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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 07.02.2024

07.02.2024 - Artikel

Mögliches Vorgehen Nicaraguas gegen Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und Kanada vor dem IGH in Zusammenhang mit dem Konflikt im Gazastreifen

Frage

Nicaragua hat nach eigener Darstellung am Montag erste Schritte eingeleitet, um Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und Kanada vor dem IGH wegen mutmaßlicher Komplizenschaft bei der tausendfachen Tötung palästinensischer Zivilisten zur Verantwortung zu ziehen. Gleichzeitig hat es in einem offiziellen Kommuniqué erklärt, dass es Deutschland eine Verbalnote geschickt habe, in der Deutschland aufgefordert werde, die Lieferung von Munition, Waffen und Technologiekomponenten nach Israel sofort einzustellen, um so potenzielle Verstöße gegen die Völkermordkonvention zu verhindern.

Können Sie, erstens, den Eingang dieser Verbalnote bestätigen?

Zweitens: Wie gedenkt Deutschland, auf die dargelegten Schritte Nicaraguas zu reagieren?

Deschauer (AA)

Vielen Dank für Ihre Frage. Wir haben Kenntnis von einer Pressemitteilung. Weitere Schritte darüber hinaus, die Sie andeuten, kann ich hier nicht bestätigen. Darüber hinaus weisen wir natürlich entsprechende Inhalte der Pressemitteilung zurück.

Zusatzfrage

Zum einen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass es diese Verbalnote nicht bis ins Auswärtige Amt geschafft hat?

In dieser Verbalnote argumentiert Nicaragua, dass es plausibel sei, dass die unter anderem von Deutschland an Israel gelieferten Waffen ‑ ich zitiere kurz ‑ zur Erleichterung oder Begehung von Verstößen gegen die Völkermordkonvention einschließlich Beihilfe zum Völkermord verwendet werden. Vor dem Hintergrund, dass der IGH das Gesuch Südafrikas zum großen Teil angenommen hat, würde mich interessieren, wie Sie diesen Vorwurf Nicaraguas entkräften wollen.

Deschauer (AA)

Sie machen jetzt sehr viele Prämissen in einer Kette in Ihrer Frage, oder sagen wir mal: in Ihrer Stellungnahme.

Zusatz

Das ist keine Stellungnahme. Ich habe gefragt.

Deschauer (AA)

Genau, in Ihrer Ansprache.

Zuruf

Ich habe eine Frage gestellt!

Vorsitzende Wefers

Wenn ich mich einmal einschalten darf, weil ich die Sitzungsleitung innehabe: In der Redezeit, die Sie hatten, war der Frageanteil relativ kurz und der Einführungsanteil relativ lang. Ich denke, das wissen Sie auch ganz gut. Das hält ‑ das sage ich im Interesse der Kollegen, die hier Fragen stellen ‑ relativ lange auf.

Deschauer (AA)

In dem Sinne hatte ich Ihre Frage auch schon beantwortet. Wir kennen die Pressemitteilung. Alles Weitere ist nicht bekannt. Dementsprechend haben wir gar keinen Anlass, dies weiter zu kommentieren. Wir weisen die Inhalte der Pressemitteilung zurück.

Zuruf

Die Verbalnote ist noch nicht angekommen?

Deschauer (AA)

Ich habe Ihre Frage jetzt zweimal beantwortet.

Verschiebung der Präsidentschaftswahl in Senegal

Frage

An das Auswärtige Amt und an das Entwicklungsministerium: In Senegal wurde jetzt die Präsidentschaftswahl verschoben. Senegal gehört ja eigentlich zu den bevorzugten Partnern in Afrika; es wurde immer darauf verwiesen, dass es politisch und demokratisch stabil sei. Wie besorgt sind Sie? Wie geht die Bundesregierung vor? Gibt es Versuche, Präsident Macky Sall dazu zu überreden, dass er die Präsidentschaftswahlen vielleicht doch vorher abhält?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. ‑ Ich glaube, ich kann dazu auf eine Sprechererklärung des Auswärtigen Amts verweisen, die wir zu dem Thema herausgegeben haben, just weil wir besorgt sind und die sich weiterentwickelnde Situation jetzt mit großer Aufmerksamkeit betrachten und verfolgen.

Das senegalesische Parlament ist dem Wunsch von Präsident Sall zwar gefolgt und hat den Wahltermin jetzt auf den 15. Dezember 2024 verschoben und festgelegt, dass Präsident Sall bis zur Einführung eines Nachfolgers in seinem Amt bleibt. Das ganze Verfahren fand jedoch, so wie wir es auch beschrieben haben, unter besorgniserregenden Bedingungen statt. Sicherheitskräfte haben Oppositionsangehörige unter Zwang aus dem Plenarsaal entfernt.

Es ist also wichtig, dass die Regierung einen nationalen Dialog mit der Opposition eintritt und gemeinsam den Weg dafür ebnet, dass die auf den 15. Dezember verschobenen Wahlen dann auch stattfinden und rechtsstaatlichen Standards entsprechen. Unsere Erklärung von gestern, in der wir uns bereits dazu geäußert hatten, führt das vielleicht noch ein bisschen mehr aus.

Zusatzfrage

An das BMZ: Was heißt das mit Blick auf die staatliche Förderung für Senegal? Wird die ausgesetzt?

Koufen (BMZ)

Ich kann zuerst sagen, dass sich auch Ministerin Schulze bereits geäußert hat. Sie hat gesagt, die Situation im Senegal mache ihr Sorgen und es sei kein gutes Signal, dass die Wahlen jetzt wiederum verschoben worden sind. Die Ministerin unterstützt die Reaktion der Afrikanischen Union, die einen Zeitplan für faire und transparente Wahlen eingefordert hat. Sie hat wörtlich gesagt:

„Der Senegal ist eine Demokratie, die schon mehrfach Wechsel hatte und wo das auch gut funktioniert hat, und das muss jetzt auch so weitergehen.“

Was die Entwicklungszusammenarbeit angeht, ist es so, dass die Zusammenarbeit fortlaufend an den politischen Kontext angepasst wird. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt aber zu früh, um Schlussfolgerungen für die auf Jahre angelegte senegalesisch-deutsche Entwicklungszusammenarbeit zu ziehen. Daher beobachten wir die Lage im Senegal weiter sehr eng und fortlaufend und stehen mit der Deutschen Botschaft und unseren anderen Partnern vor Ort im engen Austausch.

Nahostkonflikt

Frage

Ich habe eine Frage zum Nahostkonflikt. Vor zwei Tagen hat der UNRWA-Direktor getwittert, Israel habe Konvois, die Hilfsgüter in den Norden Gazas bringen sollten, beschossen. Deutschland will ja, dass mehr Hilfe nach Gaza kommt. Wie reagiert die deutsche Regierung darauf?

Deschauer (AA)

Vielen Dank. ‑ Den Vorfall, von dem Sie sprechen, kann ich im Detail nicht kommentieren, weil ich keine eigenen Erkenntnisse darüber vorliegen habe. Grundsätzlich haben Sie es aber schon gesagt: Die Bundesregierung ist stark bemüht zu erreichen ‑ das spricht sie bei jeder Gelegenheit in den Gesprächen, die sie führt, aber auch öffentlich an ‑, dass mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineingelangt. Dieses Anliegen haben wir infolge der IGH-Entscheidung von vor einigen Tagen auch noch einmal verdeutlicht. In dieser Entscheidung wurde klar gemacht, dass auch Israel eine Verantwortung hat, mehr Hilfe nach Gaza hineinzulassen, damit die notleidenden Menschen versorgt werden können. Das ist ein Dauerthema und ein Anliegen der Ministerin auf ihren vier Reisen, in den Gesprächen, öffentlich und auch gegenüber den israelischen Partnern.

Zusatzfrage

Herr Hebestreit hat am Freitag ausgeführt, dass Deutschlands Unterstützung für Israel unverrückbar sei; das ist ja auch bekannt. Die israelische Regierung greift den Gazastreifen aber weiterhin an und lässt nicht genügend Lebensmittel in das Gebiet hinein. Die WHO berichtet, dass Menschen im Gazastreifen hungern. In Israel demonstrieren Menschen auch gegen die Regierung. Vor diesem Hintergrund möchte ich fragen: Steht die Bundesregierung weiter hinter der rechtsradikalen Netanjahu-Regierung?

Hebestreit (BReg)

Die Bundesregierung steht zu Israel, das ist unser Bezugspunkt, und wir mischen uns nicht in innere Angelegenheiten ein. Als Gesprächspartner, als unser Gegenüber haben wir im Augenblick die demokratisch gewählte israelische Regierung ‑ das ist ein Unterschied zu fast allen anderen Regierungen in dieser Region, das noch als kleine Ergänzung. Der Bundeskanzler hat am vergangenen Montag, also vorgestern, ein ausführliches Telefonat mit Benjamin Netanjahu geführt und hat die deutsche Position darin noch einmal sehr nachdrücklich und deutlich hinterlegt. Ich glaube, ich habe die deutsche Position hier am Montag auch sehr ausführlich erläutert, und mit Blick auf die gestrenge Vorsitzende verweise ich auf das Protokoll von Montag.

Frage

Frau Deschauer, können Sie bestätigen, dass die US-Regierung im Hintergrund, sagen wir einmal, Druck ausübt oder Wünsche äußert gegenüber der Bundesregierung und anderen, die die UNRWA-Hilfen eingefroren haben, diese bald wieder aufzunehmen?

Deschauer (AA)

Auch dazu geben die Protokolle der Pressekonferenz vom Montag und der drei darauffolgenden Sitzungen, in denen es um die Thematik UNRWA ging, eine ausführliche Einschätzung und Bewertung der Lage durch die Bundesregierung. Darüber hinaus würde ich das hier nicht weiter kommentieren oder in irgendeiner Form zu einer Bestätigung beitragen wollen. Da bringen Sie mich nicht dazu, das weiter auszuführen.

Zusatzfrage

Sie dementieren dies aber nicht. ‑ Es gibt Berichte zum Beispiel aus Washington, dass die US-Regierung, die legal anders verpflichtet ist, Mittel einzufrieren, als etwa die Bundesregierung, solchen Druck ausübe. Das möchten Sie weder bestätigen noch dementieren?

Deschauer (AA)

Ich lasse mich auch da nicht auf das Glatteis führen, wie Sie es gerade versuchen. Was ich sagen kann, ist, dass die Bundesregierung selbstverständlich engstens mit ihren Partnern im Gespräch sind. Dazu zählen natürlich die Vereinigten Staaten, auch als eines der wesentlichen Länder, die zur humanitären Hilfe für Gaza beitragen. Zu dieser humanitären Hilfe gehören auch die derzeit quasi pausierten Mittel für UNRWA, und wir sind derzeit in intensiven Gesprächen unter den Geberländern ‑ gerade den großen Geberländern; Sie nennen die USA. Insofern findet dazu ein reger Austausch statt, und wir haben gemeinsam natürlich das Ansinnen, dass Israel ‑ das haben wir hier schon in Bezug auf die erste Frage, die hier zu diesem Themenkomplex gestellt wurde, gesagt ‑, mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinlässt und dass auch mehr humanitäre Hilfe nach Gaza hineinkommt. Das ist der Stand der Dinge.

Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine

Frage

Die ukrainische Botschaft hat am 2. Februar eine Stellungnahme veröffentlicht, in welcher sie erklärt, ohne Zustimmung Kiews dürfte das ZDF nicht aus von Russland kontrollierten Gebieten im Donbass berichten. Am selben Tag griff auch noch das Außenministerium in Kiew das ZDF an und erklärte, dieses würde keinen Journalismus betreiben, sondern die Realität verzerren. Da würde mich interessieren: Teilt die Bundesregierung diese Sichtweise der ukrainischen Regierung oder verwehrt sie sich gegen diese versuchte Einmischung in die Programmgestaltung des ZDF?

Deschauer (AA)

Die Bundesregierung sagt, dass es eine redaktionelle Entscheidung von Medien ist, die sie bezüglich Ihrer Berichterstattung treffen.

Zusatzfrage

Aber meine Frage bezog sich ja darauf, dass sich die ukrainische Regierung hier recht weit aus dem Fenster gelehnt und gesagt hat, ohne Zustimmung Kiews dürfe das ZDF nicht aus dem Donbass berichten. Dazu hätte ich ganz gerne eine Einschätzung der Bundesregierung ‑ gerne auch von Herrn Hebestreit.

Deschauer (AA)

Sie haben mir jetzt zwei Varianten zur Auswahl gegeben und ich habe Ihnen geantwortet, wie die Bundesregierung das sieht. Insofern ist das, glaube ich, beantwortet.

Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan

Frage

Kurze Frage an das Außenministerium, noch einmal zu einer Präsidentschaftswahl, aber diesmal nicht nach hinten, sondern nach vorne verschoben, nämlich in Aserbaidschan. Wie groß ist das Vertrauen darin, dass das demokratische Wahlen sind, die dort stattfinden können, oder wie besorgt sind Sie über den weiteren autoritären Charakter dieses Regimes?

Deschauer (AA)

Die Bundesregierung verfolgt die Wahl aufmerksam. Entscheidend ist, dass die Wahl internationalen Standards entspricht, denen auch Aserbaidschan verpflichtet ist. Ich kann vielleicht anfügen, dass das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte ‑ das kennt man gemeinhin als ODIHR ‑ bereits vor der Wahl, Ende Januar, einen Zwischenbericht abgegeben und darauf hingewiesen hat, dass elementare Grundfreiheiten wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit in Aserbaidschan eingeschränkt sind. Das gilt auch für journalistische Freiheit. Festnahmen von Journalisten wurden festgestellt. Diese Entwicklungen betrachtet die Bundesregierung auch seit längerer Zeit mit Sorge. Die unabhängigen Wahlbeobachter der OSZE, die vor Ort sind, werden sich nach meiner Kenntnis morgen zu entsprechenden ersten Bewertungen im Rahmen einer Pressekonferenz in Baku äußern.

Wir können noch sagen, dass wir es bedauern, dass Aserbaidschan dieses Mal keine Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter des Europarats eingeladen hat. Der Europarat steht für die Achtung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, und ein jedes Mitgliedsland ist hierzu verpflichtet.

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