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„Die Türkei, ein unverzichtbarer Partner“

03.02.2014 - Interview

Außenminister Steinmeier spricht mit der türkischen Zeitschrift Hürriyet über den Stand der deutsch-türkischen Beziehungen. Erschienen am 01.02.2014.

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Was für Akzente möchten Sie in den Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei setzen?

Für Deutschland ist die Türkei ein wichtiger und unverzichtbarer Partner. Dabei denke ich an die drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Deutschland leben und unsere Länder eng miteinander verbinden. Sie erwarten zu Recht, dass wir dem Dialog mit der Türkei eine besondere Aufmerksamkeit schenken. Das tue ich gern und aus voller Überzeugung. Neben dieser menschlichen Dimension unserer bilateralen Beziehungen zeigt ein Blick auf die Landkarte, welch große Bedeutung der Türkei in einer geostrategisch sehr exponierten Lage in einer alles andere als stabilen Region auch international zukommt. Ich denke hier vor allem an die furchtbare, aber auch gefährliche Lage in Syrien, die wahrscheinlich noch eine ganze Weile ganz oben auf unserer Agenda stehen wird. Bei einer Lösung der Syrien-Krise spielt die Türkei eine ganz wichtige Rolle. Aber auch von Deutschland wird zurecht erwartet, dass es seiner Verantwortung als Stabilitätsanker in Europa gerecht wird und seinen Beitrag zur internationalen Friedenssicherung leistet. Deshalb wollen wir den deutsch-türkischen strategischen Dialog aktiv nutzen und weiter ausbauen.

Wie beurteilen Sie die Haltung der türkischen Regierung zu den Beitrittsverhandlungen, auch vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in der Türkei?

Die Türkei ist ein großes Land, in dem in den letzten Jahren vieles in Bewegung geraten ist. Die Türkei hat einen imposanten wirtschaftlichen Aufstieg genommen. Das sage ich ausdrücklich auch angesichts der aktuellen Turbulenzen der türkischen Lira. Die türkische Gesellschaft hat sich verändert und weiter entwickelt. Um zu verstehen, wie meine Gesprächspartner die Lage in ihrer Heimat einordnen, will ich in unseren Gesprächen ehrliche Fragen stellen und zuhören. Die Rufe aus der Mitte der türkischen Gesellschaft nach mehr Teilhabe, auch nach mehr Offenheit, zeigen doch, dass die Reformanstrengungen, die von der Regierung Erdoğan im Beitrittsprozess angegangen wurden, Wurzeln geschlagen haben. Eine selbstbewusste Regierung kann auf friedliche Anfechtungen und Proteste mit Gelassenheit und Dialogbereitschaft reagieren. Es stehen nun Korruptionsvorwürfe im Raum. Hier kann sich der moderne türkische Rechtsstaat beweisen. Im Verlauf der weiteren Beitrittsgespräche – von denen ich hoffe, dass sie von beiden Seiten konstruktiv fortgesetzt werden -, werden wir das natürlich zu gegebener Zeit auch besprechen.

In Syrien tobt ein Bürgerkrieg. Die Türkei ist dadurch sehr belastet und fühlt sich alleingelassen. Wie könnte die EU die Türkei unterstützen? Wie beurteilen Sie die Politik der Türkei bezüglich einer Lösung in Syrien?

Der mörderische Konflikt in Syrien strahlt in die gesamte Nachbarschaft aus. Die Menschen im Grenzgebiet der Türkei zu Syrien leben ständig in großer Sorge. Deutschland steht in dieser Lage fest an der Seite seines NATO-Partners Türkei: Der Bundestag hat vor kurzem mit großer, parteiübergreifender Mehrheit den Einsatz deutscher Patriot-Luftabwehrsysteme zum Schutz der Bevölkerung vor Raketenangriffen verlängert.

Der humanitäre Druck auf die Türkei ist immens. Dass die Türkei in dieser Situation bereits Hunderttausende syrischer Flüchtlinge aufgenommen hat, ist eine sehr großzügige Geste des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft der Türken mit den Menschen in Syrien. Deutschland leistet aktiv Hilfe bei der Versorgung der Flüchtlinge über deutsche Nichtregierungsorganisationen, aber auch mittels unserer Beiträge zum UN-Flüchtlingshilfswerk. Wir versuchen, durch direkte Hilfe in den syrischen Grenzgebieten, die Versorgungslage dort zu verbessern und die Türkei damit zu entlasten. Auf politischer Ebene koordinieren wir uns eng mit der türkischen Regierung. Auch bei unseren Gesprächen in Berlin wird die Abstimmung zum weiteren Vorgehen in der Syrien-Frage breiten Raum einnehmen.

Was für eine Rolle kann Iran bei den Friedensverhandlungen in Syrien spielen?

Die Regierung in Teheran hat sicher Einfluss auf das Regime von Bashar al-Assad. Iran sollte diesen Einfluss nutzen, um Damaskus zu einer konstruktiven Haltung bei den Friedensverhandlungen zu bringen. Wenn Iran den Nachweis erbracht hat, dass er willens ist, sich für Frieden in Syrien einzusetzen, dann werden immer mehr auch die Widerstände schwinden, die es bislang noch gegen eine offizielle Einbindung in die Genf-Verhandlungen gibt.

Interview: Celal Özcan. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Hürriyet.

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