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„Russland nicht in Chinas Arme treiben“
Außenminister Maas im Interview mit der Deutschen Welle
Herr Maas, wir beobachten gerade Spannungen zwischen Washington und Moskau. Was erleben wir gerade für eine Eskalationsstufe, wenn der amtierende US-Präsident Joe Biden den russischen Präsidenten Wladimir Putin als „Mörder“ bezeichnet und Moskau seinen Botschafter aus den USA zurückholt?
Es ist nicht meine Aufgabe, alle Äußerungen des amerikanischen Präsidenten zu kommentieren. Wir erleben zurzeit leider einen Tiefpunkt im Verhältnis zu Russland. Wir wollen das nicht weiter eskalieren. Ich glaube, dass es eigentlich auch auf russischer Seite ein Interesse an guten Beziehungen zu europäischen Staaten und zur EU geben muss. Aber wenn es Vorgänge gibt, wie die um Alexej Nawalny, dann muss auch jedem klar sein, dass so etwas aus europäischer Sicht nicht ohne Konsequenzen bleibt.
Die USA werfen Russland vor, sich zweimal massiv in die US-Wahl eingemischt zu haben. In Deutschland befinden wir uns in einem Wahljahr. Fürchten Sie auch eine solche Einmischung?
Auf jeden Fall sind wir aufmerksam. Wir wissen auch aus dem Bericht, den der EAD vor kurzem in Brüssel vorgelegt hat, dass Deutschland eines der Hauptziele in Europa für russische Desinformationskampagnen, aber auch für Cyber-Aktivitäten ist. Insofern wappnen wir uns hiergegen, aber natürlich erwarten wir, dass das unterbleibt. Es ist völlig inakzeptabel, dass auf diese Weise versucht wird, von außen Einfluss auf demokratische Prozesse anderer Länder wie Deutschland zu nehmen. Wir wissen, dass es solche Versuche der Einflussnahme durch gezielte Desinformation oder Cyberattacken gibt. Und ich hoffe, dass die Erfahrungen, die andernorts in der Vergangenheit damit gemacht wurden, dazu führen, dass das beim Bundestagswahlkampf in Deutschland nicht der Fall sein wird. Wir werden in dieser Hinsicht sehr aufmerksam bleiben.
Russland will bald einen deutschsprachigen TV Sender in Deutschland starten. Moskau droht jetzt Berlin mit „harten Gegenmaßnahmen“, da RT Deutsch offenbar kein Bankkonto in Deutschland eröffnen kann. Mit welchen Maßnahmen rechnen Sie?
Wir sind nicht zuständig für die Bankkonten von Russia Today. Bei uns gibt es klare Regeln auf der Basis der Pressefreiheit. Hier können auch Nachrichtensender Programm machen, deren Nachrichten uns vielleicht nicht immer nachvollziehbar erscheinen. Wir gehen davon aus, dass auf der Basis von Freiheitsrechten, der Pressefreiheit, der Freiheit der Medien in Russland Ähnliches gilt und deutsche Journalisten sich ungehindert betätigen können. Russland ist Mitglied im Europarat. Die Pressefreiheit ist eine der Kernfreiheiten, zu denen Russland sich in diesem Rahmen bekennt. Wir tun das bei uns und wir erwarten, dass es in Russland genauso gehandhabt wird.
Sind also die Pläne von Russia Today in Deutschland in diesem Kontext kein Problem?
Ein solches Verfahren wird nicht politisch entschieden, sondern von zuständigen Behörden. Insofern sind die Diskussionen, von denen gesprochen wird, keine, die von uns initiiert worden sind oder die auf unser Betreiben entstanden sind. Wir halten uns an die Regeln der Pressefreiheit. Unabhängig davon, ob die Organe, die hier journalistisch tätig sind, Nachrichten produzieren, die uns gefallen oder eben nicht.
Deutschland galt über Jahrzehnte international als Brücke zwischen Ost und West. Diese Rolle verblasst seit der Annexion der Krim immer stärker. Gerade haben Sie wieder die Rückgabe der Halbinsel gefordert, aber wie sieht der Plan dafür aus?
Die Annexion war und ist eindeutig völkerrechtswidrig. Unsere Position ist, dass sie rückgängig gemacht werden muss. Das ist ja kein Thema, das militärisch gelöst werden kann, aber wir werden diese Erwartung weiter klar gegenüber Russland zum Ausdruck bringen und entsprechend handeln. Ich glaube, auch Russland muss ein Interesse daran haben, die Beziehungen insbesondere zu Europa wieder zu normalisieren. Und ein wichtiger Schritt dazu wäre, eine Lösung für den Konflikt in der Ostukraine zu finden.
Glauben Sie wirklich, dass die Halbinsel jemals wieder an die Ukraine zurückgeht?
Das ist unsere Position. Mir ist bewusst, dass dies ein außerordentlich schwieriger Weg sein wird. Doch Russland kommt Ihren Aufforderungen nicht nach. Auch im Fall der Freilassung von Nawalny.
Muss Nordstream 2 nicht doch zur Verhandlungsmasse werden, damit sich etwas bewegt?
Sanktionen sollen das Ziel haben, zu einer Verhaltensänderung beizutragen. Mit Sanktionen ist natürlich auch eine politische Aussage, ein Statement verbunden, bei Geschehnissen, die man nicht ohne Konsequenzen akzeptieren will, wie das für Europa bei Nawalny der Fall ist. Unsere Haltung zu Nord Stream 2 ist bekannt. Wenn die beteiligten Firmen ihre Aktivitäten stoppen würden, muss das keine konkreten Auswirkungen auf den Fall Nawalny haben. Wir halten es nicht für richtig, Russland wirtschaftlich zu isolieren. Eine wirtschaftliche Isolation Russlands würde geostrategisch dazu führen, dass man Russland und China immer weiter zusammentreibt. Und das kann nicht in unserem strategischen Interesse sein. Es könnte eher noch schwieriger werden, überhaupt noch über solche Themen mit Russland zu sprechen.
Und wie sieht es mit wirtschaftlichen Sanktionen im Fall Belarus aus? Warum verhängt Deutschland keine richtig schmerzvollen Sanktionen gegenüber dem Lukaschenko-Regime?
Wir haben uns darauf verständigt, über Sanktionen immer auf europäischer Ebene zu entscheiden. Dies gilt auch für den Fall von Belarus. Wir müssen bei Sanktionen aber auch immer im Auge behalten, die Richtigen zu treffen und nicht die Zivilgesellschaft als Ganzes. Wir müssen also auch die wirtschaftlichen Konsequenzen solcher Sanktionen mitdenken. Deshalb haben wir uns bei Belarus entschieden, die Verantwortlichen zu listen. Das gilt nicht nur für Lukaschenko, sondern für seinen gesamten Apparat. Und den Weg werden wir auch weiter gehen.
Wenn Sie diese Haltung haben - Frau Tichanowskaja fordert eine Online-Abstimmung für eine Verhandlungsmandat zwischen Regierung und der Zivilgesellschaft, wie sehen Sie das?
Die Wahlen im letzten August waren gefälscht, deshalb hat Herr Lukaschenko keine Legitimation das Land zu regieren. Insofern ist eine solche Abstimmung ein guter Vorschlag, den wir voll unterstützen können. Wir fordern schon seit Monaten einen nationalen Dialog, der möglichst breit die Zivilgesellschaft einbezieht. Ein Angebot der OSZE unter dem Vorsitz Schwedens liegt dazu auf dem Tisch. Das ist der einzig realistische Ausweg aus der innenpolitischen Krise, aber Herr Lukaschenko muss darauf eingehen. Das Ziel muss weiter sein, dass die Belarussinnen und Belarussen frei und fair über ihre Regierung abstimmen dürfen, das ist ihr Recht.
Und Lukaschenko selber? Wenn er kein legitimer Präsident ist, wer ist er also für Sie?
Er klammert sich mit diktatorischen Mitteln an die Macht und tritt unsere freiheitlichen Werte mit Füßen. Damit ist er ein Rechtsbrecher. Er bricht das Recht seines Landes und auch internationales.
Vielen Dank für das Gespräch.