Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 15.03.2024

15.03.2024 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Ich habe eine Frage an Herrn Fischer zu dem Kontext der Reise: Können Sie noch einmal sagen, wie der Stand der Hilfslieferungen ist? Denn das wird ja wahrscheinlich auch bei den Gesprächen des Kanzlers ein Thema sein. Es gab ja die Überlegung, das erste Schiff probeweise von Zypern aus mit Hilfsgütern Richtung Gaza zu schicken, und dann kam die Luftbrücke. Ist man irgendwie weitergekommen, was den Hafen angeht? Wie lange soll die Luftbrücke noch anhalten?

Fischer (AA)

Vielleicht fangen wir einmal mit dem Offensichtlichen an: Es ist so, dass derzeit immer noch nicht genug humanitäre Hilfe in den Gazastreifen kommt. Sie wissen ja, dass die einfachste und effektivste Methode, humanitäre Hilfe in den Gazastreifen zu bringen, der Landtransport ist. Daran arbeiten wir weiter, und wir rufen auch dazu auf, dass die Grenzkontrollen effektiver und schneller gestaltet werden. Wir rufen Israel auch dazu auf, weitere Grenzübergänge in den Gazastreifen ‑ Erez und Karni fallen mir da ein ‑ und auch den Hafen Ashdod für Lieferungen in den Gazastreifen zu öffnen.

Die Seebrücke, wenn man sie so nennen will, und auch die Abwürfe von Hilfsgütern aus der Luft sind nur ergänzend. Sie können sozusagen den großen Umfang, der benötigt wird, um die Menschen in Gaza ausreichend zu versorgen, nicht vollumfänglich abdecken.

Was die Seebrücke angeht, so ist das Schiff „Open Arms“ jetzt losgefahren. Nach allem, was ich gehört habe, befindet es sich jetzt kurz vor Gaza. Dort hat man in den letzten Tagen damit begonnen, einen Behelfspier aufzuschütten, in der Hoffnung, dass das die Entladung ermöglichen wird. Aber noch einmal: In Gaza gibt es keinen funktionierenden Hafen, deshalb ist die Entladung der Schiffe weiterhin schwierig. Was das Projekt der US-Amerikaner angeht, einen Behelfshafen zu bauen, so wird es auch noch einige Zeit dauern, bis das sozusagen fruchtbar wird für die Nutzung. Deshalb ergeht auch der Appell an unsere israelischen Freunde, endlich den Hafen Ashdod für den Seetransport und die Seeanlandung von Hilfsgütern zu öffnen; denn dort steht die Hafeninfrastruktur zur Verfügung, dort können Schiffe ohne Probleme entladen werden.

Was den Transport über die Luft angeht, so haben Sie ja vernommen, dass die Bundeswehr jetzt mit Flugzeugen in Jordanien präsent ist. Dazu wird der Kollege sicherlich ausführen können. Ich kann dazu sagen, dass wir die Beladung der beiden Maschinen mit Hilfsgütern sichergestellt haben. In den Maschinen werden vor Ort in Jordanien Hilfsgüter des World Food Programme geladen sein, deren Finanzierung vom Auswärtigen Amt übernommen worden ist. Geplant ist der Abwurf von Lebensmittelpaketen und Medikamenten. ‑ Zum Ablauf würde ich den Kollegen bitten, sich zu äußern.

Müller (BMVg)

Ich kann dazu vielleicht noch ein kurzes Update geben. Aktuell sind beide Luftfahrzeuge vor Ort, was knapp zwei Tage nach der Entscheidung eine super Leistung aller Beteiligten ist, vor allen Dingen auch der Besatzungen und des Unterstützungspersonals, welches mitgeflogen ist. Sie müssen sich vorstellen, dass viele Soldatinnen und Soldaten mit ihrem Gepäck erst einmal für unbestimmte Zeit aufgebrochen sind. Nach zwei Tagen inklusive Zwischenstopps in Südfrankreich und in Deutschland zur Aufnahme von entsprechendem Material ‑ wir reden hier von Packmaterial, Paletten und Fallschirmsystemen ‑ jetzt in Jordanien vor Ort zu sein, ist eine Superleistung und spricht für die Geschwindigkeit und die Flexibilität, die hier von allen Beteiligten an den Tag gelegt wurde.

Wie geht es weiter? ‑ Die Crews werden sich jetzt vor Ort mit den Gegebenheiten vertraut machen, sich mit den multinationalen Partnern absprechen und koordinieren. Hier geht es dann auch um Einweisungen. Die werden jetzt viele Briefings haben. Dann werden wir in den nächsten Tagen hoffentlich die nächsten Schritte sehen.

Zusatzfrage

Ich habe nur eine ganz kurze Nachfrage, Herr Müller: Ist geplant, dass diese Luftbrücke endet, sobald die Seeversorgung steht, oder wie ist das gedacht? Was haben Sie da für einen Zeitplan?

Müller (BMVg)

Wir haben noch keinen Zeitplan. Wir sind darauf eingestellt, dass wir so lange zur Verfügung stehen, wie der Transport- bzw. der Absetzbedarf besteht, wie die Hilfsgüter bereitgestellt werden und wie die Systeme zur Verfügung stehen. Das sind die Rahmenbedingungen. Über die Verknüpfung zur Seebrücke haben wir keine Informationen.

Fischer (AA)

Ich glaube, dass momentan einfach jedes Hilfspaket, das in Gaza ankommt, zählt, ob aus der Luft, über Land oder über See. Momentan ist die Lage so, dass bis auf Weiteres erst einmal alle drei Wege gebraucht werden.

In diesem Zusammenhang richte ich von unserer Seite auch noch einmal einen wirklich herzlichen Dank an die Bundeswehr, dass sie auf unsere Bitten hin so schnell in der Lage war, Soldaten und Flugmaterial zur Verfügung zu stellen.

Frage

Ich habe auch Nachfragen zu den Hilfsflügen. Wann wird das erste Hilfspaket von deutschen Flugzeugen aus abgeworfen? In welcher Taktung ist das geplant, also wie oft und wie viel wird die Bundeswehr da fliegen?

Müller (BMVg)

Das sind Informationen, die jetzt noch nicht belastbar feststehen. Wie ich gerade gesagt habe, ist jetzt normalerweise der Prozess, dass die Crews vor Ort ankommen. Ich möchte auch noch einmal die enge Kooperation mit Frankreich betonen. Wir stützen uns nicht nur auf die Systeme, die schon erprobt sind ‑ das gilt auch für das Luftfahrzeug vor Ort ‑, sondern wir nutzen auch französische Expertise. Ladungsmeister und Ladungsmeisterinnen werden mitfliegen, und auch vor Ort haben wir Unterstützungspersonal aus Frankreich. Da gibt es also eine ganz enge Kooperation auf allen Ebenen. Das wollte ich hier noch einmal betonen.

Zur Frage, was jetzt vor Ort geschieht: Wie gesagt, es geht um das Vertrautmachen mit der Umgebung, mit den Luftraumstrukturen, mit den Prozessen vor Ort. Das Material, das dort angeliefert wird, wird verpackt und dann auf die verfügbaren Luftfahrzeuge verteilt. Da wird dann ein Plan erstellt, und entlang dieses Planes wird es in den nächsten Tagen bestenfalls zu den ersten Absetzverfahren kommen. Inwieweit die dann mehrfach fliegen können, hängt einfach von den Faktoren ab, die vor Ort existieren: Wie oft können Paletten neu gepackt werden, wie oft kommen Hilfsgüter an und wie sieht die Luftraumfreigabe aus? Das sind einfach Faktoren, die ich jetzt nicht vorwegnehmen kann.

Frage

Wie ist denn die Mannes- oder Frauenstärke derjenigen Crews, die runtergeflogen sind? Wie viele sind das? Wie viele sind dort von der Bundeswehr angekommen?

Zweitens: Deutschland beteiligt sich ja bei den Hilfsgütern und auch an dem Schiff. Wie sieht die Beteiligung Deutschlands bei der Seebrücke aus?

Müller (BMVg)

Ich habe dazu noch keine aktuellen Zahlen. Sie können davon ausgehen, dass eine Crew zwischen sechs und acht Personen plus Unterstützungspersonal umfasst. Wir reden hier von Ops-Personal, welches dann am Boden Kontakt zu weiteren Koordinierungsstellen, zu Partnern usw. hält und sich auch vor Ort um die Versorgung und Unterbringung der Crew usw. kümmert. Ich werde probieren, hierzu noch eine Zahl zu bekommen. Sobald ich dazu etwas habe, reiche ich es nach.

Zusatzfrage

Und die Unterstützung?

Hebestreit (BReg)

Zu dem maritimen Seekorridor: Das ist korrekt, wir beteiligen uns als Deutschland an dem maritimen Korridor nach Gaza. Zur Umsetzung dieses Korridors sind wir in einem ganz engen und ständigen Austausch mit unseren Partnern, insbesondere mit Zypern, den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Vereinigten Staaten und auch der EU-Kommission. Sie wissen ja, dass die Sondergesandte für humanitäre Hilfe im Nahen und Mittleren Osten erst am Wochenende in der Region war, um das dort zu koordinieren. Im Lichte der Erkenntnisse planen wir dann unsere weitere Unterstützung.

Was das Schiff der Organisation „Open Arms“ angeht, so wird es nach meinem Kenntnisstand von den Vereinigten Arabischen Emiraten finanziert. Das ist ja sozusagen erst einmal ein Pilotprojekt, um zu schauen, wie über See Hilfe nach Gaza gebracht werden kann. Wir haben vorhin schon über die Schwierigkeit gesprochen, die Hilfsgüter vom Wasser an Land zu bringen, und ich habe gesagt, dort jetzt ein Behelfspier aufgeschüttet wird. Gleichzeitig muss natürlich auch sichergestellt sein, dass die Sicherheitslage um diesen Behelfspier herum so ist, dass die Güter sicher an die Empfänger bzw. an Hilfsorganisationen, die diese dann sicher weiter verteilen können, übergeben werden können. Das sind schon einige Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit unseren Partnern daran, diesen Pilotversuch jetzt erst einmal erfolgreich abzuwickeln und dann auch zu schauen, welche Erfahrungen man damit macht und wie man eventuell auf diesem Weg weitermachen kann. Im Lichte dieser Erfahrungen werden wir dann auch noch einmal konkret schauen, mit welchen Mitteln wir uns beteiligen können.

Aber noch einmal: Seetransport und Lufttransport können den Landtransport nicht ersetzen. Deshalb ergeht von dieser Stelle aus noch einmal der eindringliche Appell, das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen durch die Ermöglichung von mehr Landtransporten zu lindern. Da sehen wir auch ‑ das hat die Ministerin gestern auch in ihrer Pressekonferenz mit dem norwegischen Außenminister noch einmal unterstrichen ‑ eine ganz besondere Verantwortung bei Israel, sowohl was die Öffnung und die Kontrolle der Hilfsgüter angeht, als auch was die Garantie der Sicherheit bei der Verteilung der Hilfsgüter angeht.

Frage

Ich würde in diesem Kontext gerne Herrn Fischer nach den deutschen UNRWA-Zahlungen fragen. Unter welchen Bedingungen würden die wieder aufgenommen werden? Wann wäre die nächste Tranche fällig?

Hebestreit (BReg)

Vielen Dank für diese Frage, die wir praktisch in jeder Regierungspressekonferenz hier verhandeln. Unsere Haltung hat sich da nicht geändert. Für uns ist von zentraler Bedeutung, dass die wirklich sehr schwerwiegenden Vorwürfe gegen die UNRWA-Mitarbeiter schnell und umfassend aufgeklärt werden. Dazu laufen zwei Verfahren: einmal eine interne Untersuchungskommission der Vereinten Nationen und einmal die Kommission unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Colonna, die beide daran arbeiten, Empfehlungen zu entwickeln. Wir werden über die Fortsetzung unserer Unterstützung für UNRWA in Gaza im Lichte des Fortgangs dieser beiden Prüfungen und Untersuchungsprozesse sowie von sichtbaren und konkreten Schritten von UNRWA entscheiden.

Wir setzen aber ‑ auch das haben wir hier schon ein paar Mal gesagt ‑ unsere humanitäre Hilfe für Gaza fort und haben diese humanitäre Hilfe erst vor Kurzem noch einmal um 20 Millionen Euro erhöht. Mittlerweile sind wir bei 250 Millionen Euro, die wir seit dem 7. Oktober für den Gazastreifen zur Verfügung gestellt haben. Weil wir unsere Förderung von UNRWA temporär ausgesetzt haben, gehen diese 20 Millionen Euro in der Tat nicht an die UNRWA, sondern an das World Food Programme, UNICEF, Norwegian Refugee Council und Handicap International.

Frage

An Herrn Hebestreit oder Herrn Fischer: Wie steht die Bundesregierung zu öffentlich geäußerten Forderungen, deutsche Waffenlieferungen an Israel einzustellen?

Fischer (AA)

Ich glaube, die Federführung für Waffenexporte liegt beim Bundeswirtschaftsministerium. Aber die Kollegin wird Ihnen wahrscheinlich sagen, dass wir jede Art von Waffenlieferung immer im Einzelfall bewerten werden.

Vorsitzender

Sagt das die Kollegin auch?

Einhorn (BMWK)

Das würde ich sagen, und dass es auch immer eine gemeinsame Entscheidung der Bundesregierung ist.

Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine

Frage

Herr Hebestreit, Herr Fischer, wie bewerten der Bundeskanzler und die Bundesaußenministerin die gestrige Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Herrn Mützenich im Bundestag?

Das Thema Taurus war der Anlass, aber Herr Mützenich hat unter anderem Sympathien für ein ‑ Zitat ‑ Einfrieren des Ukrainekrieges gezeigt.

Hebestreit (BReg)

Äußerungen im parlamentarischen Raum bewerten wir von dieser Stelle aus ja grundsätzlich nicht. Aber die Position des Bundeskanzlers, was den Ukrainekonflikt angeht und die Position, dass wir die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen den russischen Aggressor unterstützen, und zwar so lange, wie es nötig ist, und mit allem, was wir für verantwortbar halten und liefern können, steht, und sie gilt weiterhin. Insoweit ist das Teil Ihrer Antwort.

Zusatzfrage

Ist die Überlegung des Einfrierens Teil von Regierungspolitik? Die Regierung hängt ja vom Parlament ab, und Herr Mützenich ist der Vorsitzende der größten Regierungsfraktion.

Hebestreit (BReg)

Es stimmt, dass er Vorsitzender der größten Regierungsfraktion ist. Ich würde schon die These, dass er das als eine Forderung in den Raum gestellt habe, zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Wenn ich ihn gestern richtig gehört habe, dann hat er, meine ich, gesagt, dass man sich nicht ausschließlich auf die Diskussion über Waffenlieferungen konzentrieren müsste, sondern auch einmal überlegen könnte, wie es darum steht. Eine Überlegung, eine Diskussion. Das war aus meiner Sicht der Vorschlag, das parlamentarisch zu diskutieren.

Im Augenblick entspricht das meines Wissens keinerlei Regierungshandeln. Sie wissen, welchen Teil wir machen. Wir unterstützen die Ukraine. Gleichzeitig unterstützen wir die Ukraine auch dabei, den Zehnpunktefriedensplan von Wolodymyr Selenskyj international umzusetzen.

Fischer (AA)

Dem kann ich mich nur anschließen. Ich würde auch keine Äußerung aus dem parlamentarischen Raum bewerten. Aber ich würde doch darauf hinweisen, dass sich die Außenministerin in weiser Voraussicht der Debatte, die da kommen wird, schon im Dezember zu dem Thema des sogenannten Einfrierens geäußert und dabei hervorgehoben hat, dass ein Einfrieren des Konfliktes die Gewaltherrschaft Putins in der Ukraine zementieren würde und dass die Menschen in den besetzten Gebieten der Ukraine weiterhin unter Verfolgung, Unterdrückung, Folter, Vergewaltigung und Entführung leiden müssten.

Wir sollten dabei auch nicht vergessen, dass Russland seinen Krieg im Osten der Ukraine bereits 2014 begonnen hat und dass mit großen diplomatischen Bemühungen auch der Vorgängerregierung, wenn man so will, der Konflikt im Rahmen des Minsker Prozesses eingefroren war, dass es also viele diplomatische Bemühungen gegeben hat, zu einer Lösung zu finden. All diese sind aber von Russland torpediert worden. Wenn Sie so wollen, ist der eingefrorene Konflikt, den es gegeben hat, wieder in einen heißen Konflikt, in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gemündet. Wir wissen, dass es Putin damals nicht um Frieden ging, sondern um die Vorbereitung dieses brutalen Angriffskriegs. Ein Einfrieren hieße deswegen für die Ukraine doch nur, den besetzten Teil ihres Landes und die dort lebenden Menschen aufzugeben und zugleich ihr Territorium der fortwährenden Gewaltandrohung aus Russland auszuliefern.

[…]

Schlagworte

nach oben