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„Der Zustand des multilateralen regelbasierten Systems“ – Grußwort von Außenminister Heiko Maas anlässlich der finnischen Botschafterkonferenz

24.08.2021 - Rede

Lieber Pekka,
sehr geehrte Botschafterinnen und Botschafter,
liebe Freundinnen und Freunde,

zu Beginn möchte ich etwas tun, was ich noch nie zuvor in einer Rede getan habe: den früheren US-Präsidenten Donald Trump zitieren.

Als 2018 gewaltige Waldbrände in Kalifornien wüteten, verwies Trump auf die Finnen, die angeblich eine Menge Zeit darauf verwendeten, “raking their forests”, also den Waldboden zu harken.

Der Spruch “Rake America great again” wurde daraufhin zu einem beliebten Motto in Finnland.

Ich will gar keine Mutmaßungen anstellen, ob das Harken in Finnland ein gängiges Hobby ist oder nicht, aber eines weiß ich gewiss: Es wird uns nicht dabei helfen, die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels zu bekämpfen.

Das wird nur durch internationale Zusammenarbeit gelingen. Finnland ist ein gutes Beispiel hierfür, ein wahrer Meister des Multilateralismus.

Du, lieber Pekka, hast das bewiesen– zum Beispiel durch Dein Engagement als Sondergesandter der Europäischen Union für Äthiopien. Du hast Dich persönlich in den Dienst der Europäischen Union gestellt. Damit hast Du auch gezeigt, wie die europäische Außenpolitik wirksamer gemacht werden kann. Wie die Souveränität Europas gestärkt und die regelbasierte Ordnung verteidigt werden können.

Unsere beiden Länder sind in dieser Hinsicht „samanmielinen“ – Gleichgesinnte. Wir haben uns einer Außenpolitik verpflichtet, die auf Werte und Menschenrechte basiert. Deshalb begrüßen und unterstützen wir die finnische Kandidatur für den Menschenrechtsrat 2022-2024.

Finnland war von Anfang an ein entschiedener Unterstützer der Allianz für den Multilateralismus, die wir gegründet hatten, als der Multilateralismus in Gefahr war.

Deutschland hat vor Kurzem das Weißbuch Multilateralismus der Bundesregierung mit dem Titel „Gemeinsam für die Menschen“ veröffentlicht. Dessen Leitmotiv ist ein „aktiver Multilateralismus“. Das bezieht sich sowohl auf unser eigenes Engagement als auch darauf, das multilaterale System in die Lage zu versetzen, globalen Herausforderungen effektiver zu begegnen. Von Beginn an hat Ihr Ministerium großes Interesse am gesamten Entstehungsprozess des Weißbuchs gezeigt und sich auch aktiv beteiligt.

Aktive Multilateralisten belassen es jedoch nicht bei Worten – sie handeln. Gemeinsam haben wir das multilaterale System stabilisiert, beispielsweise durch Festhalten an dem Nuklearabkommen mit Iran oder durch unser Engagement für das Pariser Klimaankommen. Und glücklicherweise sind die Dinge in den letzten sechs Monaten, mit den USA zurück an unserer Seite, um einiges einfacher geworden.

Doch meine lieben Freundinnen und Freunde, wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen.

Was in den letzten Wochen in Afghanistan geschehen ist, hat auch dem Multilateralismus einen Schlag versetzt. Nach zwanzig Jahren intensivem internationalen Engagement – der Vereinten Nationen, der NATO und der Europäischen Union – sind die Ergebnisse bitter. Und sie erfordern einen tiefgehenden und ernsthaften Reflexionsprozess.

Denn um glaubhaft zu sein, muss der Multilateralismus auch selbstkritisch sein.

Wenn wir die Fehler der Vergangenheit nicht beheben, werden wir nicht in der Lage sein, zukünftige Versuche zur Untergrabung der internationalen Ordnung abzuwehren.

Russland hat in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass es weder die europäische Friedensarchitektur noch das Völkerrecht achtet. Und China nutzt seine Macht, um Unterstützung für eine Ordnung an Land zu ziehen, die im Widerspruch zu unseren demokratischen Werten steht und Menschenrechte sowie individuelle Freiheitsrechte missachtet.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen muss der Multilateralismus, den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden.

Drei Bereiche werden in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung sein:

  • Erstens die globale Gesundheit: Um die Pandemie zu überwinden, müssen wir einen gerechten Zugang zu Impfstoffen gewährleisten, insbesondere in den Entwicklungsländern. Deutschland ist mit 2,2 Milliarden Euro der zweitgrößte Geber für den ACT-A. Darüber hinaus werden wir, vorrangig über COVAX, bis Ende des Jahres mindestens 30 Millionen Impfdosen spenden. Es geht hier darum, Leben zu retten. Doch es geht auch darum, den Multilateralismus zu retten.
  • Der zweite Bereich ist der Klimaschutz. Überall in Finnland wurden für Juni und Juli Rekordwerte bei den Durchschnittstemperaturen gemeldet. In Deutschland gab es eine verheerende Flutkatastrophe. Die Zeit rennt uns davon, und die Vertragsstaatenkonferenz der VN-Klimarahmenkonvention in Glasgow steht kurz bevor. Als Multilateralisten müssen wir dafür sorgen, dass das Abkommen von Paris etwas bewirkt. Zum Beispiel, indem wir multilaterale Förderinstrumente zur Unterstützung von Entwicklungs- und Schwellenländern entwickeln. Und indem wir Klimadiplomatie zu einem noch zentraleren Bestandteil europäischer Außenpolitik machen.
  • Schließlich umfasst der dritte Bereich Frieden und Sicherheit. Präsident Niinistö hat zu einer Rückkehr zum Geist des Dialogs und des Vertrauens von Helsinki aufgerufen. Deutschland unterstützt diese Forderung. Und wir begrüßen die Initiative von Präsident Biden für ein Treffen mit Präsident Putin. Europas Rolle als unmittelbarer Nachbar Russlands kann jedoch nicht darin bestehen, diesem Engagement von der Seitenlinie aus zuzusehen. Wir müssen Wege finden, auch selbst mit Russland ins Gespräch zu kommen – zu globalen Themen, die in unserem gemeinsamen Interesse liegen: Abrüstung, Energiepolitik, Klimawandel oder die Arktis. Finnland kann dank seiner besonderen geographischen Lage und seiner langen Geschichte des politischen Dialogs und der Vermittlung hierbei eine zentrale Rolle spielen – auch innerhalb der Europäischen Union.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Harken wird den Multilateralismus nicht zu neuer Größe verhelfen. Das gelingt nur durch das Vorweisen von Ergebnissen.

Es liegt an uns zu beweisen, dass Multilateralismus zu einer gesünderen, nachhaltigeren und friedlicheren Welt führt. Diese Aufgabe erfordert Engagement und Führungskompetenz – und genau das zeigt Finnland der Welt. Und sie erfordert qualifizierte Diplomaten – und genau das sind Sie.

Vielen Dank, dass Sie ein derart starker und verlässlicher Partner für Deutschland und die Welt sind. Gemeinsam können wir dem Multilateralismus zu neuer Größe verhelfen.

Vielen Dank.

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