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Grußwort von Staatsministerin Müntefering zum Weltfrauentag 2021

08.03.2021 - Rede

Leymah Gbowee, die Friedensnobelpreisträgerin 2011, hat einmal gesagt: „Man kann keine bleibenden Fußspuren hinterlassen, wenn man immer auf Zehenspitzen geht.“ Ich finde, sie hat Recht. Die Zeit bloßer Appelle ist vorbei. Wir müssen voran kommen bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Das World Economic Forum hat ausgerechnet, dass es mit der aktuellen Geschwindigkeit 100 Jahre dauern würde, bis es mit der Geschlechtergerechtigkeit endlich Realität wird. Der Fortschritt ist also eine Schnecke - und manchmal kriecht sie noch im Kreis.

Corona hat es doch deutlich gezeigt: Nach wie vor sind es Frauen, die die Hauptlast bei Kinderbetreuung, Pflege und im Haushalt tragen. Sie verdienen weniger. Sie arbeiten häufiger in prekären Beschäftigungen. Sie leiden häufiger an häuslicher Gewalt. All das sind die Probleme, die schon zuvor da waren. Sie wurden durch die Pandemie aber weiter verstärkt.

Krisen sind auch Chancen. Das hört man dieser Tage immer wieder. Und es stimmt natürlich auch. Leider bleibt es meist bei dieser schönen Binsenweisheit. Was es konkret heißt, Lehren aus der Krise zu ziehen, darüber sprechen wir viel zu wenig.

Heute beträgt der Frauenanteil im Bundestag 31%. Das ist der niedrigste Anteil seit 1994. In den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen in Deutschland besetzen Frauen knapp 30 Prozent aller Posten. Bei den Vorständen sind es knapp 10 Prozent. Ist das „tatsächliche Gleichberechtigung“, die das Grundgesetz klipp und klar fordert?

Weltweit erlebe ich als Außenpolitikerin, dass es geht. Frankreich hat schon seit 20 Jahren ein Paritätsgesetz. Und der Eiffelturm steht meines Wissens immer noch. Botschafterin Descôtes wird dazu vielleicht gleich noch etwas sagen.

Es sind die mutigen Frauen, die in Belarus auf die Straße gehen, die friedliche Revolution in Sudan wäre ohne die Frauen nicht möglich gewesen.

Wir brauchen die Frauen, wenn wir Frieden schaffen wollen. Es ist empirisch nachgewiesen, dass geschlechtergerechte Gesellschaften stärker und resilienter sind. Das gilt für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, zum Beispiel bei uns in Deutschland. Es gilt aber auch und besonders in Konfliktsituationen.

Auf dem afrikanischen Kontinent treffe ich viele starke Frauen und Parlamentarierinnen. Mit dem African Womens Leaders Network stärken wir sie und arbeiten eng zusammen. Denn vor Ort wird deutlich, was es heißt, den Blick auch für eine feministische Außenpolitik zu schârfen.

Als ich vor einem Jahr mit Frank-Walter Steinmeier in Kenia war und ein Flüchtlingslager besuchten, kochten die Frauen an großen Töpfen, am offenen Feuer. Jedes Jahr ist das der Grund, warum viele Frauen sterben: Am Rauch, dem sie ausgesetzt sind. Sehen wir das, wenn wir Ihnen zuschauen? Meine Erfahrung ist: Nicht, wenn wir nicht genau hinsehen, auf die Bedürfnisse und die Situation der Frauen.

Sexualisierte Gewalt wird nach wie vor als Kriegswaffe eingesetzt - dazu haben wir im UN Sicherheitsrat auf Initiative von Heiko Maas eine Resolution eingebracht. Wir unterstützen mit den Maßnahmen des Nationalen Aktionsplanes, den wir letzte Woche im Kabinett verabschiedet haben, etwa das Krankenhaus von Denis Mukwege, in dem Frauen nach Vergewaltigungen behandelt werden. Und wir setzen uns dafür ein, dass Frauen bei Friedensverhandlungen mit am Tisch sitzen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Wenn Gleichstellungsfragen nicht berücksichtigt werden, hat kein Friedensvertrag eine Chance, eine dauerhafte, gerechte Neuordnung der Gesellschaft zu erwirken. Deshalb ist Gleichberechtigungspolitik auch Friedenspolitik.

Das ist die Kernidee von Resolution 1325, deren 20-jähriges Jubiläum wir letztes Jahr erlebt haben. Feiern konnten wir wenig. Und aktuell kämpfen wir gegen die Rückschritte, die an vielen Orten der Welt zu erkennen sind. Ich bin froh: Die Resolution ist inzwischen fest in der deutschen Außenpolitik verankert. Ich arbeite dafûr, dass eine feministische Außenpolitik Teil unserer politischen DNA wird.

Es gilt noch viel konsequenter die Perspektive von Frauen mitzudenken. Das Positionspapier zu gleichstellungsorientierter Außenpolitik gibt dafür wichtige Anregungen.

Build back better: das ist eben kein utopischer Wunsch. Es ist schlicht eine Frage politischer Prioritäten.

Es werden gerade riesige Summen mobilisiert. Warum koppeln wir nicht zumindest einen Teil davon an Vorgaben zur Umsetzung von mehr Geschlechtergerechtigkeit?

Meine Damen und Herren!

Darum ist es gut, dass wir heute auch hier zusammenkommen, denn

um politische Prioritäten zu setzen, braucht es gemeinsame Anstrengungen und vor allem Verbündete: Da schließe ich die Männer ausdrücklich mit ein. Einen Verbündeten haben wir gerade gehört. Heiko Maas ist an Bord. Wir wollen Gleichsetzung über Grenzen hinweg voranbringen. In Deutschland, in Europa und international.

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