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Aufenthalt in großer Höhe und höhenbedingte Erkrankungen

04.11.2022 - Artikel

Die Höhenkrankheit ist eine nicht zu unterschätzende Erkrankung, die verschiedene Verlaufsformen haben kann. Ein frühzeitiges Erkennen und Behandeln ernster Symptome kann lebensrettend sein. Vor einem Aufenthalt in großer Höhe sollte Überlegungen zur Prophylaxe und Behandlung beachtet werden.

Das Höhenmilieu

Der Luftdruck entspricht dem Gewicht der Luftsäule auf die darunterliegende Fläche. Mit zunehmender Höhe nimmt der Luftdruck entsprechend ab, er halbiert sich alle 5.500 m. Damit einhergehend verringert sich auch der Partialdruck des Sauerstoffs (dem Anteil von 21 % an der Luft entsprechender Teildruck des Sauerstoffs, also 21 % vom Umgebungsdruck), die Konzentration bleibt aber immer bei 21 %. Somit kommt es bei Höhenexposition unweigerlich zum Sauerstoffmangel (Hypoxie) im Körper. Dieser wird durch verschiedene Mechanismen kompensiert, u.a. akut durch Hyperventilation (Zunahme von Atemfrequenz und Atemtiefe), Eindickung des Bluts durch Mehrausscheidung von Flüssigkeit und auf längere Sicht auch zur Mehrproduktion von roten Blutkörperchen und damit Sauerstoffträgern. Die körperliche Leistungsfähigkeit nimmt ab einer Höhe von 1.500 m um ca. 10 % pro 1.000 Höhenmeter ab. Weitere Veränderungen sind Abnahme der Lufttemperatur (Abnahme von ca. 1 °C/ 100 Höhenmeter) und der Luftfeuchtigkeit.

Begleitumstände

In vielen vom Bergtourismus aufgesuchten Gebieten ist keine der deutschen Notfallmedizin vergleichbare Notfallversorgung verfügbar. Teilweise gibt es Versorgungsmöglichkeiten, die durch private Initiativen oder Parkverwaltungen geschaffen wurde. Eine Rettung mit dem Helikopter ist schon aufgrund der Höhe oft nicht möglich, zudem ist eine Versicherung oder eine Kostenübernahme erforderlich. Durch entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen kann für den Notfall vorgesorgt werden, z.B. kann die Versicherungsnummer der Reiserückholversicherung bei der entsprechenden Stiftung (z.B. Himalaya Rescue Organisation in Kathmandu für Nepal) oder bei der Nationalparkverwaltung für den Notfall hinterlegt werden. Träger, Packtiere oder mobile Tragen können für einen Patiententransport vor Ort rekrutiert werden.

Höhenakklimatisation

Bei Höhenexposition ist eine langsame Akklimatisierung erforderlich. Diese Vorgänge beginnen schon ab 1.500 m. Ab einer Schwelle von ca. 2.000 – 2.500 m sollte zunächst auf dieser Höhe einige Tage verweilt werden. In den ersten Tagen sollten keine anaeroben Belastungen erfolgen, der Puls sollte ca. 130/min nicht überschreiten. Ab dieser Schwellenhöhe sollte man so tief wie möglich schlafen und die Schlafhöhe um nicht mehr als 300 m täglich steigern. Alle 1.000 m sollte eine Extranacht eingelegt werden. Sind aus topographischen Gründen stärkere Anstiege der Schlafhöhe unausweichlich, dann sollten weitere Extranächte eingelegt werden. Die Tageshöhen (die Höhen, die auf Fußmärschen erreicht werden) dürfen höher sein so lange die Schlafhöhenregel beachtet wird. Dies stellt einen Akklimatisierungsreiz dar. In Höhen oberhalb 5.300 m kann der Mensch über längere Zeit nicht überleben.

Aus dem Gesagten wird klar, dass von Flügen in die Berge oder schnellen Transporten mit Seilbahn, Bus, PKW oder Eisenbahn grundsätzlich abzuraten ist.

Die Trinkmenge sollte pro 1.000 m Höhe um ca. 1 Liter erhöht und eine kohlenhydratreiche Kost bevorzugt werden. Die Kleidung sollte nach dem Zwiebelschalen-Prinzip aus mehreren Schichten von Funktionskleidung bestehen, die je nach Bedarf an- oder abgelegt werden können. Sonnenschutz durch Kopfbedeckung, starke Sonnenbrille, Sunblocker (LSF über 50) und körperbedeckende Kleidung ist zu beachten.

Höhenbedingte Erkrankungen

Bei Nichtbeachtung der Akklimatisierungsregeln (zu schneller Aufstieg) oder auch bei besonderer Anfälligkeit kann es zu höhenbedingten Erkrankungen kommen. Einige sind sehr häufig, einige potentiell lebensbedrohlich.

Alle Symptome, die nicht durch Rast oder Ruhelage allein verschwinden, erzwingen den zügigen Abstieg auf Höhen unter 2.500 m. Es ist im Gebirge besonders gefährlich, Früh- und Warnzeichen des Körpers durch Medikamente oder „eisernen Willen“ zu überspielen.

Akute Bergkrankheit (acute mountain sickness, AMS)

AMS kann bereits ab 6 – 8 Stunden Aufenthalt in Höhen oberhalb von 2.000 m auftreten. Die Häufigkeit ist abhängig von der Höhe und kann bis zur Hälfte der Bergreisenden mehr oder minder stark betreffen. Das Leitsymptom ist Kopfschmerz. Bei schwerer AMS sind diese durch Analgetika wie Ibuprofen nicht mehr zu lindern und Begleitsymptome wie Somnolenz, Schlafstörungen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen können hinzukommen.

Therapie bei AMS:

  • Bei milder AMS eine Nacht auf der gegenwärtigen Höhe verweilen. Erst weiter aufsteigen, wenn Beschwerden abgeklungen sind.
  • Bei schwerer AMS Abstieg, notfalls passiver Abtransport. Bereits nach wenigen hundert Metern können Betroffene beschwerdefrei werden.

Höhenhirnödem (high altitude cerebral edema, HACE)

HACE tritt in Höhen oberhalb von 3.000 – 4.000 m nach ca. 48 Stunden Höhenaufenthalt auf. Es handelt sich um ein höhenbedingtes Hirnödem (Hirnschwellung durch Flüssigkeitseinlagerung). Typisch sind schwerste, therapieresistente Kopfschmerzen, außerdem kann es zu Bewusstseinsstörungen kommen. Leitsymptom ist die Ataxie (Betroffene sind nicht mehr in der Lage, mit geschlossenen Augen geradeaus zu gehen). Es besteht akute Lebensgefahr!

Höhenlungenödem (high altitude pulmonary edema, HAPE)

HAPE tritt meist in Höhen oberhalb von 3.000 m nach ca. 48 Stunden Höhenaufenthalt auf. Es handelt sich um ein höhenbedingtes Lungenödem (Lungenschwellung durch Flüssigkeitseinlagerung). Typisch sind Atemnot und rasselnde Atemgeräusche, die bei starker Ausprägung auch auf Distanz zu hören sind. Leitsymptom ist ein Leistungseinbruch. Es besteht akute Lebensgefahr!

Therapie bei HACE und HAPE:

  • Oberkörperhochlagerung, Sauerstoffgabe, passiver Abtransport in niedrigere Höhen, mindestens bis dorthin, wo der Patient zuletzt beschwerdefrei war.
  • Soweit vorhanden und sofern eine niedrigere Höhe nicht schnell genug erreicht werden kann, kann der Patient in einer Gamow / CERTEC Bag behandelt werden. Hierbei handelt es sich um eine aus einem großen, zylinderförmigen Gummisack bestehende, transportable Druckkammer, die mit einer Handpumpe aufgepumpt werden muß und eine niedrigere Höhe simuliert. Der Patient kann in dieser auch transportiert werden.
  • Medikamentös ist bei HACE orales Kortison (Dexamethason, initial 8 mg, dann alle 6 h 4 mg) wirksam.
  • Medikamentös ist bei HAPE Nifedipin retard 20 mg p.o. alle 6 h wirksam.

Weitere höhenbedingte Veränderungen

Es können höhenbedingte Netzhauteinblutungen und periphere Höhenödeme (Wasseransammlung im Gewebe) an den Extremitäten vorkommen. Diese sind nicht bedrohlich und erfordern keine besonderen Maßnahmen. Ringe sollten in der Höhe abgelegt werden.

Höhenreizhusten ist ein häufiges Symptom, Codein sollte hierbei nicht eingesetzt werden. Strahlenschäden können durch konsequenten Sonnenschutz vermieden werden.

Thrombembolische Erkrankungen sind die häufigsten, nicht-traumatischen tödlichen Notfälle in der Höhe. Sie können durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr vermieden werden. Auch hier ist bei entsprechenden Beschwerden ein passiver Abtransport notwendig und ggfs. (so vorhanden) eine Heparin-Gabe zu empfehlen.

Prophylaxe der Höhenkrankheit

Für die Prophylaxe der höhenbedingten Erkrankungen sollten die höhentaktischen Akklimatisationsregeln strikt beachtet werden.

  • Nie zu schnell zu hoch steigen. Rasche, motorisierte Aufstiege auf dem Land- oder Luftweg auf über 3500 m Höhe (Hubschrauber etc.) sind möglichst zu vermeiden.
  • In der Höhe sind alle Gesundheitsstörungen zunächst als höhenbedingt anzusehen Þ nicht bagatellisieren. Reisende mit falschem Durchhaltewillen gefährden sich und andere.
  • Während der ersten Tage nach Ankunft in großer Höhe sollten körperliche Aktivitäten auf ein Minimum reduziert werden.
  • Ab 2000 – 2500 m Höhentaktik zur Akklimatisierung beachten: Schlafhöhe so niedrig wie möglich, täglich um max. ca. 300 m steigern. Die tagsüber erreichte Höhe darf höher sein („hoch steigen – tief schlafen“). Alle 1.000 m einen zusätzlichen Rasttag einplanen.
  • Pro 1.000 Höhenmeter 1 Liter Wasser zusätzlich trinken.
  • Nur beschwerdefrei weiter aufsteigen.
  • Höhenkranke nie allein lassen.
  • Eine medikamentöse Prophylaxe kann für Sonderfälle erwogen werden. Die allgemeine Verwendung von Azetazolamid (z.B. Glaupax® oder Acemid® 2 x 125 mg für 2 – 3 Tage, bei Personen über 90 Kg Körpergewicht 5mg/Kg/Tag verteilt auf zwei Einzeldosen) ist nicht unumstritten. Sie erleichtert zwar die Höhenakklimatisierung und soll nicht zum vermehrten Auftreten von HAPE oder HACE führen. Allerdings sollte bei Symptomen nicht im Gefühl falscher Sicherheit weiter aufgestiegen werden. Auch als „Doping“ für Reisende, die von ihrer Konstitution eigentlich für die Höhe nicht geeignet sind, sollte es nicht eingesetzt werden. Acetazolamid ist insbesondere für schnell notwendig werdende Höhenexposition sinnvoll, z.B. bei Bergrettungspersonal im Einsatz, bei unausweichlicher Höhenexposition durch Lage des Flughafens (z.B. La Paz) oder bei besonders für höhenbedingte Gesundheitsstörungen anfällige Personen. Bei einer Sulfonamid-Allergie darf es nicht eingenommen werden.
  • Auch weitere medikamentöse Prophylaxe (z.B. Phosphodiesterase-Hemmer, Nifedipin retard, Dexamethason) sollte allenfalls unter höhenmedizinischer Betreuung in Erwägung gezogen werden. Bei allen genannten Medikamenten ist zu beachten, daß diese für diese Verwendung nicht ausdrücklich zugelassen sind und deshalb „off label“ eingesetzt werden. Entsprechende ärztliche Aufklärung ist nötig.

Ausrüstung auf Hochgebirgstouren

  • Namen und Lage der Polizei- und Militärstationen in der Region (möglichst auch mit lokalen Namen, in lokaler Schrift),
  • Angaben über Rettungsmöglichkeiten (Organisationen, Militär) und deren Erreichbarkeit.
  • zur Ausrüstung gehören auch bei guter (langsamer) Höhenanpassung insbesondere von Trekking- und Bergsteiger-Gruppen in gefährlichen Höhen:
    • Sauerstoffflaschen für mindestens 12 Stunden Beatmung mit Manometer und Flussmesser (d.h. etwa 3 Flaschen à jeweils 1.000 Liter; Vorsicht vor Leihflaschen. Füllungszustand, Gas-Art, und Qualität prüfen).
    • Gamow Bag / CERTEC Bag, eine Überdruckkammer für schwer Erkrankte (aufblasbarer Rettungssack aus Plastik mit Handpumpe, in dem der Patient transportiert werden kann). Vor Abmarsch Dichtigkeit und Funktion der Handpumpe prüfen (Bezug z.B. über CERTEC, F-69210, Sourciex Les Mines).

    • Medikamente (Anwendung nur auf ärztliche Aufforderung und unter Aufsicht. Für den Notfall sollten alle Expeditionsteilnehmer jedoch über die Anwendung Bescheid wissen.

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