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Phasen des Erweiterungsprozesses

Justus-Lipsius-Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel

Justus-Lipsius-Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel © Thomas Trutschel/photothek.de

14.08.2025 - Artikel

Das Beitrittsverfahren ist ein langer Prozess und folgt einem genauen „Fahrplan“.

Den offiziellen Start begründet der Antrag eines Staates auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Diesen richtet das Land an den Rat der Europäischen Union, der in einem nächsten Schritt die Europäische Kommission zur Prüfung des Beitrittsantrags auffordert. Die Bewertung der Europäischen Kommission erfolgt anhand der Bedingungen und Kriterien des Erweiterungsprozesses.

In einer Stellungnahme („Avis“) spricht die Europäische Kommission Empfehlungen für weitere Annäherungsschritte aus. Je nach Vorbereitungsstand des Bewerberlandes hinsichtlich der Erfüllung der Beitrittskriterien empfiehlt die Europäische Kommission dem Rat der EU die Verleihung des Kandidatenstatus und eventuell zusätzlich die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit dem Bewerberstaat. Spricht die Europäische Kommission keine solche Empfehlung aus, nennt sie in der Regel sogenannte „Benchmarks“ (Vorgaben), die das beitrittswillige Land für weitere Annäherungsschritte erfüllen muss.

Auf Grundlage dieser Stellungnahme und der Empfehlung der Europäischen Kommission entscheidet der Rat der EU einstimmig, ob ein Kandidatenstatus verliehen werden soll und ob Beitrittsverhandlungen eröffnet werden.

Screening und Monitoring

Zur Vorbereitung der Beitrittsverhandlungen prüft die Europäische Kommission im Rahmen eines sogenannten „Screenings“ für jedes Verhandlungskapitel, inwieweit das nationale Recht des Kandidatenlandes von dem EU-Acquis abweicht und entsprechender Anpassung bedarf. Die einzelnen Verhandlungskapitel werden thematisch in Clustern zusammengefasst. Ziel ist es, eventuelle Defizite und Probleme bei der Umsetzung des EU-Acquis zu identifizieren sowie den aktuellen Bedarf für Übergangsfristen und -lösungen zu ermitteln. Die Europäische Kommission informiert den Rat der EU über die Ergebnisse des Screenings und spricht gegebenenfalls eine Empfehlung zur Eröffnung des ersten Verhandlungsclusters aus. Sie kann dem Rat der EU auch die Forderung bestimmter Benchmarks empfehlen, die das Kandidatenland zuvor erfüllen muss. Beispielsweise kann das Kandidatenland aufgefordert werden, einen ausführlichen Aktionsplan für die Übernahme des EU-Acquis vorzulegen.

Bis zum EU-Beitritt überwacht die Europäische Kommission im Rahmen des sogenannten „Monitorings“ die Fortschritte des Beitrittskandidaten im Annäherungsprozess. Sie informiert den Rat der EU und das Europäische Parlament in regelmäßigen Berichten und Strategiepapieren über die Entwicklungen des Kandidatenlandes im Hinblick auf die Erfüllung gesetzter Benchmarks und die Übernahme beziehungsweise Implementierung des EU-Acquis.

Die Dauer der Beitrittsverhandlungen wird vom Reformtempo und den Annäherungsfortschritten des Beitrittskandidaten bestimmt und kann daher stark variieren. Auch wenn das Ziel der Verhandlungen der EU-Beitritt des Kandidatenlandes ist, bleibt der Ausgang der Verhandlungen bis zum Abschluss des Prozesses offen.

Verhandlungsmandat und Rahmenbedingungen

Erteilt der Rat der EU der Europäischen Kommission ein Mandat zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, können diese beginnen. Inhalt der Verhandlungen sind Fristen und Bedingungen zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstandes der EU (Acquis) durch das Kandidatenland. Der Acquis, dessen Inhalte selbst nicht verhandelbar sind, wird für die Verhandlungen in sechs thematische Cluster mit insgesamt 35 Kapiteln unterteilt.

Die Verhandlungen finden faktisch auf zwei Ebenen statt. Im Rat legen die Mitgliedsstaaten auf Vorschlag der Kommission den Verhandlungsrahmen fest. Daneben werden die Mandate der Kommission für jedes Kapitel verhandelt. Die Kommission führt die Verhandlungen mit dem Kandidatenstaat. Öffnungen von Verhandlungsclustern und Schließungen von Verhandlungskapiteln finden auf von der EU-Ratspräsidentschaft angesetzten sogenannten „Regierungskonferenzen“ (Intergovernmental Conference) nach einstimmiger Zustimmung aller Mitgliedstaaten, statt.

Seit 2004 beinhalten die Verhandlungsrahmen eine „Suspensions-Klausel“ zur möglichen Aussetzung der Verhandlungen im Falle schwerwiegender und anhaltender Verletzungen der Grundwerte der EU: Freiheit, Demokratie, Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sowie Rechtstaatlichkeit. Der Europäische Rat entscheidet nach Anhörung des Beitrittskandidaten mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Europäischen Kommission, die entweder von sich aus oder auf Antrag eines Drittels der EU-Mitgliedstaaten tätig wird, sowohl über die Aussetzung als auch über die Wiederaufnahme der Verhandlungen.

Mit einer „Absorptionsklausel“ berücksichtigen die Verhandlungsrahmen außerdem die Aufnahmefähigkeit der EU.

Im Verhandlungsrahmen mit Montenegro wurden erstmals die „Rechtsstaatlichkeitskapitel“ 23 („Justiz und Grundrechte“) und 24 („Recht, Freiheit und Sicherheit“) in den Mittelpunkt der Verhandlungen gerückt. Sie werden fortan gleich zu Beginn, vertiefter und länger behandelt. Der Gesamtfortschritt der Verhandlungen wird an die Fortschritte in diesen Kapiteln geknüpft. Das Verfahren wurde zwischenzeitlich auch in die Verhandlungsrahmen mit Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Moldau und der Ukraine übernommen.

Abschluss der Verhandlungen und Beitrittsvertrag

Sehen alle Mitgliedstaaten die Schließungsbedingungen für ein bestimmtes Kapitel als erfüllt an, kann das Verhandlungskapitel vorläufig geschlossen werden. Die endgültige Schließung der Kapitel erfolgt am Ende der Beitrittsverhandlungen.

Nach Abschluss der Verhandlungen wird ein Beitrittsvertrag entworfen, der die Ergebnisse der Verhandlungen enthält, d.h. etwaige Übergangsfristen und Schutzklauseln, Bestimmungen über notwendige Anpassungen der EU-Institutionen und Verträge (zum Beispiel Stimmgewichtung und Sitzverteilung) und das voraussichtliche Beitrittsdatum. Der Beitrittsvertrag bedarf der Billigung durch den Rat der EU, die Europäische Kommission sowie das Europäische Parlament, bevor er von den Mitgliedstaaten der EU und dem Beitrittskandidaten unterzeichnet werden kann. Mit der Unterzeichnung des Vertrages erhält das Kandidatenland den Status eines „beitretenden Staates“ und damit gewisse Vorrechte bis zu seinem endgültigen EU-Beitritt. So kann das Land bereits in diesem Stadium des Beitrittsprozesses an Sitzungen der EU-Organe als „aktiver Beobachter“ teilnehmen und besitzt dort ein Rede- aber kein Stimmrecht.

Anschließend folgt die Ratifizierung des Beitrittsvertrages durch jeden EU-Mitgliedsstaat und den Beitrittskandidaten nach jeweiligen internen Bestimmungen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, tritt der Beitrittsvertrag an dem vorgesehenen Datum in Kraft und besiegelt damit die Vollmitgliedschaft des beitretenden Staates.

Mehr zu den Phasen des Erweiterungsprozesses auf der Webseite der EU-Kommission (englisch).

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