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Rede von Staatsministerin Müntefering zur Zukunft der Internationalen Kulturpolitik im Rahmen der „Langen Nacht der Ideen“

07.06.2021 - Rede

1998 schaute eine damals 18 Jährige gebannt auf den Fernseher. Da rief ein junger Künstler dazu auf, in den Wolfgangsee zu springen, um den Urlaubsort des damaligen Bundeskanzlers zu fluten. Der junge Künstler war Christoph Schlingensief. Und die 18jährige, das war ich.

Künstler wie Schlingensief haben mich geprägt. Dass ich heute Politik mache, liegt auch an ihm.

Kunst nicht hinter dicken Mauern und Vitrinen, sondern mitten im Leben. Kultur als Gesellschaftspolitik, die alle etwas angeht. Das ist mein Kulturverständnis. Es ist geprägt von den Erfahrungen in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet: davon, wie bereichernd Vielfalt sein kann; und davon, wie Kunst und Kultur gesellschaftliche Teilhabe stärken können.

Ich bin überzeugt: Kunst und Kultur, das ist nichts Abgehobenes. Es geht um die Frage, wie wir miteinander leben wollen.

Es geht darum, wie wir gemeinsam unsere Zukunft gestalten wollen. Es geht darum, den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Solidarität und Gerechtigkeit zu stärken.

Kultur soll Räume öffnen, in denen wir einander begegnen können. In denen wir an gemeinsamen Perspektiven auf diese Welt arbeiten. Vom Ruhrgebiet bis zu den Vereinten Nationen. Das ist existentiell für unsere Demokratie.

Der Maßstab einer so verstandenen Kulturpolitik ist ganz einfach: Sie muss dazu beitragen, dass es am Ende des Tages den Menschen besser geht.

Internationale Kulturpolitik, das ist Friedenspolitik; es ist das gemeinsame Arbeiten am Weltgeist.

Deshalb war für uns auch in der Corona-Krise wichtig, dass die Pandemie nicht zu einem Kulturkahlschlag führen darf. Weder bei uns in Deutschland noch international. Wir haben deshalb in der Krise Soforthilfeprogramme für das Goethe-Institut und die Auslandsschulen aufgelegt. Und wir haben einen internationalen Hilfsfonds für unsere Kulturpartner weltweit gestartet.

Wir haben das in dem Bewusstsein getan, dass wir es nicht zulassen dürfen, dass das Netz an Zusammenarbeit, das über Jahre und Jahrzehnte gewachsen ist, durch die Pandemie zerstört wird.

Meine Damen und Herren,

ziemlich genau aus der Zeit, als Schlingensief seine Aktion durchführte und die Partei „Chance 2000“ gründete, stammt auch die letzte umfassende Strategie für unsere Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

Das ist über 20 Jahre her. In unseren Geldbeuteln steckte noch die D-Mark. Und China hatte ein BIP von der Größe Italiens. Die gängige Erzählung war: Die Welt würde immer demokratischer. Die Menschenrechte setzten sich immer mehr durch. Das Ende der Geschichte.

Im Rückblick: eine andere Zeit, die dem Mauerfall nähersteht als unserer Gegenwart.

Natürlich ist vieles, was im Jahr 2000 richtig war, auch heute noch richtig. Aber die Herausforderungen sind doch ganz andere.

Das Ende der Geschichte ist selbst Geschichte. Demokratien sind unter Druck geraten. Autokratische Tendenzen breiten sich weltweit aus. Dass es einmal zu einem Sturm auf das Herz der amerikanischen Demokratie kommen würde, hätte ich mir als Schülerin nicht träumen lassen.

Und seien wir ehrlich: Auch bei uns in Europa wird in einigen Staaten die Rechtsstaatlichkeit immer weiter ausgehöhlt. Die Pressefreiheit steht unter Druck. Selbst in Deutschland hat Reporter ohne Grenzen in seinem aktuellen Bericht die Pressefreiheit von gut auf zufriedenstellend herabgestuft. Das kann uns nicht zufriedenstellen.

Dazu sehen wir im Jahr 2021 noch deutlicher als vor zwanzig Jahren die riesige Aufgabe, die es ist, die natürlichen Lebensgrundlagen unserer Welt zu bewahren. Die Uhr tickt. Jeden Tag, an dem wir nicht umsteuern, wird der Kampf gegen den Klimaschutz schwerer. Jeden Tag, an dem es uns nicht gelingt, die soziale Ungleichheit auf dieser Welt zu verkleinern, verspielen wir unsere Zukunftschancen. Nachhaltigkeit ist das zentrale Thema des 21. Jahrhunderts. Auch für die Kultur.

Und schließlich wird immer mehr deutlich: Wir befinden uns in der dritten großen Revolution der Menschheit. Nach der neolithischen und der industriellen Revolution nimmt die digitale Revolution rasant Fahrt auf.

Lesen Sie mal, was in der Kulturstrategie 2000 des Auswärtigen Amtes zur Digitalisierung steht: der innovative Einsatz von CD-ROMs! 20 Jahre später kommt uns das vor wie aus der digitalen Steinzeit. Wie schnell die Digitalisierung alles umkrempeln kann, haben wir gerade während der Pandemie noch einmal deutlich gesehen.

Umso wichtiger ist: Wir müssen sie aktiv gestalten. Sonst werden wir gestaltet.

Demokratie, Nachhaltigkeit, Digitalisierung: Das sind die großen Herausforderungen unserer Zeit. Und deshalb ist es kein Zufall, dass sie auch bei der Konferenz „Menschen bewegen“ im Mittelpunkt stehen.

Das Ziel ist klar: Es gilt, in einer Zeit, in der Freiräume kleiner werden, Zusammenarbeit über Grenzen hinweg möglich zu machen; Austausch von Menschen und Ideen und einen wirklich globalen Diskurs zu ermöglichen, in dem die Kulturen der Welt gleichberechtigt an der Herausbildung einer gemeinsamen globalen Erzählung mitwirken können.

Meine Damen und Herren,

Wenn man einen Nagel in die Wand schlagen will, hilft kein Schraubenzieher. Deshalb haben wir unsere Instrumente in der zurückliegenden Legislaturperiode konsequent an die Herausforderungen unserer Zeit angepasst.

Erstens haben wir unsere Kulturpolitik noch konsequenter daraufhin ausgerichtet, Räume für zivilgesellschaftlichen Austausch offenzuhalten.

Denn zur Wahrheit gehört auch: Die Menschen sind da häufig weiter als die Staaten. Als Präsident Trump aus dem Klimaabkommen ausgetreten ist, haben sich amerikanische Städte untereinander und mit anderen Städten auf der ganzen Welt zusammengeschlossen, um den Klimaschutz voranzubringen.

Die Außenpolitik von unten, hat dazu beigetragen, das Klimaabkommen von Paris auch in schweren Zeiten am Leben zu halten. An einer solchen “urban diplomacy” müssen wir weiter arbeiten, auch wenn der Multilateralismus inzwischen wieder mehr Rückenwind hat. Es braucht für die international agierenden Städte auch einen Ansprechpartner im Auswärtigen Amt.

Zudem wird an immer mehr Orten der Welt der freie Austausch und das Engagement der Zivilgesellschaft zunehmend eingeschränkt.

Und so wurde es ein Schwerpunkt dieser Legislaturperiode, ein Netz aufzubauen, das Menschen schützt, wo sie ihrer Arbeit in Wissenschaft, Kunst, Kultur, Medien oder als MenschenrechtsaktivistInnen bedroht sind. Etwas, von dem wir uns wünschten, es sei nicht notwendig, doch von dem wir wissen, wir müssen uns dieser Verantwortung stellen.

Neben der Martin-Roth- und Philipp-Schwartz-Initiative haben wir in dieser Legislaturperiode die Elisabeth-Selbert-Initiative für Menschenrechtsverteidiger und die Hilde-Domin-Initiative für Studierende auf den Weg gebracht.

Wir haben unseren Einsatz für Pressefreiheit und die Deutsche Welle gestärkt. Und wir halten mit Orten wie der Kulturakademie Tarabya in der Türkei oder dem Thomas-Mann-Haus in den USA dauerhaft Räume des Dialogs und des Austauschs über Grenzen hinweg offen.

Zweitens Zu Beginn dieser Wahlperiode war mir eines wichtig: Die Rolle der Kultur für das Erreichen der SDGs. Nachhaltigkeit ist zum Mittelpunkt unserer Arbeit geworden. Denn: Im Zeitalter des Anthropozän ist es umso mehr die Kultur, die uns den Weg in die Zukunft weisen kann.

Ein wichtiges Instrument dabei war die Weiterentwicklung unserer Außenwissenschaftspolitik zu einer umfassenden Science Diplomacy. Das ist nicht nur alter Wein in neuen Schläuchen. Es geht hier um einen echten Paradigmenwechsel. Um ein Bild zu gebrauchen: weg vom Staubsauger, der Talente nach Deutschland zieht, hin zum Ventilator, der den globalen Strom der Ideen am Laufen hält.

In der Pandemie haben wir gesehen, wie wichtig internationale Wissenschaftszusammenarbeit ist.

In Rekordzeit wurden Impfstoffe entwickelt. Warum? Weil Menschen nicht allein in ihrem stillen Kämmerlein vor sich hingeforscht haben, sondern sich international vernetzen. Auch den Klimawandel werden wir nur so bewältigen können.

Deshalb haben wir nicht nur gezielt die Freiheit der Wissenschaft gestärkt. Wir haben acht neue Globale DAAD-Zentren und Humboldt-Forschungshubs zu Klima- und Gesundheitsforschung, errichtet und auch über die ganze Welt verteilt Deutsche Wissenschafts- und Innovationshäuser gegründet.

Gemeinsam mit der Alexander von Humboldt-Stiftung starten wir gerade fünf Forschungshubs in Afrika.

Nachhaltigkeit ist zu einem Querschnittsthema unserer Internationalen Kultur- und Bildungspolitik geworden.

Nachhaltigkeit - das bedeutet, nicht mehr zu verbrauchen als nachwachsen kann. Aber uns muss klar sein: Nachhaltigkeit zu erreichen heißt heute als Auftrag für uns: build back better.

Wir müssen mehr tun als bisher und wir brauchen auch die junge Generation.

Noch vor der Gründung von Fridays for Future, haben wir unser „kulturweit“-Programm um die „naturweit“-Komponente ergänzt. Damit können sich junge Menschen weltweit in Unesco-Biosphärenreservaten, Naturerbestätten und Geoparks für den Naturerhalt engagieren.

Und schließlich haben wir auch Geschlechtergerechtigkeit zu einem Schwerpunkt unserer Arbeit gemacht. Nicht nur in der Internationalen Kulturpolitik, sondern in unserer Außenpolitik insgesamt.

Denn auch eine „Feministische Außenpolitik“ ist eine Frage von Nachhaltigkeit.

Und drittens haben wir unsere Internationale Kulturpolitik noch offener gemacht: durch neue Themen, neue Partner und neue Formate.

Bei der Internationalen Kulturpolitik geht es um unsere gemeinsame Zukunft.

Und das ist eben nicht nur die Zukunft der mehrsprachigen Linguistin in Berlin oder London, sondern auch der Kassiererin in Bochum oder des Mechanikers in Mumbai. Das muss sich auch in unserer Arbeit widerspiegeln.

Mit dem Deutschlandjahr in den USA haben wir Menschen in allen 50 Bundesstaaten erreicht, und zwar nicht nur in New York und San Francisco, sondern auch in Kansas und Nebraska. Unsere digitalen Kanäle wurden von 4,2 Mio. Menschen besucht.

Das war die größte Öffentlichkeitskampagne in der Geschichte des Auswärtigen Amtes.

Wir haben gemeinsam mit dem Bundestag die Auslandsschulen in den Blick genommen und Verbesserungen für die Lehrenden erreicht, weil wir wissen, dass wir dieses Netzwerk auch in Zukunft brauchen und hier noch weiter investieren müssen.

Daneben haben wir unsere Zusammenarbeit mit Regionen ausgebaut, die wir viel zu lange vernachlässigt haben.

Das gilt besonders für die afrikanischen Länder.

Auf meinen Reisen als Staatsministerin habe ich in Afrika unglaublich viele Menschen kennengelernt, die vor Ideen und Kreativität nur so sprühten. Was mir zum Beispiel junge IT-ler im Silicon Savannah in Nairobi gezeigt haben, davon können wir uns eine ganze Scheibe abschneiden. Dass wir diese Konzepte im Westen immer noch viel zu wenig wahrnehmen, liegt nicht zuletzt an Rollenbildern und Klischees, die seit dem Kolonialismus immer noch in unseren Köpfen herumspuken.

Es war deshalb höchste Zeit, die Spinnenweben in unseren Köpfen zu beseitigen und endlich damit zu beginnen, uns diesem Kapitel unserer Geschichte zu stellen. Denn der Kolonialismus war eben keine Fußnote der Geschichte. Er prägt das Leben von Milliarden von Menschen bis heute.

Man kann wohl mit Fug und Recht sagen: Keine Bundesregierung zuvor hat die Aufarbeitung des Kolonialismus so entschlossen vorangetrieben.

Wir haben Leitlinien zum Umgang mit Objekten aus kolonialen Kontexten verabschiedet. Die Benin-Bronzen sollten die ersten und nicht die letzten Kunstschätze sein, die dorthin zurückkehren, wo sie hingehören. Und mit der Konferenz “Shared history” haben wir einen wichtigen Schritt zu der Herausbildung eines gemeinsamen Verständnisses der Kolonialgeschichte getan.

Bei Übergabe der menschlichen Gebeine an Namibia 2018 habe ich gespürt, wie tief Wunden der Vergangenheit noch immer sind.

Gut, dass wir jetzt diesen wichtigen Schritt machen und mit Namibia eine Einigung über einen gemeinsamen Umgang mit dem dunkelsten Kapitel in der Geschichte unserer Länder erzielen konnten. Die Botschaft lautet: Wir wollen in Bewusstsein unserer historischen Verantwortung gemeinsam die Zukunft gestalten.

Was mir besonders wichtig ist: „Wir“ heißt, all das konnten wir nur zusammen mit Menschen aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft getan.

Ohne deren Einsatz, und ja: auch ohne ihr Drängen und ihre Kritik, wären wir nicht da, wo wir heute sind. Ich wünsche mir, dass auch das Humboldt-Forum mit der Eröffnung nicht stehen bleibt, sondern einen solchen Dialog weiterführt. Und ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich selbst würde mir manchmal ein bisschen mehr Tempo dabei wünschen.

Meine Damen und Herren,

am Ende dieser Legislaturperiode kann man sagen: Unsere Aufgabe war es, die Internationale Kulturpolitik an die Herausforderungen unserer Zeit anzupassen.

Das ist uns mit unserer Agenda in wichtigen Bereichen gelungen. Der Entwurf für eine neue Strategie liegt nun auch auf dem Tisch und ich wünsche dem nächsten Bundestag, dass er sich weiterhin so geschlossen und entschlossen für diese dritte Säule unserer Außenpolitik engagiert.

Ich bin froh, dass wir es 2019 erstmals geschafft haben, die „Kulturmilliarde“ zu erreichen, und damit eine echte Wegmarke gesetzt haben. Ein Etat von einer Milliarde Euro für unsere Internationale Kulturpolitik - das war gut angelegtes Geld:

Vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestages, vor allem im Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik: ohne Sie, ohne Euch, wäre das nicht möglich gewesen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen:

Im Englischen gibt es den schönen Ausdruck: preaching to the converted – den Bekehrten eine Predigt halten.

Wir ahnen alle, was für gewaltige Veränderungen uns und unserer Demokratie noch bevor stehen. Gerade angesichts der veränderten Kommunikation.

Das Entscheidende für mich ist: Wir müssen den digitalen Kulturraum aktiv gestalten. Und zwar so, dass er der Allgemeinheit verpflichtet ist und nicht dem Markt; dass Hass, Hetze und gezielte Falschinformationen nicht unsere Demokratie untergraben; und dass Künstlerinnen und Künstler auch im digitalen Raum Geld verdienen können und nicht zum neuen Prekariat des digitalen Zeitalters werden. Wenn wir das schaffen, dann bietet die Digitalisierung für unsere Kulturpolitik riesige Chancen. Insbesondere für Europa.

Ein digitaler Kulturraum kann der entscheidende Schlüssel sein, um endlich eine gemeinsame europäische Öffentlichkeit zu schaffen. Er kann uns dabei helfen, mehr Menschen zu erreichen. Und er kann uns bei der weltweiten Vernetzung unterstützen.

Ich habe während unserer Ratspräsidentschaft deshalb vorgeschlagen, ein digitales europäisches Kulturinstitut zu gründen, das von den Kulturinstituten der Mitgliedstaaten getragen wird, gemeinsame Inhalte produziert und Menschen in Europa und darüber hinaus miteinander vernetzt.

Für mich ein wichtiger Baustein für eine stärkere gemeinsame europäische Internationale Kulturpolitik. Auch das ein zentrales Thema für die nächsten Jahre. Ebenso wie das Thema des Kulturerbeschutzes und der Kulturgutrettung.

Und schließlich: Wir müssen mehr Menschen erreichen und wir müssen auch bunter und diverser werden. Inzwischen hat jeder vierte Mensch in Deutschland einen Migrationshintergrund. Viele haben mehrere Muttersprachen. Solche interkulturellen Kompetenzen erleichtern Brücken über die eigenen Nationalstaatsgrenzen hinweg.

Das ist ein riesiger Schatz, den wir stärker nutzen müssen. Das Anwerbeabkommen mit der Türkei jährt sich in diesem Jahr zum 60. Mal. Ich meine: Es ist Zeit für Dank und Anerkennung. All jenen gegenüber, die helfen, dieses Land stark zu machen.

Die alten Kategorien von Innen und Außen lösen sich ohnehin immer stärker auf. Ist ein städtisches Theater, das eine kolumbianische Schauspielertruppe einlädt, Innen oder Außen? Ist die Forschung über die zunehmende Trockenheit in Deutschland, die durch den globalen Klimawandel hervorgerufen wird, Innen oder Außen? Fest steht doch: Alles ist IN UNSERER WELT.

Auch für die Außenpolitik ist es wichtig, daran zu arbeiten, dass unsere Gesellschaften stark sind. Deswegen sollten wir auch Förderinstrumente und Strukturen auf den Prüfstand stellen, die noch auf der alten Logik von Innen und Außen beruhen.

Meine Damen und Herren,

der Philosoph Karl Jaspers prägte die Theorie der Achsenzeit.

Er zeigte, wie im ersten Jahrtausend vor Christus die Welt zum ersten Mal zusammenwuchs. Die gleichen revolutionären Ideen entstanden in Indien wie in China, in Griechenland wie in der Levante.

Ich bin überzeugt: Wir leben heute in einer neuen Achsenzeit. Aber in einer, die in einem Tempo zusammenwächst, wie es früher unvorstellbar war. Die Entwicklung von Jahrhunderten vollzieht sich heute in Jahren.

Vor knapp 300 Mio. Jahren gab es einen gemeinsamen Urkontinent, der die gesamte Landmasse der Erde umfasste: Pangäa.

Durch die Globalisierung und die Digitalisierung entsteht heute das neue Pangäa. Definieren wir gemeinsam, wie wir diese Zeit gestalten.

Denn: Wenn Menschen im globalen Süden hungern, führt das zu Instabilität, Flucht und Migration. Wenn in einem Land wissenschaftliche Erkenntnisse unterdrückt werden, verhindert das, dass wir gemeinsam den Klimawandel bekämpfen können.

Alles hängt mit allem zusammen. In dieser Zeit der globalen Gleichzeitigkeit braucht es die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik mehr denn je.

Sie ist kein Feigenblatt für die „echte“ Außenpolitik. Sie ist eine zentrale Bedingung dafür, dass Frieden und Sicherheit langfristig und nachhaltig gesichert werden.

Verehrte Damen und Herren!

Die Zeiten ändern sich, aber die Kraft der Kultur bleibt. Der Geist von Christoph Schlingensief ist auch nach über 20 Jahren lebendig. Ich habe in den letzten Jahren viele Menschen getroffen, die für die Internationale Kulturpolitik brennen. Und Sie alle machen mich optimistisch.

Mein Wunsch ist, dass auch heute junge Menschen die Erfahrung machen können, wie Kunst das eigene Leben verändern kann: Christoph würde das freuen.

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