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Humanitäres Völkerrecht

Evakuierung besonders verletzlicher Zivilpersonen aus einem Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Evakuierung besonders verletzlicher Zivilpersonen aus einem Kampfgebiet im Osten der Ukraine, © ICRC

13.12.2019 - Artikel

Das Humanitäre Völkerrecht normiert Prinzipien und Regeln für die Beteiligten bewaffneter Konflikte und bildet damit einen wesentlichen Teil des Völkerrechts.

Mit seiner Hilfe soll das Leiden, das durch Kriege verursacht wird, verringert werden, indem es die Opfer schätzt und ihnen beisteht, soweit dies möglich ist.

Begriff

Das humanitäre Völkerrecht bezieht sich auf Zeiten bewaffneter Konflikte, ist um den Ausgleich zweier gegenläufiger Interessen bemüht – auf der einen Seite die Berücksichtigung militärischer Interessen, auf der anderen Seite die Bewahrung des Prinzips der Menschlichkeit – und enthält Bestimmungen sowohl zum Schutz von Personen, die nicht oder nicht mehr an den Feindseligkeiten teilnehmen, als auch Beschränkungen der Kriegsmethoden und -mittel.

Ein wichtiger Zweck des humanitären Völkerrechts besteht in der Begrenzung des Leidens, das durch Kriege verursacht wird, in dem es die Opfer schützt und ihnen beisteht soweit dies möglich ist. Es knüpft damit an die internationale Realität bewaffneter Konflikte an und fragt gerade nicht nach den Gründen oder der etwaigen völkerrechtlichen Berechtigung zur Führung eines bewaffneten Konflikts.

Rechtsquellen

Rechtsnormen zur Mäßigung der Kriegführung und Linderung des Leides sind so alt wie der Krieg selbst. Das moderne humanitäre Völkerrecht fand seinen Ursprung in der Gründung des Roten Kreuzes im Jahr 1863 und der Annahme der ersten Genfer Rot-Kreuz-Konvention von 1864 (Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten). Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ergab sich eine bis heute fortschreitende Kodifikationsbewegung, deren wichtigste Bausteine die Haager Abkommen von 1899 und 1907, die 1949 verabschiedeten vier Genfer Abkommen sowie die 1977 und 2005 verabschiedeten Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen darstellen. Während die Haager Abkommen vor allem Regeln zur Kriegsführung kodifiziert haben (Haager Recht), enthalten die Genfer Konventionen insbesondere Vorschriften zum Schutz von Verwundeten, Kriegsgefangenen und Zivilisten in bewaffneten Konflikten (Genfer Recht).

In den letzten Jahrzehnten hinzugetreten sind das Umweltkriegsübereinkommen (1977), das VN-Waffenübereinkommen (1980), das Chemiewaffenübereinkommen (1993), das Ottawa-Abkommen über das Verbot von Personenminen (1997) und das Übereinkommen über Streumunition (2008). Ein weiteres bedeutendes Abkommen des Humanitären Völkerrechts ist das Haager Übereinkommen zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten von 1954 sowie die zwei Protokolle zu diesem Übereinkommen.

Viele Vorschriften der genannten Abkommen, insbesondere die Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den Auswirkungen des Kriegs, stellen heute unabhängig von der vertraglichen Bindung ein für alle Staaten geltendes Völkergewohnheitsrecht dar. Das humanitäre Völkergewohnheitsrecht ist vor allem für die nicht-internationalen bewaffneten Konflikte bedeutsam, da für diese bislang weniger völkervertragsrechtliche Regelungen bestehen. In einer umfangreichen Studie hat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) 2005 untersucht, welche Regeln im Bereich des humanitären Völkerrechts völkergewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen können.

Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte

Das humanitäre Völkerrecht und der internationale Menschenrechtsschutz ergänzen sich wechselseitig. Beide streben den Schutz des Einzelnen an, jedoch unter unterschiedlichen Umständen und in unterschiedlicher Weise. Während das Humanitäre Völkerrecht auf die Situation bewaffneter Konflikte abstellt, zielt der internationale Menschenrechtsschutz vor allem auf den Schutz des Einzelnen vor staatlichen Übergriffen in Friedenszeiten.

Allerdings verliert ein „harter Kern“ von Menschenrechten auch in Zeiten bewaffneter Konflikte nicht seine Geltungskraft (sogenannter „menschenrechtlicher Mindeststandard“). Der internationale Menschenrechtsschutz kennt keine Normen über die Begrenzung der Mittel und Methoden der Kriegführung, die einen wesentlichen Regelungsinhalt des humanitären Völkerrechts bilden.

Wesentliche Grundsätze

Grundlegendes Ziel aller Normen des humanitären Völkerrechts ist der Ausgleich zweier gegenläufiger Interessen: Auf der einen Seite die Berücksichtigung militärischer Belange, auf der anderen Seite die Bewahrung des Prinzips der Menschlichkeit in bewaffneten Konflikten. Hieraus ergeben sich einige tragende Grundsätze des humanitären Völkerrechts:

  • Weder die Konfliktparteien noch die Angehörigen ihrer Streitkräfte haben uneingeschränkte Freiheit bei der Wahl der zur Kriegführung eingesetzten Methoden und Mittel. So ist der Einsatz jeglicher Waffen und Kampfmethoden verboten, die überflüssige Verletzungen und unnötige Leiden bewirken.
  • Zum Zwecke der Schonung der Zivilbevölkerung und ziviler Objekte ist jederzeit zwischen Zivilbevölkerung und Kombattanten zu unterscheiden. Weder die Zivilbevölkerung als Ganzes noch einzelne Zivilisten dürfen angegriffen werden. Angriffe dürfen ausschließlich auf militärische Ziele gerichtet sein.
  • In der Gewalt einer gegnerischen Partei befindliche Kämpfer und Zivilisten haben Anspruch auf Achtung ihres Lebens und ihrer Würde. Sie sind vor jeglichen Gewalthandlungen oder Repressalien zu schützen.
  • Es ist verboten, einen Gegner, der sich ergibt oder zur Fortsetzung des Kampfes nicht in der Lage ist, zu töten oder zu verletzen.

Institutionen

Die bedeutendste Institution zur Wahrung und Förderung des Humanitären Völkerrechts ist das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Das IKRK ist eine Organisation mit partieller Völkerrechtsfähigkeit, die sich als ein Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Genf konstituiert hat.

Die Arbeit des IKRK im Rahmen internationaler bewaffneter Konflikte beruht auf den vier Genfer Konventionen von 1949 und dem Zusatzprotokoll I von 1977. Darin ist das Recht des IKRK auf Entfaltung bestimmter Aktivitäten ausdrücklich anerkannt, zum Beispiel Hilfeleistungen für verwundete, kranke oder schiffbrüchige Soldaten, Besuch von Kriegsgefangenen und Hilfe für Zivilpersonen. Auch in Bürgerkriegen ist das IKRK auf Grund des Gemeinsamen Artikels 3 der Genfer Konventionen berechtigt, Kriegsparteien seine Dienste anzubieten. Grundvoraussetzung für die Arbeit des IKRK ist seine Überparteilichkeit und Neutralität.

Das IKRK und die nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften bilden, zusammen mit der internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Ihre Repräsentanten treffen sich mit den Vertretern der Vertragsparteien der Genfer Konventionen auf internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenzen, die in der Regel alle vier Jahre stattfinden.

Daneben kommt der Internationalen Humanitären Ermittlungskommission, die sich gemäß Artikel 90 des I. Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949 konstituiert hat, eine besondere Bedeutung bei der Beachtung und Durchsetzung des Humanitären Völkerrechts zu. Bei der Internationalen Humanitären Ermittlungskommission handelt es sich um ein Gremium von 15 unabhängigen Experten, das in Staaten, die die Zuständigkeit der Kommission anerkannt haben (knapp die Hälfte der Staaten weltweit), schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht untersuchen soll.

Weitere Informationen

Dokumente Humanitäres Völkerrecht, 2. Auflage
Dokumente Humanitäres Völkerrecht, 2. Auflage© Academia Verlag

Dokumente zum Humanitären Völkerrecht (2. Auflage 2012; ISBN 978-3-89665-564-6)
Eine gemeinsame Veröffentlichung des Auswärtigen Amts, des Deutschen Roten Kreuzes und des Bundesministeriums der Verteidigung
Textsammlung (zweisprachige Publikation in deutsch und englisch; 1200 Seiten)

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