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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 16.02.2024

16.02.2024 - Artikel

Nahostkonflikt

Frage

Laut einer Recherche des „Wall Street Journal“ baut Ägypten ein großes Auffanglager für flüchtende Palästinenser auf der Sinai-Halbinsel. Dort sollen 100 000 Menschen unterkommen können. Hat die Bundesregierung Kenntnis von diesem Bau? Wie blickt sie auf diese Berichte? Wie bewertet sie diese?

Wagner (AA)

Das kann ich gerne beantworten. Ich habe die Medienberichterstattung dazu natürlich auch gesehen. Ich habe hier jetzt keine Erkenntnisse dazu, die ich teilen könnte. Sie kennen aber unsere Haltung. Ich glaube, die Diskussion darüber, wie mit der Zivilbevölkerung in Gaza umzugehen ist, war ja auch schon Gegenstand vergangener Pressekonferenzen in dieser Woche. Sie haben gesehen, was die Außenministerin gestern bei ihrer Reise auch noch einmal zum Thema der Schutzkorridore mit Blick auf Rafah gesagt hat. Es bleibt dabei, dass eine großflächige Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung aus Gaza nicht stattfinden darf.

Frage

Sie sagen, dass Sie keine Erkenntnisse haben, die Sie mit uns teilen können. Das bedeutet aus meiner Sicht, Sie haben Erkenntnisse. Würde denn ein solches großflächiges, großvolumiges Zeltlager den Begriff der Vertreibung erfüllen, wenn es bedeutet, dass sich ein Großteil der Menschen, die sich jetzt noch als palästinensische Bevölkerung in Gaza aufhalten, zwangsweise, wenn er nicht weiter in Lebensgefahr geraten will, bewegen muss? Würde ein solches Zeltlager den Begriff der Vertreibung inhaltlich erfüllen?

Wagner (AA)

Ich verstehe Ihr Interesse, aber das ist ja eine hypothetische Frage, über die ich jetzt hier auch nicht spekulieren kann. Wir nehmen natürlich die Sorgen unserer Partner in der Region und auch besonders Ägyptens wahr. Das hat sich ja auch schon in öffentlichen Äußerungen von ägyptischer Seite niedergeschlagen.

Ich kann nur noch einmal unsere Haltung zu der Lage in Gaza wiederholen: Es ist ganz wichtig, dass dem Schutz der Zivilbevölkerung bei allen Operationen ein höheres Maß an Priorität eingeräumt wird und diese Zivilbevölkerung effektiv geschützt wird. Das ist ja auch das, was das humanitäre Völkerrecht als Vorgabe hat.

Zusatzfrage

Darf ich dann doch noch einmal nachfragen? Bedeutet der Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza für Sie, dass dieser Schutz auf dem Territorium von Gaza stattzufinden hat und nicht dadurch gewährleistet werden kann, dass man „Na ja, die können ja in Zeltlager nach Ägypten gehen; da sind sie auch geschützt“ sagt?

Wagner (AA)

Ich habe ja aber gesagt, und da verweise ich Sie gerne auch noch einmal auf meine Äußerungen, die ich in dieser Woche schon gemacht hatte, dass eines der Prinzipien, das uns mit Blick auf Gaza leitet, ist, dass es keine großflächige Vertreibung aus Gaza geben kann. Insofern heißt das ja im Umkehrschluss, dass es in Gaza effektiv sichere Orte bzw. Schutzkorridore geben muss, an denen sich die Bevölkerung auch vor Kampfhandlungen in Sicherheit bringen kann.

Frage

Wenn ich mich richtig erinnere, gab es 2009 schon einmal eine Situation, in der die Bevölkerung des Gazastreifens quasi den Grenzübergang in Rafah gestürmt hat, um eben einer israelischen Attacke zu entfliehen, um dort herauszukommen. Das könnte ja der Grund dafür sein, dass Ägypten jetzt quasi Maßnahmen ergreift, um so einer nochmaligen Situation vorzubeugen. Jetzt geht es aber am Ende darum, dass es dazu nicht kommt. Sie sagen, dass die Bevölkerung von Gaza geschützt werden müsse. Der gesamte Gazastreifen ist so zerstört, dass er unbewohnbar ist. Bedeutet Schutz dann in dem Fall einen Schutz in Zeltstädten? Inwiefern können die wirklich ein Schutz und eine würdevolle Unterkunft für die Palästinenser sein?

Wagner (AA)

Wir haben ja hier mehrfach betont, wie schwierig und komplex die Lage in Gaza ist, gerade weil es sich um ein so dicht besiedeltes Gebiet handelt, und wie schwierig es natürlich ist, in diesem Umfeld berechtigte Operationen gegen die Terrororganisation Hamas durchzuführen, die Israel ja auch nach wie vor angreift. Sie haben ja wahrgenommen, dass es eine Debatte um die Ankündigung der israelischen Regierung gibt, sozusagen auch großflächig auf dem Boden in Rafah vorzugehen. Sie haben unsere Haltung und Position dazu wahrgenommen. Wir haben mehrfach gesagt, dass wir diese Ankündigung mit Besorgnis sehen, weil es eben so schwierig ist, dabei der Zivilbevölkerung den notwendigen Schutz zukommen zu lassen. Aber wie dem auch sei: Die israelische Regierung hat ja auch selbst angekündigt, dass sie einen Plan zum Schutz der Bevölkerung vorlegen will. Ich glaube, darauf muss man jetzt einmal abstellen.

Unsere Haltung ist ganz klar: Es muss bei der Operationsführung der Israelis solche Anpassungen geben, dass die Bevölkerung im Rahmen dieser Militäroperationen besser geschützt ist. Gerade mit Blick auf Rafah sind zum Beispiel Schutzkorridore dabei ein wichtiges Element. Wir haben ja auch immer wieder betont, dass es jetzt rasch zu einer humanitären Feuerpause kommen muss, einfach um den Raum dafür zu schaffen, die restlichen Geiseln freizulassen und auch wieder mehr humanitäre Hilfe nach Gaza zu bekommen.

Zusatzfrage

Gibt es denn Hinweise darauf, dass die Forderungen der Außenministerin auch wirklich Gehör finden, dass die Offensive dadurch wirklich abgewendet werden könnte?

Wo könnten die Schutzkorridore denn dann überhaupt sein?

Wagner (AA)

Das sind intensive Gespräche, die da geführt werden und die ja im Übrigen auch nicht nur wir führen, sondern auch andere internationale Partner, insbesondere die Amerikaner, aber auch andere. Es ist, glaube ich, sehr richtig, da im Gespräch zu bleiben, immer wieder das Gespräch zu suchen, sich auszutauschen und auch zu schauen, an welchen Stellen man gemeinsam konkret den humanitären Zugang verbessern kann, was veranlasst werden muss. Insofern, glaube ich, waren das sehr sinnvolle Gespräche, die da geführt worden sind.

Ich habe ja eben schon gesagt: Die israelische Regierung hat selbst angekündigt, dass sie ein Schutzkonzept vorlegen wird, sollte es zu einer Operation in Rafah kommen. Dem möchte ich jetzt natürlich hier nicht vorgreifen.

Frage

Ist es eine indirekte Reaktion, wenn Herr Netanjahu sagt, Israel ‑ das heißt, seine Regierung ‑ werde sich nicht zu einer Zweistaatenlösung zwingen lassen? Das ist ja offenbar eine Reaktion auch auf politisches Verlangen, das auch von der deutschen Außenministerin immer wieder vorgetragen wird. Was bedeutet es, wenn der israelische Premier „Ihr könnt ja fordern, was ihr wollt; das geht uns am politischen Willen vorbei“ sagt?

Wagner (AA)

Wir haben die Äußerungen des Premiers zur Kenntnis genommen. Das war ja eine, glaube ich, in einem Tweet oder einem X-Post gemachte Äußerung. Sie kennen unsere Position, und Sie wissen auch, dass wir das anders sehen. Für uns ist die Zweistaatenlösung die im Grunde einzige nachhaltige Lösung für den Nahostkonflikt. Es muss ein Weg gefunden werden, bei dem Palästinenserinnen und Palästinenser und Israelis Seite an Seite in zwei Staaten als Nachbarn nebeneinander in Frieden und Würde leben können, und das ist die Zweistaatenlösung.

Deshalb sind die Bemühungen der Bundesregierung und auch meiner Ministerin so darauf ausgerichtet, die Zweistaatenlösung in Reichweite zu halten, so schwierig das angesichts des aktuellen Konflikts auch zu sein scheint.

Zusatzfrage

Welche Möglichkeiten, Druck auszuüben, hat die Bundesregierung über verbale Appelle hinaus angesichts der Haltung des Premiers, der sagt: „Da lassen wir uns von euch gar nicht zwingen“? Bleibt es bei Appellen, oder erwägen Sie andere Möglichkeiten, um Druck auszuüben, und haben sie vielleicht schon eingesetzt?

Wagner (AA)

Israel ist ein enger Partner Deutschlands. Wir stehen in engem Gespräch und Austausch dazu. Natürlich thematisieren wir das in den Gesprächen mit unseren israelischen Freunden und Partnern immer wieder.

Frage

In dem besagten X-Post sagte Netanjahu, er lehne eine dauerhafte Regelung mit Palästinensern kategorisch ab. Das sind sehr klare Worte. Sowohl bei der Zweistaatenlösung als auch in Sachen Kriegsführung verfolgt Deutschland nicht wirklich die gleichen Ziele wie Israel oder hat nicht die gleiche Vorstellung, wie vorgegangen werden sollte. Dann bleibt die Frage: Welche gemeinsamen Interessen gibt es aktuell zwischen Israel und Deutschland, und wie profitiert Deutschland von dieser Allianz, wenn Israel eindeutig ganz andere Interessen verfolgt?

Wagner (AA)

Ich kann Sie nur auf das verweisen, was ich eben gesagt habe. Ich kann Sie aber auch gern noch einmal darauf verweisen, was meine Ministerin gestern in Israel gesagt hat. Ich zitiere:

„Das Schicksal der Israelis und das Schicksal der Palästinenser sind eng miteinander verwoben: Die Sicherheit des einen bedeutet die Sicherheit des anderen. Das kann nur mit einer Zweistaatenlösung funktionieren.“

Zusatz

Das hat meine Frage nicht beantwortet.

Wagner (AA)

Wie ich finde, schon.

Forderungen nach einer Aufstockung des Sondervermögens für die Bundeswehr

Frage

Meine Frage geht sowohl an den stellvertretenden Regierungssprecher als auch an Verteidigung und Finanzen. Offenbar gibt es in der Bundesregierung unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Ausstattung der Bundeswehr zukünftig aussehen soll. Von mindestens zwei Politikern, darunter eine Ministerin, wurde eine Aufstockung des Sondervermögens vorgeschlagen. Das war Außenministerin Baerbock, und von der Opposition hat Herr Kiesewetter das ebenfalls verlangt.

Wie steht der Bundeskanzler zu diesen Forderungen?

Wie verhält sich in diesem Kontext die Aussage von Finanzminister Lindner, der sagt, eine weitere Erhöhung des Wehretats sei aus seiner Sicht aktuell oder perspektivisch nicht nötig?

Büchner (BReg)

Ich weiß nicht, ob Sie die RegPK am Mittwoch verfolgt haben. Dort wurde so ausführlich über dieses Thema gesprochen, dass ich jetzt gar nicht weiß, was ich hier sagen soll, ohne Sie und andere zu langweilen. Aber ich kann es gern noch einmal wiederholen:

Das Sondervermögen wurde eingerichtet, und die NATO-Quote in Höhe von zwei Prozent wird in diesem Jahr erfüllt. Das Sondervermögen wird für diesen Pfadwechsel hin zu einer dauerhaften Erfüllung des Zweiprozentziels genutzt. 80 Prozent der Mittel aus dem Sondervermögen sind schon belegt. Es ist klar, dass wir die große Aufgabe vor uns haben, dies etwa ab 2028 aus dem Haushalt zu finanzieren, damit wir das Zweiprozentziel dann weiterhin erfüllen können. Das ist eine gemeinsame Herausforderung, der sich die Bundesregierung dann stellen wird.

Collatz (BMVg)

Das will ich gern unterstreichen. Es gibt keine Unterschiede in den Zielvorstellungen in der Bundesregierung. Das ist durch Herrn Büchner eindeutig so genannt worden. Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie man das haushälterisch angehen kann. Das ist also eher eine Fachleutefrage des Haushalts. Dann müssen wir auf das Jahr 2028 schauen. Denn dann wird das relevant. Bis dahin gibt es auch darüber keinen Entscheidungsbedarf.

Zusatzfrage

Die RegPK von Mittwoch ist mir geläufig. Aber ich denke, die Forderung der Außenministerin ist von heute, wenn ich es richtig sehe, jedenfalls bezüglich der Veröffentlichung.

Bedeutet es aber nicht doch eine andere Position, Herr Wagner, wenn die Außenministerin sagt: „Doch, wir brauchen eine Erhöhung des Sondervermögens“? So habe ich ihre Äußerung verstanden.

Wagner (AA)

Sehen Sie es mir nach, dass ich sie jetzt nicht weiter kommentiere, sondern Sie auf die Äußerungen meiner Ministerin, die recht klar waren, verweise. Sie finden sie auch bei uns auf der Homepage.

Ich denke, das war ein Statement, das sie vor der Sicherheitskonferenz in München abgegeben hat, um auch noch einmal darzustellen, vor welcher enormen Aufgabe wir stehen, um unser Land und um Europa wehrhaft und sicher zu machen. Insofern stehen die Äußerungen der Außenministerin für sich.

Inhaftierung eines deutschen Staatsbürgers in Budapest

Frage

Es geht um den inhaftierten linken Aktivisten in Budapest. Ich hatte schon am Montag dazu gefragt. Sie sagten, es gebe konsularische Unterstützung für den Inhaftierten. Allerdings gibt es keinen direkten Austausch zwischen Frau Baerbock oder dem Bundeskanzler und Viktor Orbán über den Fall. Inzwischen hat die italienische Regierung nachgelegt und übt mehr Druck aus, um den italienischen Inhaftierten zu unterstützen und ihn aus dieser menschenunwürdigen Haftsituation herauszubekommen.

Hat sich inzwischen etwas von Ihrer Seite entwickelt? Haben Sie noch einmal Kontakt zur ungarischen Regierung gesucht?

Wagner (AA)

Ich würde Sie auf das verweisen, was ich am Montag gesagt habe. Falls ich dazu noch etwas an neueren Entwicklungen nachzuliefern habe, werde ich das nachliefern.

Zusatzfrage

Sie hatten gesagt, dass es eine konsularische Betreuung gebe. Welche Beobachtungen haben Sie dabei hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten innerhalb der Inhaftierung gemacht?

Wagner (AA)

Sie wissen, dass es gute Praxis ist, dass wir uns nicht zu Details von Konsularfällen einlassen. Das hat auch mit dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen zu tun. Grundsätzlich ist es aber so ‑ das kann ich abstrakt und nicht auf diesen Einzelfall bezogen erläutern ‑, dass deutsche Auslandsvertretungen konsularische Unterstützung, konsularische Hilfe, wozu wir auch gesetzlich verpflichtet sind, leisten, wenn dies von den betroffenen Personen gewünscht ist. Dazu gehören Kontakte zu den Anwältinnen und Anwälten, Haftbesuche, eine Begleitung bei Prozessen etc. Aber sehen Sie es mir nach, dass ich zu dem Einzelfall auch aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes hier keine Details darbieten kann.

Aber falls ich zu der Frage, die Sie davor gestellt haben, noch etwas nachliefern kann, tue ich das natürlich gern.

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