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Aktive Friedenspolitik - Außenministerin Baerbock stellt außen- und sicherheitspolitisches Konzept für ein integriertes Friedensengagement vor
Während ihrer Nigeria-Reise besuchte Außenministerin Baerbock das durch die Terrororganisation Boko Haram zerstörte und mit deutschen Mitteln wiederaufgebaute Dorf Ngarannam (18.-20-12-2022)., © Florian Gaertner
Wie das Auswärtige Amt künftig effektiver Krisenherde stabilisieren will? Das neue Konzept für ein integriertes Friedensengagement weist den Weg.
Die Zahl der Konflikte weltweit nimmt zu, gleichzeitig überspannen Krisen auch immer mehr Landesgrenzen und betreffen oft ganze Regionen. Gleichzeitig werden die Folgen der Klimakrise immer spürbarer und wirken vielerorts wie ein Brandbeschleuniger für bestehende Konflikte. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist nicht nur eine direkte Bedrohung Europas, sondern verschärft weltweit die Ernährungsunsicherheit und untergräbt internationale Prinzipien wie das allgemeine Gewaltverbot. Vor diesem Hintergrund hat das Auswärtige Amt ein neues außen- und sicherheitspolitisches Konzept für ein integriertes Friedensengagement erarbeitet. Es basiert auf den Erfahrungen der letzten Dekade, fügt sich in die neue nationale Sicherheitsstrategie ein, setzt auf eine engere Verzahnung unserer verschiedenen Instrumente und stellt den Menschen in den Mittelpunkt.
Außenministerin Annalena Baerbock stellte diesen neuen Ansatz am 19. Dezember 2022 bei ihrem Besuch des Dorf Ngarannam im Nordosten Nigerias vor, dessen Wiederaufbau Deutschland fördert. Die Terrororganisation Boko Haram hatte das Dorf – wie viele andere – 2015 im wahrsten Sinne des Wortes dem Erdboden gleichgemacht und die Bevölkerung vertrieben. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurde besonders darauf geachtet, das Dorf durch den Bau von Wachtürmen und Schutzanlagen vor künftigen Angriffen zu schützen und mit einer Polizeistation, einer Schule und einem Krankenhaus staatliche Strukturen wieder zurückzubringen. Bei all dem wurden die Dorfbewohner durch ein lokales Stabilisierungskomitee mit einbezogen.
Sicherheit bedeutet nicht nur, Terrorismus zurückzudrängen, sondern, dass die Menschen vor Ort sich wieder auf staatliche Strukturen verlassen können, dass sie wieder Vertrauen fassen in die Polizei, dass sie eine Zukunftsperspektive für ihre Kinder sehen, durch Bildung, durch Gesundheitsversorgung und Ernährungssicherheit. Deswegen haben wir als Bundesregierung unsere Stabilisierungspolitik auf neue Füße gestellt, auch als Lehre aus Afghanistan, indem wir zivile Instrumente und Sicherheitskooperation eng miteinander verzahnen.
– Außenministerin Baerbock
Was bedeutet integriertes Friedensengagement konkret?
Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung sind die drei zentralen Säulen des integrierten Friedensengagements. In allen drei Bereichen setzen wir dabei auf ein integriertes Vorgehen. Das heißt: Das Handeln deutscher Institutionen soll dabei verzahnt und noch besser mit anderen internationalen Akteuren in Krisenregionen abgestimmt werden. Denn das Zusammenwirken von humanitärer Hilfe, Friedensförderung und Entwicklungszusammenarbeit ist bei der Prävention von Krisen ebenso wie bei der Stabilisierung, Befriedung und langfristigen Entwicklung von Regionen von wesentlicher Bedeutung. Die verschiedenen zivilen Instrumente, wie z.B. die Reform des Sicherheitssektors, Friedensmediation und Wahlförderung, mit polizeilichen und militärischen Elementen, wie Ausbildung, Ertüchtigung oder gar eigenem militärischen Vorgehen, müssen daher zusammen gedacht und in der Praxis verbunden werden – stets eingebettet in multilaterale oder internationale Koalitionen.
Dabei gilt es, möglichst frühzeitig zu handeln und zugleich flexibel zu bleiben, um Krisen nachhaltig einzudämmen. Denn Lösungen, die zugleich schnell und perfekt sind, gibt es im Krisenengagement nicht. Das neue Konzept für ein integriertes Friedensengagement legt daher besonderes Augenmerk auf eine lernende, flexible Vorgehensweise und realistische Ziele. Welcher Ansatz bringt wo konkrete, positive Ergebnisse, welcher weniger und warum? Was hilft in einer bestimmten Region auf dem Weg zu einem langfristigen Frieden? Was sichert Menschenrechte? Was verbessert die Situation von Frauen und Kindern und stärkt marginalisierte Gruppen? All diese Faktoren beobachten wir in jedem Einzelfall und justieren wo nötig nach.
Es geht darum, durch passgenaue Projekte in einem Land diejenigen zu stärken, die an politischen Lösungen und Zusammenarbeit interessiert sind. Wenn Deutschland z.B. zusammen mit anderen Partnern dabei hilft, dass Regierungen, Sicherheitskräfte und lokale Gemeinschaften durch gemeinsames Handeln mehr Vertrauen ineinander fassen, dann können Vertriebene in ihre Heimat zurückkehren und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen. So entsteht eine Brücke aus der Krise hin zum Frieden. Wenn Expert*innen für Mediation - wie z.B. im Sudan - hinter den Kulissen Konfliktparteien zusammenbringen und sie zu effektiven Verhandlungen befähigen, steigen die Chancen für einen friedlichen Ausgleich. Wenn im Irak die Verbrechen eines Krieges aufgeklärt werden und eine Basis für Versöhnung entstehen kann, dann sinkt das Risiko einer erneuten Gewaltspirale.
Stabilisierung im Haushalt des Auswärtigen Amts
Die wachsende Bedeutung des deutschen Friedensengagements schlägt sich auch in den zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln nieder. Der Deutsche Bundestag bewilligte im Jahr 2022 für Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung 595 Mio. Euro, davon 110 Mio. Euro Sondermittel für die Ukraine und zur Bewältigung der weltweiten Auswirkungen des russischen Angriffskrieges.