wir uns vorwärts bewegen und uns den Herausforderungen, vor denen wir gemeinsam stehen, widmen – hier und jetzt.
Das gilt auf jeden Fall für unsere Reaktion auf Krieg und Konflikte.
Es gilt auch für Bedrohungen unserer Demokratien wie die gefährliche Verbreitung von Desinformation und Fake News.
Und es gilt selbstverständlich auch für die größte sicherheitspolitische Herausforderung unserer Zeit: die Klimakrise, die Afrika mit unbarmherziger Wucht trifft und dem Kontinent Dürren, Überschwemmungen, Hunger und Leid bringt.
Wie Sie wissen, legen wir im Auswärtigen Amt jetzt auch einen Schwerpunkt auf die Klimaaußenpolitik.
Bei meinen ersten Besuchen stand insbesondere in afrikanischen Ländern Klimasicherheit stets ganz oben auf der Tagesordnung. Denn schließlich war Ihnen, die Sie leider bereits mit den Folgen zu kämpfen haben, deren Bedeutung früher als uns bewusst. Die Klimakrise ist die größte Bedrohung unserer Sicherheit. Aber ich habe auch gesehen – und das ist für mich das eigentlich Wichtige – dass in Afrika ein enormer Ehrgeiz besteht, zu Lösungen zu gelangen, auf grüne Energie umzusteigen.
Vor wenigen Wochen war der kenianische Präsident William Ruto hier in Berlin. Er berichtete, dass Kenia bereits rund 90 % seiner gesamten Energie aus erneuerbaren Energiequellen gewinnt. Ziel sind 100 % bis 2030. Das ist mehr als beeindruckend. Das ist im Grunde der Gradmesser für uns in Europa. Ich denke also, dass eine Kooperation auf diesem Gebiet nicht nur enorme Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit birgt, sondern auch Antworten auf Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung gibt, nicht nur in Afrika, sondern auch in Europa.
Bei diesem wichtigen Thema wie auch in vielen anderen Bereichen unserer Zusammenarbeit wollen wir herausfinden, wo Ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen liegen und wie wir gemeinsam weiter voranschreiten können.
Hier denke ich an unsere bilateralen Beziehungen.
Aber auch an unsere Partnerschaft mit der Organisation, die wir heute feiern: die Afrikanische Union.
Heute vor 60 Jahren kamen 32 Staats- und Regierungschefs in Addis Abeba zusammen, um eine Organisation für die Vereinigung des afrikanischen Kontinents zu gründen und seine Dekolonisierung zu beschleunigen.
Im Herzen der Afrikanischen Union steht die Vision eng verbundener Gesellschaften, die eine gemeinsame Identität eint und die von dem Wunsch nach Frieden, Wohlstand und Grundfreiheiten geleitet werden.
Das ist eine Vision, mit der wir in Deutschland und Europa uns sehr gut identifizieren können. Genau deswegen wurde die Europäische Union gegründet.
Deutschland und Europa sind stolz darauf, zu den ältesten und engsten Partnern der AU und ihrer Erfolgsgeschichte zu gehören. Und ich bin sehr glücklich, dass heute so viele Botschafterinnen und Botschafter der EU-Mitgliedstaaten hier bei uns sind. Ihnen allen ein herzliches Willkommen!
Lassen Sie mich zwei Gründe nennen, warum ich so zuversichtlich bin, dass sich diese Erfolgsgeschichte fortsetzen wird.
Erstens: Fortschritt braucht Visionen. Wir befinden uns im Jahr 10 der Agenda 2063, und die Afrikanische Union zeigt als Visionärin keinerlei Ermüdungserscheinungen.
Nehmen Sie nur eines der Leuchtturmprogramme der Agenda, das auch in der heutigen Podiumsdiskussion zur Sprache kam – die panafrikanische Freihandelszone.
Ein afrikanischer Binnenmarkt birgt das Potenzial, den Handel zwischen afrikanischen Staaten innerhalb von Jahrzehnten zu verdoppeln und einen der größten integrierten Märkte auf dem Planeten zu schaffen. Eine Freihandelszone, die hoffentlich eines Tages direkt an den europäischen Binnenmarkt angebunden sein wird.
Deswegen ist Deutschland der größte bilaterale Unterstützer dieses Unterfangens.
Zweitens: Es ist klar, dass Afrika auf dieser Welt eine Schlüsselrolle spielen muss.
Afrika ist der am schnellsten wachsende Kontinent unseres Planeten und wird 2050 ein Viertel der Weltbevölkerung beherbergen. Afrika ist jung und dynamisch. Es ist weiblich. Es wird ein Schlüsselfaktor der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Zukunft sein.
Gleichzeitig ist das Potenzial Afrikas enorm, wenn es um erneuerbare Energien und eine nachhaltige Umgestaltung der Weltwirtschaft geht.
Afrika fordert daher eine größere Rolle in internationalen Foren. Und das völlig zu recht.
Deswegen unterstützen wir die AU in ihrem Wunsch, der G20 beizutreten.
Deswegen unterstützen wir afrikanische Bestrebungen um ständige Sitze im VN-Sicherheitsrat.
Und deswegen werden wir uns auch weiter intensiv dafür einsetzen, dass der Anteil von Afrikanerinnen und Afrikanern an der Spitze internationaler Organisationen zunimmt.
Meine Damen und Herren,
sehr geehrte Botschafterinnen und Botschafter,
die heutige Feierlichkeit hier an diesem wunderschönen Ort ist wahrscheinlich eine der größten je hier abgehaltenen.
Nutzen wir also die Gelegenheit und tun, was Ihre Hymne uns rät:
Let us all unite and celebrate together!
Alles Gute zum Afrikatag!