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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 12.08.2022

15.08.2022 - Artikel

Verweigerung von Überflugrechten für MINUSMA durch die malische Regierung

COLLATZ (BMVg): Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir aus Mali erneut frustrierende Nachrichten erhalten haben. Erst gestern hatte Frau Lambrecht vom amtierenden Verteidigungsminister Camara in einem Telefongespräch die Zusicherung erhalten, dass es nunmehr keine weiteren Auflagen, die nicht abgesprochen sind, Überflugverbote und Ähnliches geben solle. Jetzt hat die malische Regierung erneut Überflugrechte für einen für heute geplanten Flug eines zivilen Vertragspartner verweigert. Dieser Flug sollte dem Personalwechsel dienen. Die Ministerin hat sich dazu eben geäußert. In diesen Minuten geht auch eine Obleuteunterrichtung des Einsatzführungskommandos hinaus.

Ich kann kurz die Äußerung der Ministerin zitieren: Erneut haben die malischen Machthaber der MINUSMA Überflugrechte verweigert. Die Taten Camaras sprechen eine andere Sprache als seine Worte. Daher müssen wir Maßnahmen ergreifen und stellen die Operation unserer Aufklärungskräfte und die Transportflüge mit CH-53 bis auf Weiteres ein.

Hintergrund ist, dass es sich bei dem Flug um einen Austauschflug von Personal gehandelt hat. Etwa 140 Frauen und Männer, die heute für den Flug geplant waren, konnten wir nicht nach Mali verlegen. Weitere ca. 110 Personen konnten nicht aus Mali herausverlegt werden. Insbesondere waren für diesen Flug auch Sicherungskräfte vorgesehen, die die jetzt langsam abfließenden französischen Kräfte ersetzen sollten. Damit ist ohne eine Neuaufstellung die Sicherheit vor Ort nicht mehr gewährleistet. Wir mussten die Kräfte, die vor Ort sind, für Sicherungsaufgaben bereithalten. Damit ist es nicht mehr möglich, MINUSMA in den operativen Aufklärungsmissionen zu unterstützen.

Wir werden Sie darüber auf dem Laufenden halten, wie es mit dem Personal vor Ort weitergeht. Die Flugplanungen laufen natürlich. Ich kann Ihnen dazu aber im Moment noch keine Details nennen. Vor allen Dingen muss ich hier auch deutlich machen, dass wir mit Sorge auf die Entwicklung schauen, wenn die Unsicherheiten bezüglich des Verhaltens der malischen Regierung immer größer werden.

FRAGE: Herr Collatz, können Sie bitte sagen, ab wann das gilt und ob die Soldaten abgezogen werden oder ob sie einfach im Feldlager in Gao verbleiben und nichts mehr tun? Wie läuft das praktisch?

Frau Sasse, wie kommentiert das Auswärtige Amt die vorläufige Einstellung? Denn Anfang der Woche war noch ein Spitzendiplomat von Ihnen, Herr Buck, in Mali und hat ebenfalls andere Signale bekommen. Hoffen Sie auf eine Lösung dieses Falls?

COLLATZ: Die Maßnahmen beginnen ab jetzt. Der Kontingentführer vor Ort hat das dem internationalen MINUSMA-Kontingentführer bereits angezeigt. Begründet ist das in der Tatsache, dass die Sicherungskräfte, die in Mali jetzt gebraucht werden, nicht aus Deutschland nach Mali gelangen können. Daher müssen wir für Sicherungsaufgaben auf das Personal vor Ort zurückgreifen, und dieses steht dann nicht mehr für operative Aufgaben im Rahmen von MINUSMA zur Verfügung.

ZUSATZFRAGE: Bedeutet das, dass das vorhandene Personal noch Sicherungstätigkeit ausübt? Die Frage, ob die Leute jetzt nach Deutschland zurückgeholt werden oder ob sie einfach im Feldlager sitzen und nichts mehr machen können, haben Sie ja nicht beantwortet.

COLLATZ: Da im Moment keine Austausche stattfinden, bleibt das Personal natürlich vor Ort und wird jetzt sofern erforderlich nach und nach mit neuen Aufgaben versehen, um die Sicherheit des Kontingents vor Ort gewährleisten zu können.

HEBESTREIT (BReg): Vielleicht darf ich an einer Stelle ergänzen, weil es natürlich auch um die Zukunft des deutschen Engagements in Mali geht. Dazu steht die Bundesregierung in engem Austausch mit unseren internationalen Partnern, aber auch mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Deutschland ist weiterhin dazu bereit, sich an der UN-Friedensmission in Mali zu beteiligen. Ein solcher Einsatz ist aber nur dann sinnvoll, wenn er auch von der dortigen Regierung unterstützt wird.

ZUSATZFRAGE: Frau Sasse?

SASSE (AA): Ich kann dem an dieser Stelle nur wenig hinzufügen. Denn Herr Collatz und Herr Hebestreit haben das schon sehr richtig dargestellt. Auch die Außenministerin hat vergangene Woche beispielsweise anlässlich einer Pressekonferenz in Montréal sehr deutlich gemacht, wie sie die Lage sieht, dass der Schutz der Soldatinnen und Soldaten auch für Sie selbstverständlich oberste Priorität hat und dass wir den Dialog mit der malischen Regierung vor genau diesem Hintergrund führen. Denn Sie wissen, dass Rotation und Überflugrechte natürlich sehr zentral gerade für diese Aspekte, Schutz und Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten, sind.

Sie haben angesprochen, dass einer unserer Kollegen diese Woche in Mali war und Gespräche mit der malischen Regierung geführt hat. Auch dabei gab es gewisse Zusicherungen, die so nicht eingehalten wurden, wie wir heute feststellen mussten. Wir als Bundesregierung besprechen jetzt, wie man darauf angemessen reagiert.

FRAGE: Herr Collatz, dieses Hin und Her erleben wir nun schon seit Wochen, um nicht zu sagen: seit Monaten. Ministerin Lambrecht hat immer gesagt: Wenn wir dort nicht gewollt sind, dann ist es Zeit für den Abzug.

Gibt es mit dem Vorfall von heute einen Trend, einen Spin in den Diskussionen in Richtung eines Abzugs?

COLLATZ: Es wäre sicherlich verfrüht, so konkret darüber zu reden. Die Signale, die wir aufnehmen, sind aber relativ eindeutig. Wir beraten uns und stimmen uns natürlich auch mit unseren Partnern ab. Das wäre nicht nur eine deutsche Entscheidung, sondern wir sind wie immer, wenn wir militärisch unterwegs sind, in eine große partnerschaftliche Organisation eingebunden. Das muss abgestimmt werden.

SASSE: Wir führen dazu selbstverständlich auch Gespräche mit den Vereinten Nationen. Vergangene Woche haben wir den Generalsekretär persönlich in New York gesprochen. Die Gespräche dauern an.

FRAGE: Eine Frage an Sie beide: Welche Erkenntnisse haben Sie, welche Rolle Russland in dem Zusammenhang spielt und wie groß der Einfluss auf die malische Regierung ist?

COLLATZ: Konkret zu der Untersagung des heutigen Fluges habe ich keine Erkenntnisse.

SASSE: Ich habe zu dem konkreten Anlass und zu russischen Einflüssen auch nichts beizutragen.

ZUSATZFRAGE: Und generell?

SASSE: Ich glaube, darum braucht man nicht herumzureden. Das haben wir an dieser Stelle immer wieder deutlich gemacht. Wir beobachten den russischen Einfluss in Mali mit Sorge. Die malische Regierung hat gerade in dieser Woche noch einmal deutlich gemacht, worin dieser Einfluss ganz konkret besteht, auch materiell. Wir nehmen das natürlich mit der malischen Regierung auf. Wir haben das in den Gesprächen thematisiert, die die Außenministerin auf ihrer Reise in Mali persönlich mit dem Übergangspräsidenten und verschiedenen anderen Regierungsmitgliedern geführt hat. Wir sehen das zweifellos mit großer Sorge.

COLLATZ: Ich kann ergänzen, dass die große Sorge, die natürlich auch Ministerin Lambrecht hat, wenn wir eine zunehmende russische Präsenz Russlands vor Ort sehen, Gesprächsgegenstand des gestrigen Telefonats war. Das geht alles nicht gut zusammen.

FRAGE: Sind angesichts all dessen, was Sie gerade aufgezählt haben, die deutschen Soldaten aktuell noch in Mali gewollt? Das war ja die Frage meines Vorredners.

COLLATZ: Das ist die große Frage, die wir Russland stellen. Die Analysen dazu laufen, auch Planungen und Gespräche laufen. Frau Sasse hat das ja eben noch einmal ganz deutlich gemacht.

FRAGE: Frau Sasse, weil das nicht jeder weiß, die Frage: Sie sagten eben, es sei deutlich geworden, mit welchem Material und wie die Russen im Einsatz sind. Könnten Sie das noch einmal erläutern?

SASSE: Ich kann darauf verweisen, vielleicht möchte Herr Collatz ergänzen, dass die malische Luftwaffe selber diese Woche vier neu erworbene Kampfflugzeuge und einen Kampfhubschrauber vorgestellt hat. Das ist ein Teil der Erkenntnisse, die wir dazu haben.

COLLATZ: Das war ja auf Twitter gut wahrzunehmen.

FRAGE: Herr Collatz, können Sie etwas zur Belastung sagen, die das für das Personal bedeutet, das nicht ausgetauscht werden kann?

COLLATZ: Sie können sich vorstellen, dass die Soldatinnen und Soldaten vor Ort nach vier bis sechs oder gar mehr Monaten darauf drängen, ihre Familien und Freunde wiederzusehen und in die Heimat zurückzukommen. Das ist natürlich auch mental eine Belastung. Jeder Soldat, jede Soldatin, der bzw. die in den Einsatz geht, weiß, dass es immer einmal wieder zu Verzögerungen kommen kann. Da ist man auch mental aufgestellt. Aber angesichts des Hin und Her würde ich aus eigener Erfahrung schon von einer deutlich erhöhten Belastung sprechen.

FRAGE: Könnten Sie erklären, wie die Situation in Bezug auf die Mission MINUSMA ist, wenn die Deutschen keine Aufklärungsmission mehr durchführen können?

COLLATZ: Diese Frage müssten Sie im Detail natürlich MINUSMA stellen. Es ist jetzt an MINUSMA, zu schauen, ob es für diese Aufgabe Ersatzmöglichkeiten gibt. Das kann ich von hier aus nicht beurteilen. Für uns steht die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten und des Umfelds der Stationierungsorte im Vordergrund. Das hat Vorrang. Nur wenn das sichergestellt ist, können wir unsere Aufgaben, die wir mit MINUSMA vereinbart haben, wahrnehmen.

FRAGE: Herr Collatz, Frau Sasse, Sie haben in dieser Woche beide sehr hochrangig gewisse Zusagen von der malischen Regierung bekommen, was das weitere Verhalten angeht. Sie haben Zusicherungen bekommen, dass das deutsche Kontingent dort sehr wohl erwünscht sei. Wie bewerten Sie es, wenn diese Zusagen nicht eingehalten werden? Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

COLLATZ: Ich kann hier nur auf die eben zitierten Worte von Frau Lambrecht verweisen, die auf die Diskrepanz zwischen Taten und Worten hinweist. Über Konsequenzen haben wir eben auch gesprochen.

SASSE: Ich glaube, wir haben an dieser Stelle und auch bei verschiedenen anderen Anlässen immer wieder deutlich gemacht, dass wir die malische Übergangsregierung als schwierigen Partner wahrnehmen, auch wegen des Hin und Her, das Herr Collatz ausführlich dargestellt hat. Das hat sich natürlich auch durch die Gespräche nicht geändert, die wir in dieser Woche geführt haben.

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