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Rede von Außenministerin Annalena Baerbock in der Bundestagsdebatte über den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Sudan

26.04.2023 - Rede

Die Gewalt im Sudan droht ein ganzes Land, das eigentlich auf einem Transitionspfad war, erneut in grausames Chaos zu stürzen. Zwei schwerbewaffnete Lager liefern sich einen blutigen Machtkampf. Mehr als 400 Frauen, Männer und Kinder wurden getötet, Tausende verletzt. Und inmitten dieser Gewalt saßen viele unserer Landsleute fest. Einige habe ich gerade getroffen, Kolleginnen und Kollegen, die für die Deutsche Botschaft dort gearbeitet haben und mir geschildert haben, was es hieß, dort in den letzten 10 Tagen zu sein: tagelang in ihrer Wohnung zu sitzen, teils mit kleinen Kindern, während draußen die Schüsse fielen, Explosionen zu hören waren, wo es zwischenzeitlich immer wieder keinen Strom gab, deswegen auch keine Telefonverbindung, wo sich Wasser und Essen dem Ende geneigt haben, dann, in den Stunden vor der Evakuierung, bei über 40 Grad auf dem Rollfeld, einige davor, bis sie sich endlich in Sicherheit bringen konnten.

Wir sind daher als Bundesregierung dankbar, dass wir diese Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Amtes, aber genauso des BND, der GIZ, der Bundespolizei mit insgesamt mehr als 700 Menschen aus der ganzen Welt in Sicherheit bringen konnten.

Das war wirklich großes Teamwork. Ich möchte mich gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium - der Herr Verteidigungsminister spricht ja auch gleich noch - herzlich bei der Bundeswehr, bei der Bundespolizei, beim Auswärtigen Amt bedanken, bei den Kolleginnen und Kollegen, die Tag und Nacht im Einsatz waren, um Menschen zu retten. Herzlichen Dank!

Gemeinsam haben Sie alle gezeigt, wie effektiv und schnell wir handeln können, wenn es darauf ankommt und wenn wir Hand in Hand arbeiten. Das war ein gefährlicher Einsatz, und es war ein Kraftakt, ihn in so kurzer Zeit auf die Beine zu stellen. Denn wir mussten schnell und entschieden handeln, als sich durch eine Feuerpause am Wochenende ein schmales Fenster für den Einsatz bot.

Wir haben ja heute Morgen gemeinsam im Auswärtigen Ausschuss - der Kollege im Verteidigungsausschuss - mit vielen von Ihnen darüber diskutiert, wie wir das Parlament in solchen Momenten bestmöglich beteiligen können. Das liegt uns beiden als Ministerin und Minister wirklich sehr am Herzen. Und ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen für die Nachfragen, für die Anregungen zur Verbesserung. Ich glaube, wichtig ist, dass wir uns vergegenwärtigen, dass wir in solchen Momenten vorher nicht wissen können: Was ist die richtige Antwort? - Zum Glück hat sich uns ein Fenster geboten, in dem wir alle Menschen in Sicherheit bringen konnten, ohne dass jemand dabei zu Schaden gekommen ist.

Bedauerlicherweise war das nicht für alle internationalen Mitarbeitenden so: Drei Mitarbeitende des World Food Programme sind ums Leben gekommen, auch andere Staatsangehörige. Und deswegen war es für uns wichtig, unterschiedliche Optionen abzuwägen und dann, als sich die Feuerpause ankündigte, von der wir vorher nicht wussten, wann genau das sein würde, eine Entscheidung zu treffen. Ich bin dankbar, dass viele nach der Aussprache deutlich gemacht haben und das hoffentlich auch gleich mit unterstützen, dass es richtig und wichtig war, auf das zurückzugreifen, was uns das Bundesverfassungsgericht auch in der Vergangenheit in solchen Fällen mit auf den Weg gegeben hat: dass Einsätze bewaffneter Streitkräfte bei Gefahr in Verzug und zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen keiner vorherigen Zustimmung des Bundestages bedürfen, vielmehr die Zustimmung per Antrag unverzüglich nachzuholen ist. Das tun wir hiermit heute. Ich bitte um breite Unterstützung.

Ich möchte diesen Moment aber auch nutzen, um noch einmal aufrichtig unseren internationalen Partnern zu danken. Dieser Einsatz wäre so nicht möglich gewesen, wenn wir uns nicht auf unsere Partner hätten verlassen können - und sie sich zum Glück auch auf uns. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Frankreich, den USA, Großbritannien, aber auch Jordanien, von wo aus wir ja geflogen sind, war für diese Rettungsflüge unabdingbar.

Und es war für uns entscheidend - auch dazu gab es einige Nachfragen -, dass wir nicht unbedingt die ersten bei der Evakuierung sein mussten, sondern dass wir uns so abstimmen, dass jeder seine Stärken für den gemeinsamen Einsatz einbringen konnte. Uns war wichtig, dass wir uns so vorbereiten, dass wir in voller Solidarität mit unseren Partnern, EU-Partnern, aber auch internationalen Partnern, auch Angehörige anderer Nationen mitnehmen konnten. Wir haben so über 190 Deutsche in Sicherheit bringen können, aber auch Menschen aus mehr als 40 weiteren Ländern: 180 Menschen aus der EU, über 130 Menschen aus Ländern der Afrikanischen Union, darüber hinaus Ukrainer, Australier, Kanadier und Menschen aus vielen weiteren Ländern. Das war eine europäische, eine internationale Operation, bei der jeder seine Stärken eingebracht hat. Das ist gelebte Solidarität in einer Krise.

Wir haben den Mandatszeitraum so gewählt, dass wir auch in den nächsten Tagen und Wochen weiter handlungsfähig sind, wenn weitere Menschen unsere Hilfe brauchen.

Ich möchte an dieser Stelle aber auch deutlich machen: Wir schauen nicht weg. Wir schauen weiter hin, auch wenn das Thema aus den Medien jetzt schon langsam verschwindet; denn die Menschen im Sudan brauchen weiter unsere Hilfe. Die Waffen müssen dauerhaft schweigen.

Wir brauchen humanitäre Zugänge. Und deswegen appelliere ich in diesem Moment, in dem wir etwas aufatmen können, an die Konfliktparteien: Wenn Ihnen die Menschen in Ihrem Land am Herzen liegen, dann beenden Sie das Sterben! Beenden Sie das Leid!

In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu diesem Mandat.

Herzlichen Dank.

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