Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts

Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 01.03.2024

01.03.2024 - Artikel

Reise der Außenministerin nach Montenegro sowie nach Bosnien und Herzegowina

Deschauer (AA)

Schönen guten Morgen! Ich darf Ihnen ankündigen, dass Außenministerin Baerbock Anfang kommender Woche, und zwar vom 4. bis 5. März, für politische Gespräche nach Montenegro und Bosnien und Herzegowina reisen wird. Im Anschluss reist die Außenministerin weiter nach Paris, wo sie ihren französischen Amtskollegen trifft.

In Podgorica wird Außenministerin Baerbock Gespräche mit dem Ministerpräsidenten, dem Außenminister und dem Präsidenten von Montenegro führen. Dabei wird es vor allem um den EU-Beitrittsprozess und die Fortschritte des Landes bei den dafür notwendigen Reformen gehen.

In Sarajevo wird Außenministerin Baerbock politische Gespräche mit der Präsidentschaft und dem Außenminister von Bosnien und Herzegowina führen. Weiterhin steht ein Termin mit dem gemeinsamen Präsidium der beiden Parlamentskammern und ein Gespräch mit den Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, auf dem Programm. Auch hier wird der EU-Beitrittsprozess des Landes im Vordergrund stehen.

Reise der Außenministerin nach Paris

Deschauer (AA)

[…] Im Anschluss reist die Außenministerin zu einem Arbeitsbesuch weiter nach Paris, wo sie ihren französischen Amtskollegen Stéphane Séjourné trifft. Die Außenministerin wird begleitet von Abgeordneten aus dem Deutschen Bundestag.

Nahostkonflikt

Frage

Frau Deschauer, es kam gestern zu einem Massaker in Gaza. Palästinensische Zivilisten wurden durch das israelische Militär unter Beschuss genommen, als sie an Lebensmittel gelangen wollten. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Deschauer (AA)

Sie sprechen die sehr schrecklichen Nachrichten an, die uns gestern aus Gaza erreicht haben, von vielen toten und verletzten Zivilisten, die verzweifelt an humanitäre Hilfe gelangen wollten. Ich möchte zunächst sagen, dass die Gedanken der Bundesregierung bei den Opfern und bei ihren Familien und bei den Verletzten sind. Die Außenministerin hat sich dazu geäußert. Ich möchte gerne auf ihre Äußerungen auf X verweisen, wo sie das auch noch mal deutlich hervorhebt.

Wir haben diesen sehr tragischen Fall von Schusswaffengebrauch im Zusammenhang der Umstände wie Sie auch aus der Berichterstattung verfolgt. Es ist klar: Es müssen jetzt ganz dringend die Umstände aufgeklärt werden, wie es zu dem Tod von so vielen Zivilisten gekommen ist und kommen konnte, die an Nahrungsmittel, die sie dringend benötigen, herankommen wollten.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass wir bereits in Kontakt mit der israelischen Regierung dazu stehen und auch da unsere klare Erwartung zum Ausdruck gebracht haben, dass der Vorfall sehr schnell aufgeklärt wird.

Der Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten gerade in einer solchen dramatischen Lage ist das oberste Gebot. Ich möchte gerne noch mal auf die Äußerung der Ministerin, die Sie auf X nachlesen können, verweisen. Sie sagt dort auch sehr deutlich, was sie schon seit geraumer Zeit sagt, aber die Dringlichkeit der Lage spricht jetzt noch mal deutlichere Worte. Es braucht jetzt endlich die humanitäre Feuerpause, damit die Geiseln endlich aus der Gewalt der Hamas kommen können, aber damit nicht noch mehr Menschen in Gaza sterben und damit Hilfe sicher verteilt werden kann.

Ich verweise auch noch auf ein Statement der Ministerin vom gestrigen Abend, wo wir uns über die Erklärung, die ich Ihnen abgegeben habe, hinaus noch mal zur dramatischen humanitären Lage in Gaza geäußert haben. Die Bundesregierung arbeitet nonstop daran, dass die dringend benötigte Hilfe zu den Menschen nach Gaza gelangen kann. Das ist das Gebot der Stunde. Das hat die Ministerin gestern Abend noch mal verdeutlicht, auch mit der zusätzlichen humanitären Hilfe, die wir als Bundesregierung für Gaza geben.

Frage

Frau Deschauer, Frankreich hat dieses Vorgehen schwer verurteilt. Wieso fällt es Ihnen so schwer, so ein Massaker zu verurteilen?

Deschauer (AA)

Ich habe, glaube ich, eben gerade sehr klare Worte gefunden. Ich habe gesagt, dass es erschreckende Nachrichten sind, die uns erreichen, dass wir sehr klar die Aufklärung der Umstände fordern, dass der Schutz von Zivilisten in so einer dramatischen Lage oberstes Gebot ist, dass wir in Gesprächen sind, dass wir die humanitäre Feuerpause fordern, damit nicht noch mehr Menschen in Gaza sterben, damit auch die Geiseln freikommen, und dass wir daran unermüdlich arbeiten.

Frage

Sie haben auf die Erklärung von gestern Abend verwiesen. Darin wird angekündigt, dass die humanitäre Hilfe noch mal aufgestockt wird. Inwieweit fließt dieses Geld an UNRWA, und wie geht insgesamt die Zusammenarbeit mit dieser Organisation weiter?

Deschauer (AA)

Zu UNRWA haben wir uns, glaube ich, in den vergangenen Wochen hier intensiv ausgetauscht. Sie wissen, dass das derzeit bei den Vereinten Nationen ein fortwährender Prozess der Prüfung ist, die eine interne Untersuchung anstrengen, um die schweren Vorwürfe aufzuklären, aber gleichzeitig eine Expertenuntersuchung, eine externe Untersuchung unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Collona erwartet wird. Diese Aufklärung, diese Berichte erwartet die Bundesregierung, und insofern hat sich der Stand nicht geändert, dass wir entsprechend im Lichte des Fortgangs der Berichterstattung und dieser Berichte und der Aufklärung über die künftige Hilfe entscheiden.

Was das Geld angeht: Die zusätzlichen 20 Millionen gehen an das WPF, an UNICEF, an den Norwegian Refugee Council und an Handicap International.

Zusatzfrage

Noch mal zu dem Zwischenfall in Gaza-Stadt: Das war ja eine Verteilung durch das israelische Militär, was in dieser Situation ja als solches schon Gefahren mit sich bringt. Gibt es Forderungen für die Organisation oder für den Ablauf solcher Geschichten, die die Bundesregierung erhebt?

Deschauer (AA)

Ich glaube, ich habe das bereits angedeutet, aber dann kann ich es noch mal deutlicher sagen: Es ist ja völlig klar, dass Menschen, die verzweifelt an Nahrungsmittel herankommen müssen, dies auf gesichertem Wege tun können müssen und dass die entsprechenden Rahmenbedingungen vor Ort so gestaltet sein müssen, dass Leib und Leben dieser Menschen nicht in Gefahr ist, weil sie dringend an Nahrungsmittel herankommen müssen.

In diesem Sinne erwarten wir eine entsprechende Aufklärung, wie es dazu kommen konnte, und natürlich, dass sich so etwas nicht wiederholt.

Frage

Meine Frage zum Thema Gaza: Entschuldigung, wenn ich auch die Bundesregierung ein bisschen kritisiere. Vor den Augen und Ohren der Bundesregierung begeht Benjamin Netanjahu jeden Tag den Völkermord an Gaza und seiner Bevölkerung. Wird das Schweigen der Bundesregierung nicht als Segen für diese Verbrechen angesehen?

Deschauer (AA)

Unsere Haltung zu der in Ihrem Eingangsstatement aufgeführten Aussage zum Völkermord kennen Sie. Das weisen wir zurück. Aber es ist doch völlig klar ‑ das habe ich, glaube ich, eben gerade sehr deutlich gemacht ‑, dass die Menschen in Gaza, die Zivilisten, dringendst geschützt werden müssen in diesen dramatischen Umständen, dass es die Verantwortung der israelischen Regierung, der israelischen Armee ist, jetzt für Aufklärung der Umstände zu sorgen, unter denen die entsprechende Situation gestern zu dem Tod von so vielen Menschen geführt hat, dass die israelische Regierung dafür Sorge zu tragen hat, dass entsprechend mehr humanitäre Hilfe zu den Menschen gelangt.

Insofern verweise ich noch mal auf meine Äußerungen eingangs. Die Lage ist dramatisch, und die Nachrichten, die uns gestern ereilt haben, sind entsetzlich.

Zusatzfrage

Die Menschen in Gaza verhungern. Auch wenn die Israelis niemanden töten, verhungern die Menschen. Das ägyptische Regime macht eine Blockade für so viele Lebensmittel. Kann man da nicht ein bisschen Druck auf Diktator Al-Sisi ausüben?

Deschauer (AA)

Sie wissen ja, dass die Bundesregierung und gerade die Außenministerin in ihren zahlreichen Gesprächen und auch Reisen vor Ort mit großem Nachdruck das Leiden der Menschen in Gaza im Blick haben und auch in allen Gesprächen sehr deutlich und gegenüber allen Gesprächspartnern klarmachen, dass die Versorgung der Menschen in Gaza eine große, große Priorität für diese Bundesregierung hat. Sie können sich also sicher sein, dass wir mit allen Gesprächspartnern, die in dieser Angelegenheit eine Rolle spielen, reden und uns stets darum bemühen.

Frage

Frau Deschauer, Sie hatten die Forderung nach Aufklärung zu den Schüssen gestern gerade schon ausgeführt. Könnten Sie auch noch mal sagen, welche Erkenntnisse das AA oder auch die Bundesregierung bereits zum Geschehen hat?

Deschauer (AA)

Sie können sich vorstellen, dass das bei der aktuellen Lage schwierig ist. Wir sind nicht selbst vor Ort, genauso wenig wie Sie. Wir vernehmen entsprechend aus Berichterstattungen, auch teilweise mit unterschiedlicher Ausrichtung, die Informationen. Das heißt, wir können uns von hier, von dieser Stelle kein abschließendes umfassendes Bild machen, schlicht weil wir nicht vor Ort sind. Deswegen ist es umso dringender und wichtiger, dass jetzt rasch eine entsprechende Aufklärung erfolgt.

Frage

Es wurde ja schon der eine oder andere Umstand dieser Hilfslieferungen angesprochen. Bei Al Jazeera und anderswo wurde deutlich, dass es wahrscheinlich nicht das Günstigste ist, wenn die UNO ausgeschlossen wird, diese Hilfslieferungen zu begleiten, weil sie das jahrelang schon gemacht hat.

Halten auch Sie es für erforderlich, dass es bei dem Verfahren bleibt, wie es bisher praktiziert wurde, um möglicherweise auch diese Zuspitzungen zu vermeiden, wenn ich es so sagen darf, um halt Dampf aus dem Kessel zu nehmen, wenn normale Hilfelieferungen, so wenige das sein mögen, überhaupt zustande kommen, die einigermaßen professionell wie seit der Freigabe des Gazastreifens seit 2005 praktiziert werden?

Deschauer (AA)

Es gab gestern sehr viel Berichterstattung. Sehen Sie es mir nach, dass ich jetzt nicht jede einzelne genau im Blick habe. Die von Ihnen genannte habe ich jetzt nicht vorliegen oder nicht die Kenntnis darüber.

Aber es ist doch klar ‑ ich glaube, das ist hier sehr deutlich zum Ausdruck gekommen; das ist im Statement der Ministerin gestern Abend zum Ausdruck gekommen, auch in ihrer Äußerung heute auf X ‑, dass die problemlose, gesicherte Verteilung von dringend benötigter Hilfe oberste Priorität hat, damit die Menschen in Gaza an diese Hilfe herankommen können. Insofern ist das für die Bundesregierung extrem wichtig. Das möchte ich hier noch mal betonen.

Zusatzfrage

Bei Hilfslieferungen ist wieder das Kontingent erhöht worden. Sie sagten es schon: 20 Millionen, die Deutschland in Richtung Gaza auf den Weg schickt. Verlassen Sie sich da auch nicht mehr auf UNO-Stellen wie UNWRA und setzen da ‑ ich sage es mal so zugespitzt ‑ Gesinnungsprüfungen, damit ja nichts an die Hamas gerät, voraus?

Deschauer (AA)

Ich glaube, in Ihrem Statement waren jetzt sehr viele Voraussetzungen, die Sie gemacht haben. Die würde ich mir jetzt erst mal nicht zu eigen machen, sondern ich habe, glaube ich, schon der Kollegin, die die Frage stellte, beantwortet, an wen diese zusätzlichen 20 Millionen gehen.

Ich sage es gerne noch mal: Das ist das World Food Programme, das ist UNICEF, Norwegian Refugee Council und Handicap International.

Über den Fortgang der Prüfungen zu UNRWA haben wir Sie hier auf dem Laufenden gehalten und hatte ich mich, glaube ich, entsprechend auch heute schon eingelassen.

Frage

Soweit ich Sie verstanden habe, wollen Sie, dass dieses Massaker durch die israelische Regierung aufgeklärt wird. Sollten nicht internationale Organisationen an dieser Aufklärung teilnehmen?

Deschauer (AA)

Ich glaube, alles, was zu der Aufklärung beitragen kann und Licht in die Sache bringt, ist begrüßenswert. Wir haben hier keine eigenen Erkenntnisse der Lage, aber ich sagte ja bereits: Diese tragischen und schrecklichen Umstände, die zu so vielen toten Menschen geführt haben, was wir als Bundesregierung betrauern, müssen aufgeklärt werden.

Zusatzfrage

Erstens: Von wem? Warum fordern Sie nicht, dass zum Beispiel die UNO dieses Massaker aufklärt?

Und zweitens: Bundeskanzler Scholz hat vor fast zwei Jahren gesagt, die Ermordung von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen. Wie sehen Sie das, wenn jetzt Zivilisten in Gaza erschossen werden?

Deschauer (AA)

Ich gehe gerne noch mal auf den ersten Teil Ihrer Frage ein. Ich glaube, ich habe es beantwortet, aber ich versuche, noch mal klarer zu machen, was unsere Erwartung ist: Das ist die Aufklärung der Umstände. Da sind alle Seiten, alle Parteien, die an der Untersuchung beteiligt werden können und zur Aufklärung beitragen können, gefordert. Wie genau das dann umgesetzt wird, ist Gegenstand von Gesprächen, die wir auch führen. Ich erwähnte ja eingangs, dass wir bereits in Gesprächen sind, auch mit der israelischen Regierung. Wir tauschen uns natürlich laufend, fortwährend mit internationalen Partnern aus.

Zusatzfrage

Die Ermordung von Zivilisten ist ein Kriegsverbrechen, hatte Herr Scholz vor zwei Jahren im Bundestag gesagt. Wie sieht es hier aus, wenn in Gaza Menschen, Zivilisten erschossen werden?

Büchner (BReg)

Frau Deschauer hat ja völlig zu Recht gesagt, dass wir jetzt erst einmal die Umstände der schrecklichen Vorfälle aufklären müssen. Es ist ohne Frage so, dass unser Mitgefühl den Opfern und den Angehörigen der Opfer gilt. Zugleich können wir es hier nicht einfach stehen lassen, wenn hier behauptet wird, es gebe ein von der israelischen Armee verübtes Massaker, weil wir diese Umstände noch nicht kennen. Es geht erst einmal darum, diese ganzen Fragen aufzuklären, bevor man etwas bewertet.

[…]

Frage

Frau Deschauer, noch eine konkrete Frage zu dem Statement, das die Ministerin gestern Abend veröffentlicht hat: Darin heißt es, dass, wenn die Lkw nicht durchkommen, Deutschland sich auch an Luftabwürfen von humanitärer Hilfe beteiligen würde, zusammen mit den Partnern, insbesondere Jordanien.

Wie weit sind diese Planungen? Wie würde die deutsche Beteiligung da aussehen? Haben Sie dazu Kontakt mit der israelischen Regierung, die ja auch ihr Okay geben müsste?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. Ich würde mich jetzt nicht im Detail zu laufenden Gesprächen, die wir führen, einlassen. Sie können das so verstehen, dass es Teil unseres großen Bemühens ist, humanitäre Hilfe in deutlich größerem Ausmaß, als es im Moment möglich ist, an die Menschen in Gaza heranzubekommen, gerade weil die Lage so dramatisch ist, wie wir das eben ja auch gerade besprochen haben.

Insofern sind wir in Gesprächen und prüfen verschiedene Optionen. Dazu gehört auch das, was die Jordanier bereits praktizieren, die Möglichkeit einer Kooperation auf diesem Wege.

Frage

Frau Deschauer, Sie und der stellvertretende Regionssprecher haben eben noch mal betont, man wisse nicht genau, was dort geschehen ist. Ähnlich hat sich UN-Generalsekretär Guterres geäußert und gesagt, er fordert deswegen eine unabhängige Untersuchung.

Genau vor dem Hintergrund, den Sie skizziert haben: Schließen Sie sich dieser Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung nicht an?

Deschauer (AA)

Ich habe mich ausführlich dazu geäußert, dass die Bundesregierung eine vorbehaltlose Aufklärung der Umstände fordert, und zwar durch alle, die dazu beitragen können. Wir sind im Gespräch mit den internationalen Partnern, und das können natürlich auch weitere Stellen sein.

Wie gesagt, alle Beteiligten, die dazu Aufklärung leisten können, sind angehalten, dazu beizutragen, damit Licht auf diesen schrecklichen Vorfall geworfen wird. Das schließt natürlich auch Gespräche mit internationalen Partnern und Organisationen ein.

Zusatzfrage

Da Sie eben auch noch mal den Genozidvorwurf ansprachen bzw. zurückwiesen: Hat die Bundesregierung sich eigentlich mittlerweile zu der Anzeige bei der Bundesanwaltschaft geäußert, die Anwälte von Palästinenserinnen und Palästinensern vor einer Woche erstattet haben?

Da wird Mitgliedern der Bundesregierung, unter anderem der Außenministerin, Beihilfe zum Genozid vorgeworfen, unter anderem durch Waffenlieferungen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt, soweit ich weiß. Hat sich die Bundesregierung dazu schon geäußert, oder wann und wie wird sie das tun?

Deschauer (AA)

Ich bin mir nicht sicher, ob die Frage sich an mich richtet, denn die Bundesanwaltschaft arbeitet ja unabhängig. Insofern haben wir entsprechende Vorgänge nicht von dieser Stelle zu kommentieren.

Aber, Sie kennen ja die Haltung, die wir in dieser Sache einnehmen. Wir hatten hier intensiven Austausch dazu. Insofern möchte ich das von dieser Stelle nicht weiter kommentieren.

Frage

Frau Deschauer, mich würde interessieren, welche Erkenntnisse die Bundesregierung dazu hat, wie dieser Vorfall von gestern die Verhandlungen über eine Waffenruhe bzw. Geiselfreilassung beeinflusst.

Deschauer (AA)

Wir als Bundesregierung und die Außenministerin haben wiederholt gesagt, wie wichtig es ist, dass entsprechende Verhandlungen voranschreiten können, damit es zu der humanitären Feuerpause kommen kann, damit Geiseln aus den Händen der Hamas kommen können und gleichzeitig diese furchtbare Lage für die Menschen vor Ort verbessert werden kann, indem mehr humanitäre Hilfe hineingelangt.

Nun hatten wir uns hier auch darüber ausgetauscht, dass ich Ihnen leider von dieser Stelle einfach in Ermangelung eigener Erkenntnisse nicht den Hergang vor Ort darlegen kann, sondern dass wir darum dort Aufklärung fordern. Daraus können Sie ableiten, dass ich auch von dieser Stelle nicht unbedingt beurteilen kann, inwiefern dieser Vorgang, die schrecklichen Umstände die Gespräche beeinflussen.

Klar ist doch, dass wir weiterhin allergrößtes Interesse haben, dass es einen Fortgang der Gespräche gibt, die dann zu der humanitären Feuerpause führen, die die Freilassung von Geiseln und eine deutliche Verbesserung für die Menschen vor Ort ermöglicht.

[…]

Frage

Wie wird bewertet, dass gerade in dieser Phase gestern oder vorgestern neue Siedlungen in der Westbank genehmigt wurden?

Deschauer (AA)

Die Position der Bundesregierung, der Außenministerin zur Siedlungspolitik ist klar. Sie ist völkerrechtswidrig, und zwar unabhängig von den Umständen. Wir sagen das schon immer. Das ist eine sehr klare Haltung der Bundesregierung. Insofern ist dies eine klare Haltung: Wir beurteilen das als völkerrechtswidrig.

Zusatzfrage

Ist denn angesichts der Umstände, unter denen das in diesen Tagen erfolgt ist ‑ davon kann man, glaube ich, ausgehen ‑, irgendeine Reaktion durch den deutschen Botschafter, durch Sie ‑ wie auch immer ‑ erfolgt? Oder wiederholen Sie gegenüber der israelischen Seite, wenn Sie überhaupt gefragt werden, nur Ihren Standpunkt?

Deschauer (AA)

Ich glaube, klarer, als ich es jetzt gerade gemacht habe, kann die Haltung nicht sein. Insofern: Die Völkerrechtswidrigkeit spricht die Bundesregierung hier noch mal aus.

Wir sind in fortlaufenden Gesprächen zu allen Belangen, die die Lage in Nahost betreffen, in all ihren Facetten. Wir haben uns heute aufgrund der dramatischen Lage insbesondere zu Gaza intensiv ausgetauscht. Aber das gilt natürlich auch für die Lage im Westjordanland, zu der wir uns mit der israelischen Regierung und mit allen Ansprechpartnern austauschen. Das ist doch klar.

Lage in der Region Transnistrien in der Republik Moldau

Frage

Ich habe zwei Fragen zum Thema Transnistrien, eine an das AA, eine an das BMVg. Die erste: Gibt es denn schon weitergehende Einschätzungen zu der Lage, etwa, wie Russland womöglich dieses Schutzgesuch der dortigen Regierung beantworten könnte?

Die zweite an das BMVg: Für wie wahrscheinlich hält man es denn, dass Russland den Separatisten in absehbarer Zeit womöglich auch militärisch zur Hilfe kommen kann?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. Auch hierzu hat sich die Außenministerin geäußert, gestern auf X und auch auf eine Frage am Rande Ihres Besuchs des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück. Insofern möchte ich darauf verweisen.

Insgesamt ist es so, dass wir natürlich die Lage gemeinsam im Austausch mit unseren europäischen Partnern auch beobachten, und wir nehmen Entwicklungen und auch entsprechende Äußerungen natürlich sehr ernst. Insofern möchte ich noch einmal auf die entsprechenden Äußerungen der Ministerin verweisen, die ja klar herausgestellt hat, dass wir an der Seite Moldaus stehen und dort auch die Destabilisierungsversuche, die ja jetzt nicht völlig neu sind, sondern bereits seit geraumer Zeit zu beobachten sind, sehr ernst nehmen.

Müller (BMVg)

Grundsätzlich ist es so, dass wir natürlich die militärische Lageentwicklung sowie die generelle Lageentwicklung rund um den Ukrainekrieg auch in der Peripherie genau beobachten. Aber alle Analysen dazu teilen wir nicht. Das ist nicht öffentlich. Deswegen mag ich auch nicht spekulieren und keine Hypothese dazu abgeben, wie sich das entwickeln könnte.

Gespräche zwischen Armenien und Aserbaidschan

Frage

An das Auswärtige Amt: Es geht um Armenien und Aserbaidschan. Es fanden Gespräche in der Villa Borsig statt. Können Sie uns etwas zum Verlauf dieser Gespräche und zu möglichen Ergebnissen sagen?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für die Frage. Es fanden erstmals seit geraumer Zeit wieder direkte Gespräche zwischen Armenien und Aserbaidschan statt, und zwar in der Villa Borsig. Wir haben uns dazu geäußert. Die Außenministerin hat sich dazu geäußert. Aber insbesondere haben sich gestern die beiden Parteien, die dort miteinander gesprochen haben, geäußert, und zwar mit gleichlautenden Statements, die Sie vielleicht schon gesehen haben, in denen sie darauf verweisen, dass sie den Rahmen, der geboten wurde, wertschätzen und auch weiterhin großes Interesse daran haben, ausstehende, offene Fragen gemeinsam zu klären und sich zu diesem Zwecke erneut zu treffen. Insofern, glaube ich, ist das schon einmal ein ganz gutes Zeichen, wenn man das so bewerten kann.

Ich kann aber auch sagen: Wir haben den Rahmen gestellt. Die Außenministerin hat Gespräche im trilateralen Format geführt, also mit beiden Parteien, aber jeweils auch Gespräche im bilateralen Format. Die Verhandlungen selbst auf einem möglichen Weg zu einem Friedensvertrag ‑ darum geht es ja jetzt, Schritt für Schritt ‑ führen diese Parteien gemeinsam. Insofern würde ich jetzt nicht über Gespräche vertraulicher Art referieren wollen. Aber es ist festzustellen, dass der Prozess fortgesetzt werden soll. Das kann man diesen beiden Erklärungen entnehmen. Insofern ist das schon einmal ein leicht optimistisch stimmender Schritt.

Zusatzfrage

Können Sie noch konkreter sagen, wie es jetzt auf dem Weg zu einem Friedensvertrag weitergeht? Stehen also weitere Gesprächstermine fest? Inwiefern sind Deutschland bzw. auch die Außenministerin beteiligt?

Deschauer (AA)

Ich kann Ihnen jetzt keine weiteren Termine verkünden. Das liegt natürlich auch daran, dass die beiden Parteien die Gespräche miteinander führen und das auch terminieren müssten. Aber der Wille spricht ja schon aus diesen beiden Statements, natürlich auch der Hinweis darauf, dass der entsprechende Rahmen, den wir als Bundesregierung gestellt haben und in dem wir diese Gespräche begleitet haben, wertgeschätzt wurde. Insofern gilt das Angebot weiter. Die Außenministerin war ja auch im November vor Ort. Der Bundeskanzler hat im trilateralen Rahmen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit den Staats- und Regierungschefs gesprochen. Insofern steht das Angebot weiter. Wir werden sehen, inwiefern es weiter aufgegriffen wird. Die Erklärungen der beiden Außenministerien könnten dies andeuten.

Beerdigung Alexej Nawalnys

Frage

Die Frage geht an das Auswärtige Amt. Zur Stunde findet die Beerdigung Alexej Nawalnys in Moskau statt. Am Mittwoch war noch nicht klar, ob die Bundesregierung vertreten sein wird. Können Sie bestätigen, dass der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff an der Beisetzung teilnimmt?

Deschauer (AA)

Ich kann Ihnen bestätigen, dass unser Botschafter zusammen mit seinem französischen Amtskollegen auf dem Weg zur Trauerfeier und der Beerdigung von Alexej Nawalnys ist. Er ist als Beobachter bei dieser Trauerfeier anwesend.

Zusatzfrage

Es ist vermutlich kein Zufall, dass Putin heute erklärt hat, er wundere sich, dass sich der Westen nicht der Tatsache bewusst sei, dass die Entwicklung des Krieges in der Ukraine das Risiko des Einsatzes von Atomwaffen wahrscheinlicher mache oder dass das Risiko wachse. Wie bewertet die Bundesregierung diese fast nicht mehr indirekte Drohung?

Deschauer (AA)

Die Bundesregierung nimmt die Aussagen des russischen Staatspräsidenten zur Kenntnis und nimmt auch alle Aussagen, die er trifft, sehr ernst. Aber es ist auch kein neuer Tatbestand, sondern gilt ja schon fortwährend, dass wir leider entsprechende Äußerungen des russischen Präsidenten vernehmen müssen. Das gilt auch für diesen neuerlichen Fall und diese neuerliche Aussage.

[…]

Frage

An Herrn Büchner und Frau Deschauer: Der Fall Nawalny ist mehrfach an Symbolik nicht zu überbieten, zu Themen, die ich hier nicht gesondert nachlegen muss. Frau Annalena Baerbock hat sich während des Wahlkampfes sehr dazu geäußert. Ist im Hinblick auf die Beerdigung sowohl von der Ministerin als auch vom Bundeskanzler überhaupt in Erwägung gezogen worden, selbst bei dieser Beerdigung dabei zu sein und nicht nur den Botschafter zu schicken?

Deschauer (AA)

Ich glaube, die Bundesrepublik Deutschland ist durch Alexander Graf Lambsdorff als unserem Vertreter dort sehr gut vertreten.

[…]

NATO-Beitritt Schwedens

Frage

In dieser Woche gab es grünes Licht für den NATO-Beitritt Schwedens. Herr Müller, können Sie noch einmal erläutern, wie dieser Beitritt aus Sicht der Bundesregierung zu bewerten ist, und vor allen Dingen, wie Sie die Reaktion aus dem Kreml ‑ gestern wurde dort mit Vergeltungsschritten militärischer und technischer Natur gedroht ‑ einordnen?

Müller (BMVg)

Danke für die Frage. ‑ Ich würde sagen, zum zweiten Teil der Frage kann das Auswärtige Amt besser sprechen.

Zum ersten Teil: Schweden ist ein seit Langem geschätzter, wertvoller Partner. Das betrifft nicht nur den Ostseeraum, sondern das betrifft diverse Einsätze bzw. Operationen, die gemeinsam durchgeführt wurden, etwa große Übungsvorhaben, das betrifft aber zum Beispiel auch Rüstungskooperationsvorhaben ‑ ich denke da zum Beispiel an ESSI.

Wir haben angekündigt, dass der Minister nächste Woche zu einer Nordreise aufbrechen wird. Schweden wird ein wichtiges Ziel dieser Reise sein. Dort wird es weitere Gespräche geben, dort wird es einen Austausch über diverse Themen geben; denn viele der aktuellen Themen betreffen ja uns alle. Dabei geht es also nicht nur um die Lage direkt im Ostmeerraum oder um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sondern auch um Themen, die dabei in der Peripherie stehen. Da geht es etwa um die Fragen: Was heißt das für die Staaten? Wie betrachten wir zum Beispiel Personalentwicklung, Struktur der Streitkräfte usw.? Wie können wir uns weiter verschränken? Wie können wir weiter kooperieren und was heißt das zum Beispiel für die Interoperabilität? Das werden alles Themen sein, die nächste Woche angesprochen werden.

Aber um es kurz zu machen: Schweden ist ein wertvoller, wichtiger Partner, und der NATO-Beitritt Schwedens bedeutet aus unserer Sicht eine Stärkung des Bündnisses. Insofern ist dieser Schritt aus unserer Sicht klar zu begrüßen.

Deschauer (AA)

Ich habe eigentlich gar nicht so viel hinzuzufügen, außer natürlich, dass Schweden ein sehr wichtiger und wertvoller Partner in der EU und bald auch in der NATO ist. Aus Sicht der Bundesregierung ist die baldige NATO-Mitgliedschaft Schwedens längst überfällig.

Zusatzfrage

Und was ist die Reaktion der Bundesregierung auf diese Drohung aus Moskau?

Deschauer (AA)

Ich glaube, das können Sie ähnlich einordnen wie die Frage zu anderen Drohungen, die in einer längeren Rede ‑ auf die beziehen Sie sich ja ‑ zum Ausdruck gebracht wurden: Die nehmen wir zur Kenntnis, die nehmen wir ernst, von denen lassen wir uns aber nicht einschüchtern.

Insofern: Schweden ist ein wichtiger Partner in der EU und künftig auch in der NATO. Das ist überfällig. Dass das jetzt vonstattengeht, ist wichtig, und die Bundesregierung begrüßt das nachdrücklich.

Frage

Frau Deschauer, können Sie schon sagen, wann der Beitritt Schwedens vollzogen wird? Wird das zum Gipfel in Washington geschehen oder schon früher?

Deschauer (AA)

Das liegt nicht in den Händen der Bundesregierung. Technisch gesprochen hängt das immer davon ab, wann die Beitrittsurkunde dem Depositar übergeben wird. Es sind, wenn ich mich recht erinnere, die Vereinigten Staaten, die das entgegennehmen müssen. Das genaue Timing müssten Sie bei den Ländern erfragen, deren Ratifizierung noch aussteht.

Aber dass dieser Schritt überfällig ist und wir Schweden natürlich sehr bald am Tisch erwarten, habe ich hier, glaube ich, für die Bundesregierung klar gemacht.

Schlagworte

nach oben