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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungs­­­­­pressekonferenz vom 22.01.2024

22.01.2024 - Artikel

Reise der Außenministerin nach Dschibuti, Kenia und Südsudan

Deschauer (AA)

Ich habe eine Reiseankündigung mitgebracht. Außenministerin Baerbock wird vom 24. bis zum 26. Januar nach Ostafrika reisen. Sie wird in Dschibuti, Kenia und Südsudan politische Gespräche führen. Im Zentrum der Gespräche wird der andauernde Konflikt im Sudan stehen. Alle besuchten Staaten spielen eine hervorgehobene Rolle in den laufenden diplomatischen Bemühungen zur Beendigung der Kämpfe. Im Mittelpunkt ihrer Gespräche wird stehen, wie man die bestehenden internationalen Vermittlungsinitiativen besser koordinieren und den Druck auf die Konfliktparteien erhöhen kann. Zudem werden bei den Gesprächen der Außenministerin natürlich auch bilaterale Themen sowie in Dschibuti die Sicherheit der Seewege im Roten Meer eine Rolle spielen.

In Kenia wird die Außenministerin neben Regierungsvertretern zudem mit Akteuren der sudanesischen Zivilgesellschaft zusammentreffen und ein von Deutschland gefördertes Ausbildungszentrum besuchen.

Im Südsudan wird sie neben politischen Gesprächen eine UNHCR-Flüchtlingssiedlung und die UN-Mission UNMISS besuchen und dort Gespräche mit VN-Vertretern führen.

Nahostkonflikt

Frage

Meine Frage betrifft Gaza. Die Bundesregierung wollte Israel 10 000 Bomben senden. Gibt es Pläne, auch Bundeswehrtruppen nach Gaza zu senden, um die Israeli zu schützen?

Deschauer (AA)

Könnten Sie den ersten Teil Ihrer Frage wiederholen? Ich habe ihn akustisch leider nicht ganz erfassen können.

Zusatzfrage

Die Europäer wollen heute und morgen über Sanktionen gegen das israelische Regime beraten. Wird die Bundesregierung mitmachen, oder ist sie dagegen?

Deschauer (AA)

Ich kann vielleicht sagen, dass der Nahostkonflikt insgesamt heute eine Rolle auch in den Gesprächen der Außenministerinnen und Außenminister auf ihrer Tagung in Brüssel spielen wird. Dort wird ein Austausch zur dramatischen humanitären Lage in Gaza stattfinden, aber der Blick auch darauf gerichtet werden, wie die verbleibenden Geiseln befreit werden können und wie der Konflikt perspektivisch einer Lösung zugeführt werden kann. Wie Sie wissen, hat die Außenministerin sehr oft betont ‑ das wird auch im Zentrum der Gespräche stehen ‑, dass wir als Bundesregierung eine Zweistaatenlösung als Perspektive für den Konflikt sehen. Das hat die Ministerin auch bereits heute Morgen zu Beginn der Konferenz noch einmal öffentlich gesagt.

Frage

Zum Thema der Zweistaatenlösungen, für die sich Annalena Baerbock in Brüssel ja einsetzen wird und für die sich die Bundesregierung schon lange einsetzt: 30 Jahre nach den Oslo-Abkommen ist die Zweistaatenlösung de facto immer unwahrscheinlicher geworden. Die Palästinenser wurden weiter entrechtet. Die Westbank ist immer kleiner geworden. Gaza ist immer noch israelisch besetzt. Das Militär kontrolliert immer noch die Westbank.

Hat die Bundesregierung eine Strategie, wie die Zweistaatenlösung tatsächlich umgesetzt werden kann und sie eben nicht nur ein Lippenbekenntnis ist?

Deschauer (AA)

Ich würde noch einmal unterstreichen wollen, dass die Außenministerin, diese Bundesregierung, aber auch sehr viele andere internationale Stimmen die Zweistaatenlösung als die einzige Möglichkeit betonen und betont haben, mit der eine Lösung dieses Konflikts perspektivisch zu erreichen ist. Die Außenministerin hat bereits beim G7-Außenministertreffen im November in Tokio grob skizziert, welche Elemente dazugehören und was wichtige Parameter sind.

Zu den Aspekten, die Sie ansprechen, hat sie schon klar Stellung bezogen. Es darf keine Verkleinerung des Territoriums erfolgen. Palästinenserinnen und Palästinenser dürfen nicht vertrieben werden. Es muss eine Lösung nicht über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweg, sondern mit ihnen gefunden werden. Das ist der Weg; das ist die Maßgabe. So habe ich die Stimmen vernommen und so hat sich auch die Außenministerin heute zu Beginn der Außenministertagung eingelassen. Dafür setzt sich die Bundesregierung mit Kraft ein.

Zusatzfrage

Nun hält sich Israel aber nicht an diese Vorgaben und verfolgt keine Politik, die eine Zweistaatenlösung ermöglicht. Das hat Netanjahu gegenüber den USA gerade auch noch einmal ganz deutlich gemacht.

Die Frage kam letztes Mal schon auf, wurde aber nicht so richtig beantwortet: Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass eine Zweistaatenlösung von Israel blockiert wird? Kann man zum Beispiel an irgendeiner Stelle Sanktionen einsetzen, um Israel unter Druck zu setzen, damit eine Zweistaatenlösung möglich wird?

Deschauer (AA)

Ich kann und möchte noch einmal auf das verweisen, was die Außenministerin heute am Rande des RfAB in Brüssel genau dazu gesagt hat. Israel kann nur dann in Sicherheit leben, wenn Palästinenser in Sicherheit und in Würde leben. Umgekehrt gilt es genauso. Palästinenserinnen und Palästinenser können nur dann in Würde, Sicherheit und Freiheit leben, wenn Israel in Sicherheit lebt. Die Zweistaatenlösung hat sie dort ‑ ich zitiere ‑ als die einzige Lösung betrachtet. Ich zitiere: „All diejenigen, die davon nichts wissen wollen, haben bisher keine … Alternative auf den Weg gebracht“. ‑ Insofern kann der Ansatz ja nicht sein, den Kopf in den Sand zu stecken, sondern wir versuchen es mit allen Mitteln, wenn es auch noch so kleine Schritte sind, die darauf hinführen können, etwa das beharrliche Werben für mehr humanitäre Hilfe, die dringend notwendig ist und von der inzwischen auch mehr, noch nicht genug, aber mehr, in den Gazastreifen hineingelangt als bisher. Wir haben keine Alternative, als unser beharrliches Werben voranzutreiben. Ich denke, das ist Konsens, auch im Rahmen der EU-Außenministerinnen und Außenminister.

Frage

Mit Blick auf das Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof wurde durch das Bundeskanzleramt angekündigt, dass Deutschland intervenieren werde. Hält Deutschland trotz der Ankündigung von Netanjahu, eine Zweistaatenlösung nicht zu unterstützen, an dieser Entscheidung fest?

Können Sie kurz sagen, wer dabei die Federführung hat? Von wem wird diese Intervention formuliert? Ist es das AA, oder kommt das direkt aus dem Kanzleramt?

Vielleicht gibt es schon einen Zeithorizont dafür, wann dort etwas von deutscher Seite aus vorgelegt wird. Wissen Sie schon, ob das Gericht möglicherweise schon einen Zeitplan festgesetzt hat, um zu entscheiden?

Hebestreit (BReg)

Zunächst einmal muss der Internationale Gerichtshof entscheiden, ob er die Sache in der Hauptsache annimmt. Wir haben ja bereits bekannt gegeben, und zwar im Namen der Bundesregierung, nicht des Bundeskanzleramtes, dass wir dann, wenn das erfolgt ist, von dem Recht Gebrauch machen, als Drittpartei an dem Verfahren teilzunehmen, und uns dort auch äußern werden. Es geht ganz konkret ‑ deswegen würde ich das jetzt nicht vermischen ‑ um den Vorwurf des Genozides. Das entbehrt jeglicher Grundlage. So ist unsere Formulierung dazu. An diesem Verfahren und auch an dieser Position halten wir fest.

Meines Wissens wird das dann im Konkreten vom Auswärtigen Amt betrieben, aber im Namen der Bundesregierung. Darin ist sich die Bundesregierung sehr einig.

Aber im Augenblick ist erst einmal der Internationale Gerichtshof am Zuge, der nach den Anhörungen zu entscheiden hat und dann sozusagen das Hauptsacheverfahren eröffnen müsste.

Zusatzfrage

Die Frage war, ob Sie schon einen Zeithorizont kennen, bis wann der Gerichtshof vielleicht zu einer Entscheidung kommen wird.

Hebestreit (BReg)

Nein, keinen, den ich hier belastbar mitteilen könnte.

Frage

Meine Frage richtet sich sowohl an Herrn Hebestreit als auch an Frau Deschauer. Im israelischen Kriegskabinett gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, was die Zweistaatenlösung angeht, gerade nach der Erweiterung des Kabinetts.

Konzentriert die Bundesregierung ihre Abstimmung mit der israelischen Regierung jetzt auf diejenigen, die dieses Ziel Deutschlands, der Europäer und der Amerikaner tatsächlich teilen?

Hebestreit (BReg)

Unser Gesprächspartner ist die israelische Regierung in Gänze. Der Bundeskanzler hat mit Premierminister Netanjahu regelmäßig Kontakt, aber hat unlängst auch mit Minister Gantz gesprochen. Insofern versuchen wir also, mit allen Teilen der israelischen Notstandsregierung oder Notregierung, wie sie im Augenblick ist, Kontakt zu halten und zu sprechen.

Aber noch einmal: Unsere Position ist klar und unverrückbar. Wir halten eine Zweistaatenlösung für den einzig gangbaren Weg, um perspektivisch dafür zu sorgen, dass künftig sowohl Israeli als auch Palästinenserinnen und Palästinenser in Frieden und in gegenseitiger Akzeptanz miteinander leben können.

Deschauer (AA)

Ich kann das für das Auswärtige Amt und für die Außenministerin unterstreichen, die ja, wie Sie wissen, erst vor wenigen Tagen von ihrer vierten Reise in die Region zurückgekommen ist, auf der sie entsprechende Gespräche mit verschiedenen israelischen Ansprechpartnern der Regierung geführt hat.

Frage

Zum Internationalen Gerichtshof: Der Bundesregierung wird von Belgien und Spanien vorgeworfen, dass sie immer auf der falschen Seite stehe. Denn vor einer Woche hat die Bundesregierung Israel im Gerichtshof verteidigt. Wie lange wird das noch gehen?

Hebestreit (BReg)

Ich denke, die Frage haben wir eben bereits beantwortet. Unsere Position haben wir deutlich gemacht. Wir haben auch immer wieder deutlich gemacht, dass man wie in vielen juristischen Fragen unterschiedliche Positionen wohlbegründet einnehmen kann. Unsere Position ist wohlbegründet.

[…]

Frage

Wenn Sie davon sprechen, das, was Deutschland an Einfluss habe, in die Waagschale zu werfen, was hat denn Deutschland dann noch an Einfluss? Als wie groß schätzen Sie diesen ein? Mit welchen Mitteln könnten Sie da außer über Gespräche Einfluss ausüben?

Deschauer (AA)

Ich fange gerne einmal an, weil es, glaube ich, sehr konkrete Beispiele gibt, die sich im Laufe des bereits mehr als drei Monate andauernden, schrecklichen Angriffs der Hamas auf Israel und des Kriegs in Gaza dann doch gezeigt haben. Sie erinnern sich vielleicht, dass zu Beginn kaum humanitäre Hilfe in den Gazastreifen hineingekommen ist. Die Außenministerin hat auf ihren vier Reisen in die Region ohne Unterlass dafür geworben, dass humanitäre Hilfe in deutlich größerem Umfang regelmäßiger in den Gazastreifen hineinkommt. Nach anfänglich starken Zurückhaltungen, sodass auch Treibstoffe nicht hereingelassen wurden, hat es deutliche Entwicklungen gegeben. Wir sind jetzt dabei, dass es Anzeichen gibt, dass Lieferungen neben Rafah und Kerem Schalom möglicherweise auch noch über den Hafen von Aschdod hineinkommen können. All das sind Schritte, für die die Ministerin regelmäßig geworben hat. Deutschland hat seine humanitäre Hilfe für die palästinensischen Gebiete seit Oktober insgesamt auf knapp 211 Millionen Euro verdreifacht. Insgesamt kommt natürlich weiterhin noch nicht genug Hilfe in den Gazastreifen hinein. Aber wir sehen Fortschritte, durch die doch durchaus auch entsprechende Entwicklungen vorangebracht wurden. Das ist ein konkretes Beispiel. Wir werden ohne Unterlass für die Menschen in der Region weiterarbeiten.

Zusatzfrage

Meine Frage zielte eher darauf ab, inwiefern Deutschland Einfluss ausüben kann, um Israel im Prinzip dazu zu bewegen, zur Zweistaatenlösung zurückzukehren.

Hebestreit (BReg)

Das ist, glaube ich, der Teil, den ich damit meinte, dass wir unsere Macht natürlich nicht überschätzen und glauben dürfen, dass wir irgendwie mit dem Finger schnippen, und dann spurt alles oder geht alles nach unserem Kommando. Aber ich glaube, der Teil, der uns auszeichnet, wie Kollegin Deschauer jetzt ja auch schon einmal deutlich gemacht hat, ist, dass wir das Ohr Israels haben. Es wird sehr genau und auch positiv wahrgenommen, wie unverrückbar Deutschland an der Seite Israels steht, und man hört uns zu. Trotzdem sind das Entscheidungen, die Israel zunächst einmal für sich treffen muss. Die Kollegin hat ja auch auf die schwierige Situation innerhalb der Regierung Israels und auch auf die im Augenblick herrschende Lage in Israel selbst hingewiesen. Trotzdem lassen wir nicht nach, für die aus unserer Sicht einzig gangbare Lösung dieses wirklich schwierigen und seit Jahrzehnten laufenden Konflikts zu werben. Wir waren schon einmal relativ weit. In den letzten Jahren sind wir auf diesem Weg keinen Schritt vorangekommen, sondern eher in die andere Richtung gegangen. Trotzdem ist es die einzige Lösung, die international für gangbar gehalten wird. Wir werben weiterhin dafür ‑ bei Israel, in Israel und bei den verschiedenen israelischen Entscheidungsträgern, aber auch in der Region ‑, dass man diesen Weg gemeinsam gehen kann, und darin werden wir auch nicht nachlassen.

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