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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 15.03.2021

15.03.2021 - Artikel

Siebter Jahrestag der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland

SEIBERT BREG): Einen schönen guten Tag, meine Damen und Herren! Ich habe tatsächlich zu zwei außenpolitischen Themen etwas zu sagen. Das eine ist eine wichtige Erinnerung, das andere ist eine aus Sicht der Bundesregierung erfreuliche Entwicklung.

Ich will zunächst an ein Ereignis erinnern, das sich in dieser Woche zum siebten Mal jährt. Mitte März 2014 annektierte Russland völkerrechtswidrig die zum Staatsgebiet der Ukraine gehörige Halbinsel Krim mit ihren über zwei Millionen Einwohnern.

Mit dieser Annexion hat Russland Grundprinzipien des Völkerrechts verletzt und die europäische Nachkriegsordnung in Frage gestellt. Deutschland und die Europäische Union erkennen in Übereinstimmung mit einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen diese Annexion nicht an. Wir fordern die russische Staatsführung auf, Menschenrechte einzuhalten, alle politischen Gefangenen freizulassen und die ukrainische Souveränität über das Territorium der Krim wiederherzustellen.

Die andere Mitteilung, die ich Ihnen gern machen möchte, betrifft ‑ wie ich gesagt habe ‑ eine erfreuliche Entwicklung.

[…]

FRAGE: Herr Seibert, Sie hatten die Wiedereingliederung der Krim nach einem Referendum als völkerrechtswidrig bezeichnet. Da würde mich interessieren: Gegen welche konkreten Punkte im Völkerrecht hat denn diese Wiedereingliederung nach dem Referendum Ihrer Meinung nach verstoßen?

SEIBERT: Herr Warweg, diese Debatte führen wir seit bald sieben Jahren. Was Sie eine Wiedereingliederung und ein Referendum nennen, dazu haben wir eine ganz andere Ansicht ‑ und nicht nur wir, sondern auch die Europäische Union und die Vereinten Nationen.

Das von Ihnen Referendum genannte Ereignis, diese Stimmabgabe, ist rechtlich unerheblich. Sie widersprach sowohl der ukrainischen Verfassung als auch dem Völkerrecht, zum Beispiel wegen der illegalen Präsenz russischer Truppen, der massiven Präsenz militärischer Kräfte in der Öffentlichkeit und der Beschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit.

ZUSATZFRAGE: Sie meinten jetzt die illegale Präsenz russischer Truppen. Russland hatte ja mit Ukraine ein entsprechendes völkerrechtliches Abkommen über die Präsenz von weit über 20 000 Soldaten. Zum Zeitpunkt der Wiedereingliederung gab es sogar weniger russische Truppen vor Ort als nach Vertrag zugedacht beziehungsweise zugesprochen. Deswegen würde mich interessieren, wo da konkret der völkerrechtswidrige Aspekt liegt.

SEIBERT: Diese Stimmabgabe, die Sie ein Referendum nennen und wir als solches nicht anerkennen, fand unter dem Eindruck, der Präsenz und dem starken Einfluss sich dort illegal aufhaltender russischer Truppen statt. Das ist der Stand der Dinge. Deswegen ist das ‑ aber das ist nur ein Punkt ‑ eine der Grundlagen der Nichtanerkennung durch Deutschland und durch die Europäische Union.

FRAGE: Herr Seibert, nun sind ja wegen der Krim-Annexion Sanktionen der EU verhängt worden, aber auch anderer Staaten, etwa der USA. Ich hätte ganz gern gewusst, ob man jetzt, wenn Sie den Jahrestag erwähnen, darüber nachdenkt, dass man diese Sanktionen noch ausweiten könnte. Oder werden sie jetzt immer halbjährlich, so wie sie sind, verlängert?

SEIBERT: Ich habe Ihnen heute keine Ankündigung über neue Sanktionen zu machen. Das ist ja auch eine Angelegenheit der Europäischen Union und keine bilaterale Angelegenheit. Ich habe Ihnen keine neuen Ankündigungen zu machen.

Es ist dennoch so: Dieser rechtswidrige Zustand dauert nun sieben Jahre an. Das ist für die Bundesregierung kein Grund, sich mit ihm abzufinden.

ZUSATZFRAGE: Es hat sich mir nicht ganz erschlossen: Wieso war die Präsenz der russischen Truppen auf der Krim, zu der es ja eine Vereinbarung mit der ukrainischen Regierung gab, aus Sicht der Bundesregierung völkerrechtswidrig? Sie waren ja auch schon vorher da. Wie gesagt, dazu gibt es ja ein Truppenabkommen.

SEIBERT: Herr Warweg, mir ist völlig klar, dass Ihnen nicht einsichtig ist, warum Deutschland, die Europäische Union und große Teile der Staatengemeinschaft die Annexion der Krim völkerrechtswidrig nennen und sie auch als solche behandeln. Wir werden das hier nicht in jedem Detail noch einmal klären. Wir haben es seit sieben Jahren intensiv und in allen Details besprochen. Mir war es heute wichtig daran zu erinnern, dass dieser rechtswidrige Zustand vor sieben Jahren begonnen hat und heute immer noch anhält, dass es für die Bevölkerung dort eine schwierige Situation ist und es eine Verschlechterung der Menschenrechtssituation gibt, beispielsweise für die Krimtataren. Das war jetzt das Wichtige. Es ging nicht darum, die gesamte Diskussion noch einmal aufzumachen.

ZUSATZFRAGE: Dieses Truppenstationierungsabkommen zwischen Russland und der Ukraine wurde schon weit vor 2014 geschlossen. Damit war die Präsenz russischer Truppen in der Höhe von weit über 20 000 Soldaten völkerrechtlich legitim. Ich würde gern verstehen, wieso Sie die Stationierung auf Basis dieses Abkommens als völkerrechtswidrig werten?

SEIBERT: Ich kann nur anbieten, Völkerrechtsdetaildiskussionen schriftlich nachzuliefern.

FRAGE: Herr Seibert, sehen Sie die Anwesenheit russischer Truppen auf der Krim deswegen als völkerrechtswidrig an, weil sie aus ihren Kasernen herausgekommen sind, weil sie das lokale Parlament besetzt haben, weil sie massiv militärische Aktionen unternommen haben, was nicht durch den Stationierungsvertrag gedeckt war? Habe ich das richtig verstanden? Sie haben ja massiv militärisch interveniert, und ein Truppenstationierungsvertrag erlaubt das ja nicht.

SEIBERT: Ich habe gesagt, dass wir das schriftlich nachreichen, um wirklich allen Details gerecht zu werden. Einige davon haben Sie schon genannt.

Wahl einer Übergangsregierung in Libyen

Heute soll in Libyen, in Bengasi, die neue Übergangsregierung ihren Amtseid ablegen. Für die Bundesregierung begrüße ich das Votum des libyschen Parlaments für diese Übergangsregierung von Premierminister Abdul Hamid Dbaiba. Gut ein Jahr nach der Berliner Libyenkonferenz sind wir einer politischen Lösung des Konflikts nähergekommen. Die Einigung ist ein großer Schritt hin zu mehr Frieden und zu mehr Stabilität für die libysche Bevölkerung. Libyen hat jetzt erstmals seit über sieben Jahren eine geeinte Regierung.

Klar ist aber auch: Damit ist Libyen noch nicht am Ziel. Es bleibt weiter ‑ wie die Bundeskanzlerin einmal gesagt hat ‑ eine schwierige Wegstrecke. Wir unterstützen die Interimsregierung und die Vereinten Nationen auf dem weiteren Weg, insbesondere dabei, landesweite Wahlen für Dezember dieses Jahres vorzubereiten und das Waffenstillstandsabkommen umzusetzen.

COVID-19-Pandemie: Reisemöglichkeiten zu Ostern

FRAGE: Wie beurteilen Sie die zusätzlichen Flüge, die jetzt für Mallorca-Reisen an Ostern eingerichtet wurden? Ist das im Sinne dieser Beschlüsse? Oder würden Sie sagen, man sollte auf solche Flüge eher verzichten?

SEIBERT (BReg): Ich habe jetzt gerade über die Notbremse gesprochen. Aber grundsätzlich gilt: Bund und Länder haben am 3. März einen Beschluss gefasst, der vorsorgend war, weil er sowohl gute Entwicklungen, nämlich niedrigere fallende Inzidenzzahlen, als auch das Gegenteil in den Blick genommen hat.

Im Moment erleben wir leider das Gegenteil: Wir haben eine schwierige Entwicklung, ein starkes Sich-Durchsetzen der ansteckenderen Virusmutationen in einem diffusen Infektionsgeschehen, wie uns das Robert-Koch-Institut sagt. Es ist also nicht so, dass man steigende Fallzahlen auf einzelne, besonders klare Ausbrüche zuordnen könnte.

Wir beobachten, dass vor allem in den jüngeren Altersgruppen die Inzidenzen steigen. Das ist hier ja auch vom Robert-Koch-Institut am Freitag sehr klar gesagt worden. Wenn es viele Infizierte gibt, dann gibt es auch mehr schwere oder gar tödliche Verläufe. Dann gibt es auch mehr Menschen, die mit Langzeitfolgen von COVID-19 zu kämpfen haben werden.

Wir sehen leider auch ‑ das will ich einfach noch zur Begründung sagen ‑, dass diese erfreuliche Tendenz der letzten Wochen, dass wir jeden Tag ein paar weniger Menschen mit COVID-19 in den Intensivstationen unseres Landes hatten, im Moment zum Stoppen gekommen ist. Das ist erst einmal nicht weiter rückläufig. Das sind keine guten Nachrichten.

In dem Zusammenhang ist an die Gesamtheit des Beschlusses vom 3. März zu erinnern. Dieser Beschluss ist umzusetzen, nicht nur in den erfreulichen Passagen, sondern auch in denen, die natürlich schwieriger sind.

ZUSATZFRAGE: Jetzt haben Sie meine Frage nicht ganz beantwortet. Das gilt also auch für den Einzelhandel?

SEIBERT: Die Umsetzung der Beschlüsse obliegt natürlich weiterhin den Ländern. Ich kann dazu jetzt die Haltung der Bundesregierung wiedergeben.

ZUSATZFRAGE: Vielleicht können Sie noch etwas zu den Mallorca-Reisen sagen, die jetzt verstärkt angeboten werden.

ADEBAHR (AA): Die Haltung der Bundesregierung zum Thema Reisen ist nach wie vor die Gleiche. Das Fehlen einer Reisewarnung ist keine Einladung zum Reisen.

Wenn Sie sich unsere Reise- und Sicherheitshinweise und auch die geltenden Beschlüsse anschauen, dann raten wir in der derzeitigen Situation weiterhin von allen nicht notwendigen touristischen Reisen, auch ins Ausland, ab. Aber natürlich ist es eine Entscheidung, die jeder für sich treffen muss.

FRAGE: Herr Seibert, müssten denn, wenn man jetzt nach Mallorca reisen kann, nicht auch die deutschen Urlaubsgebiete aufgemacht werden?

SEIBERT: Es ist genau so, wie es Frau Adebahr gerade für das Auswärtige Amt gesagt hat. Das ist die Haltung der Bundesregierung. Wir raten weiterhin von jeder nicht unbedingt notwendigen, also von jeder vermeidbaren Reise ab. Das ist erst einmal die Grundaussage.

Ob einzelne Gebiete und damit auch Urlaubsregionen als Risikogebiete eingestuft werden oder nicht, das hängt von den Inzidenzwerten vor Ort ab. Trotzdem wiederhole ich noch einmal die Aussage: Der Appell ist, auf jede nicht unbedingt notwendige Reise zu verzichten.

Beziehungen zwischen Deutschland und Aserbaidschan

FRAGE: Die Frage geht an das Auswärtige Amt. In Ihrer jüngsten Erklärung zu Aserbaidschan ‑ die ist keine Woche alt ‑ loben Sie Aserbaidschan nur als vortrefflichen und wichtigen Handelspartner. Ist es da nicht an der Zeit, auch einmal auf die Ereignisse und Entwicklungen in Aserbaidschan, die jetzt im Lichte der Coronaverbindungen deutlich geworden sind, einzugehen?

[…]

ADEBAHR (AA): Sie sprechen Aserbaidschan an. Natürlich ist die wirtschaftliche Beziehung zu Aserbaidschan eine Seite. Die andere Seite ist aber zum Beispiel auch die bilaterale Beziehung, was Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte anbetrifft. Da ist es ganz klar so, dass wir unsere Beziehungen zu Aserbaidschan auf der Grundlage eben dieser Werte Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte fortentwickeln wollen und werden. Dazu gehört aus unserer Sicht, dass Aserbaidschan die Verpflichtungen, die es im Rahmen seines Beitritts zum Europarat eingegangen ist, einhält. Da gibt es Defizite, und wir sprechen diese vorhandenen Defizite beispielsweise bezüglich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit regelmäßig in bilateralen Gesprächen mit der aserbaidschanischen Seite an.

Das Gleiche gilt für Gespräche im Rahmen des Europarats und der OSZE. Es gibt auch einen EU-Dialog mit Aserbaidschan, und auch darin sind Menschenrechte ein Thema. Gerade was diesen ganzen Bereich angeht, gibt es Fortschritte in Aserbaidschan. Dazu gehören zum Beispiel die Gründung eines Dialogforums der Regierung mit Nichtregierungsorganisationen im vergangenen Jahr und auch die Umsetzung einiger Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Nichtsdestotrotz ist es aus Sicht der Bundesregierung wichtig, Aserbaidschan weiterhin im Dialog dazu zu ermutigen, seine eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten.

COVID-19-Pandemie: COVAX

FRAGE: Herr Seibert, Frau Adebahr, Sie hatten jetzt COVAX als das Mittel der Bundesregierung genannt, um eben dabei zu helfen, global zu impfen. COVAX muss global sozusagen mehrere Milliarden Menschen impfen und hat die Ziele mehrfach verschoben, weil eben zu wenig Impfstoff vorhanden ist, weil die Industrienationen den Impfstoff aufkaufen. Großbritannien und Frankreich hatten angekündigt, dass sie COVAX Impfstoff schenken würden, um das auszugleichen. Ist von der Bundesregierung etwas Ähnliches geplant, beispielsweise für Ende des Jahres, wenn, wie absehbar ist, in Deutschland mehr als genug Impfstoff vorhanden sein wird?

SEIBERT (BReg): Bezüglich der Frage, ob sich die europäischen Mitgliedstaaten sozusagen zugunsten beispielsweise afrikanischer Staaten dazu bereitfinden, Impfstoff aus ihren Vorräten direkt dorthin zu schicken, gab es ja eine Anregung, einen Vorschlag des französischen Präsidenten. Die Bundeskanzlerin hat sich dazu geäußert und gesagt, dass sie dem im Grunde folgen kann und dass sie das für richtig hält. Aber darüber, zu welchem Zeitpunkt und in welchen Stufen und Schritten das dann erfolgen soll, ist in Europa noch zu sprechen.

ADEBAHR (AA): COVAX, das wir ja finanzieren ‑ ich glaube auch, als einer der größten oder sogar der größte Geber ‑, ist sozusagen ein Mix aus Selbstzahlern und Schenkungen. Über diesen Mechanismus, der ja anläuft, auch wenn man natürlich sagen kann, dass Dinge schneller gehen könnten, wird verschenkt und werden auch schon Dosen im Hunderttausenderbereich nach Indonesien, Afghanistan und Äthiopien ausgeliefert. 28 Millionen Dosen wurden ausgeliefert. Über diesen Mechanismus werden Impfstoffe ja eben auch kostenlos in den Ländern zur Verfügung gestellt.

ZUSATZFRAGE: Herr Seibert, konkret geplant ist das aber aktuell nicht?

SEIBERT: Darüber wird dann mit den europäischen Partnern und auch mit anderen Partnern beispielsweise innerhalb der G7 zu beraten sein. Aber grundsätzlich kann die Bundeskanzlerin sich das vorstellen, ja.

Aber noch einmal zur Abrundung: Wir sind mit den 1,5 Milliarden Euro, die die Bundeskanzlerin bei der G7-Videokonferenz zu diesem Thema zur Verfügung gestellt hat ‑ zusätzlich zu der Zusage von knapp 600 Millionen Euro 2020 ‑ tatsächlich der größte COVAX-Geber.

Syrien

FRAGE: Heute vor zehn Jahren begann der von außen angeheizte Krieg in Syrien mit fatalen Folgen für die Zivilbevölkerung. Plant die Bundesregierung, trotzdem weiterhin an ihrer völkerrechtswidrigen Sanktions- und Regime-Change-Politik gegenüber Syrien festzuhalten? Die Frage richtet sich an das AA und an Herrn Seibert.

ADEBAHR (AA): Die Bundesregierung macht sich Ihre rechtliche Aussage nicht zu eigen. Was wir natürlich heute in der Tat sehen, ist, dass sich der Bürgerkrieg zum zehnten Mal jährt und die Bilanz verheerend ist: Über 500 000 Menschen sind gestorben. Mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung hat ihre Heimat verlassen. Die syrische Wirtschaft liegt aufgrund von Korruption und Missmanagement am Boden. Die humanitäre Lage ist katastrophal. Nach Angaben der Vereinten Nationen hat sich die Zahl der auf humanitäre Hilfe angewiesenen Menschen von elf auf über dreizehn Millionen erhöht.

Eine Lösung für diesen Konflikt, die aus unserer Sicht nach wie vor in politischen Bahnen gefunden werden muss, wird ‑ das ist nach wie vor so ‑ durch das syrische Regime verschleppt, das dafür die Verantwortung trägt und den von den Vereinten Nationen geführten Friedensprozess weiterhin nicht mit vorantreibt. Die Bundesregierung unterstützt aber die Suche nach einer Lösung, die sich im politischen Rahmen abzeichnen sollte. Das ist auch dem Sondergesandten Geir Pedersen zu verdanken, der dort nachdrückliche Arbeit leistet. Aus unserer Sicht ist die völkerrechtliche Grundlage für die Lösung des Syrienkonflikts nach wie vor die Sicherheitsresolution 2254.

Auch im Kampf gegen die Straflosigkeit von Kriegsverbrechen, die in Syrien begangen wurden, ist Deutschland intensiv engagiert und fördert dort Projekte. Es gibt seit 2011 ‑ das wissen Sie ‑ ein umfangsreiches Sanktionsregime der Europäischen Union gegen Syrien. Dieses unterstützen wir nach wie vor.

Ich möchte an dieser Stelle gerne auf das Statement der EU hinweisen, das Sie vielleicht gesehen haben. In diesem Statement ist die geschlossene Haltung der Europäischen Union zu dieser Frage dargestellt.

Ende des Monats ‑ das lassen Sie mich noch anfügen ‑ findet eine sogenannte Brüsseler Konferenz für Syrien und die Region statt. Dort wird es darum gehen, sich mit der humanitären Lage zu befassen und weiter zu fragen, wie man dort Linderung verschaffen kann. Diese wird von der EU und den Vereinten Nationen ausgerichtet. Deutschland plant natürlich eine Teilnahme und auch ein weiteres Engagement im humanitären Bereich.

ZUSATZFRAGE: Eine Verständnisfrage: Sie haben jetzt vehement negiert, dass das EU-Sanktionsregime und auch die entsprechenden Regime-Change-Versuche gegen das Völkerrecht verstoßen. Mich würde interessieren, auf welcher völkerrechtlichen Grundlage die EU-Sanktionen gegen Syrien beruhen und auch die Versuche der Bundesregierung, einen Regime-Change in Syrien zu erreichen.

ADEBAHR: Die völkerrechtliche Grundlage, auf der sich Deutschland und die EU engagieren, ist die Sicherheitsresolution 2254.

ZUSATZ: Ich habe nach den Sanktionen gefragt.

ADEBAHR: Das habe ich beantwortet.

Erklärung EU-Türkei

FRAGE: Verhandelt die Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei und ohne Griechenland einen neuen Flüchtlingspakt, wie das „Handelsblatt“ schreibt?

ADEBAHR (AA): Ich weiß nicht, ob Herr Seibert zu dieser Großthematik etwas sagen will.

Das Flüchtlingsabkommen ist die Grundlage für die Zusammenarbeit mit der Türkei in diesem Bereich. Und das bleibt sie auch.

SEIBERT (BReg): Ich sage gerne etwas dazu. Diese Erklärung EU-Türkei, was ja der offizielle Name ist, ist im beiderseitigen Interesse: im Interesse der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Türkei. Der zentrale Gedanke ist es, Flüchtlingen in der Türkei angemessenen Schutz zu gewährleisten und ihnen dort Lebensperspektiven zu schaffen, sodass sie keine Veranlassung haben, irregulär in die EU zu migrieren.

Insgesamt ist es durch die jahrelange Umsetzung dieser Erklärung EU-Türkei gelungen, erstens das tödliche Geschäftsmodell der Schlepper in der Ägäis wirkungsvoll zu bekämpfen und zweitens die Zahl der illegalen Einreisen von der Türkei nach Griechenland erheblich zu begrenzen und damit ‑ und das ist ja auch sehr wichtig ‑ auch die Zahl der Todesfälle in der Ägäis zu begrenzen.

Die Türkei ‑ und daran muss man immer wieder erinnern ‑ hat mehrere Millionen von syrischen Flüchtlingen aufgenommen und versorgt sie, auch mit Unterstützung der Europäischen Union. Dafür gebührt ihr Anerkennung. Sie hat sich, was diese Menschen angeht, erhebliche Verdienste erworben. Durch die Unterstützung der Europäischen Union hat sich die Lage der Flüchtlinge in der Türkei erheblich verbessert. 1,7 Millionen Flüchtlinge können mit den Finanzierungsmöglichkeiten, die aus Europa kommen, ihre Grundbedürfnisse decken. Über eine halbe Million Flüchtlingskinder können eine Schule besuchen. Das sind also sehr sinnvoll investierte Mittel.

Die Mittel in Höhe von sechs Milliarden Euro, die aus der sogenannten Fazilität für Flüchtlinge beschlossen waren, wurden laut Kommission in voller Höhe an konkrete Projekte gebunden und vertraglich vergeben. Davon sind schon über vier Milliarden Euro ausgezahlt. Hierbei geht es um Projekte in den Bereichen Bildung, Gesundheit, kommunale Infrastruktur und Migrationsmanagement, zum Beispiel sozioökonomische Unterstützung in Bezug auf den Arbeitsmarkt.

Aus Sicht der Bundesregierung ist dieses wirklich für beide Seiten wichtige Abkommen etwas, bezüglich dessen die Fortführung Sinn ergibt. Die Verhandlungsführung für alle Mitgliedstaaten liegt bei der Europäischen Union. Die Europäische Kommission steht in dem Zusammenhang auch im Austausch mit der Türkei. Sie wissen, dass der Europäische Rat Ende dieses Monats das Thema Beziehungen zwischen der Türkei und der EU auf der Tagesordnung hat.

ZUSATZFRAGE: Ist das so zu verstehen, dass Griechenland auch dabei ist?

SEIBERT: Eine EU-Türkei-Erklärung ist immer eine Erklärung der EU ‑ stellvertretend für ihre 27 Mitgliedstaaten ‑ gegenüber einem Drittpartner. Das ist bei diesem genauso.

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