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Rede von Außenminister Heiko Maas beim Briefing zur 25. VN-Klimakonferenz

14.11.2019 - Rede

Eine deutsche Kleinstadt hat durchschnittlich etwa 11.000 Einwohner. Nun stellen Sie sich eine solche Stadt vor und egal wen Sie fragen in dieser Stadt: jeder Einzelne warnt Sie eindringlich vor einem „Weiter so“ in der Klimapolitik.

Die Meinung so vieler Menschen müsste eigentlich Eindruck machen, sollte man meinen.

Und in der Tat lässt der Appell, den letzte Woche eben 11.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt unterschrieben haben, keine Missverständnisse zu. Ändern wir Menschen unser Verhalten nicht grundlegend, so heißt es in dem Artikel, dann sei „unsägliches Leid nicht mehr zu verhindern“.

Unsägliches Leid! Das ist für Wissenschaftler eine mehr als bemerkenswerte Wortwahl. Eine, die es hoffentlich unmöglich macht, diese Warnung zu ignorieren.

Meine Damen und Herren,
11.000 Menschen. In etwa so viele Menschen leben auch in Nauru. Die Menschen in Nauru gehören zu denen, die die Folgen des Klimawandels am direktesten spüren, weil ihrem Land das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht.

Im Juni war der damalige Präsident von Nauru zu Besuch hier bei uns in Berlin. Nauru ist Teil einer Freundesgruppe von 50 Staaten zum Thema Klima und Sicherheit, die wir in New York bei den Vereinten Nationen gegründet haben. Das Thema ist eines unserer Schwerpunkte für die Zeit, in der wir Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sind. Der Präsident warf damals die Frage auf, ob die Vereinten Nationen nicht Blauhelme entsenden sollten, um Kohlekraftwerke zu schließen.

Das ist ein deutlicher Appell, aber einer, dem vor allen Dingen eine bittere Wahrheit zugrunde liegt: Der Klimawandel ist längst zu einer Bedrohung auch für Frieden und Sicherheit geworden, und zwar an vielen Orten der Welt. Klimapolitik ist längst nicht mehr nur reine Umweltpolitik. Klimapolitik muss auch noch viel mehr unsere Außenpolitik prägen - und nicht nur unsere!

Deshalb war es Svenja Schulze und mir auch besonders wichtig, dass wir heute Morgen gemeinsam diesem Briefing mit dem Deutschen Klimakonsortium beiwohnen. Wir hoffen, dass es dazu beiträgt, das, was wir tun weiterzuentwickeln und dass es uns auf das vorbereitet, was ansteht.

Wenn wir diese Menschheitsaufgabe meistern wollen, dann müssen wir nicht nur Umwelt-, Klima- und Außenpolitik konsequent zusammendenken. Sondern uns auch noch viel enger mit Ihnen austauschen, mit der Wissenschaft und auch mit der Zivilgesellschaft. Sie läuten nicht nur schon sehr lange laut und effektiv die Alarmglocken. Sondern sie sprechen auch über Lösungen und bieten an, wie wir den Klimawandel eindämmen und mit seinen Folgen besser umgehen können.

Das habe ich zuletzt erlebt, als ich mit Experten vom Alfred-Wegener-Institut, dem Max-Planck-Institut und dem GIGA in der kanadischen Arktis unterwegs gewesen bin. Gemeinsam mit unseren kanadischen Partnern haben wir eine Vertiefung der Wissenschaftskooperation auf diesem Gebiet vereinbart.Wir verdanken es vor allem Ihrer Arbeit, der Arbeit von Wissenschaft und NGOs, dass das gesellschaftliche Bewusstsein für den Klimawandel nie größer war als es heute ist.

Doch das reicht nicht. Denn auf Bewusstsein muss Handeln folgen. Sonst geht es uns wie in dem alten Sprichwort: „Wer verstanden hat und nicht handelt, hat nicht wirklich verstanden.“ Zu Recht werden wir daran jeden Freitag erinnert, wenn es heißt: Zerstört unsere Zukunft nicht! Sondern setzt endlich um, was etwa im Pariser Abkommen versprochen worden ist!

Deshalb bin ich sehr dankbar, sehr geehrter Herr Botschafter, dass Spanien kurzfristig die Ausrichtung der COP25 im Dezember in Madrid möglich macht. Wir wissen, was das für eine Herausforderung sein wird. Für dieses beherzte Einspringen möchte ich Ihnen und allen spanischen Freunden ganz herzlich danken!

Ich weiß, dass die Verlegung einige Delegationen in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat. Deshalb unterstützen wir das Klimasekretariat zusätzlich, um zu gewährleisten, dass auch wirklich alle Delegationen teilnehmen können, auch die, die durch diese Verlegung finanzielle Probleme bekommen haben.

Und wir begrüßen sehr, liebe Frau Botschafterin, dass Chile wie geplant die Präsidentschaft der COP25 übernehmen wird! Die COP25 findet zu einem entscheidenden Zeitpunkt statt. Denn im nächsten Jahr steht erstmals die Überprüfung der Pariser Klimaziele an - das heißt „crunch time“, auch für uns. Schon von der COP25 muss daher ein deutliches Signal für mehr Ambitionen ausgehen, vor allem von den großen Emittenten!

Das ist umso wichtiger, nachdem bedauerlicherweise die USA vor 10 Tagen nun auch offiziell ihren Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen angezeigt haben. Das ist ein Schritt, den wir außerordentlich bedauern. Und wir hoffen und wir setzen uns dafür ein, dass es nur ein Abschied auf Zeit wird. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass sich der klimapolitische Dissens schnell auflösen wird. Im nächsten Jahr dürften weder vom G7-Vorsitz USA noch vom G20-Vorsitz Saudi-Arabien besondere klimapolitische Impulse zu erwarten sein. In einem solchen internationalen Umfeld müssen wir auch unsere eigenen klimapolitischen Ansätze hinterfragen.

Natürlich ist das internationale Klimaregime notwendiger denn je. Aber in Zeiten von nationalen Alleingängen in der Klimapolitik dürfen wir uns auf den COP-Prozess allein nicht verlassen, wie ich finde. Wir müssen neue Partner mit an Bord holen und wir suchen deshalb auch viel intensiver den Dialog mit progressiven Kräften auf Ebene der Bundesstaaten und Städte. Und wir verfolgen ergänzende Strategien. Etwa, um die Abholzung des Amazonas-Regenwalds zu stoppen. Oder um die großen Emittenten dabei zu unterstützen, statt in Kohlekraftwerke in erneuerbare Energien zu investieren.

Ich will nur zwei Beispiele dafür nennen, was unter diesem Aspekt von neuer Klima-Außenpolitik zu erwarten sein wird.

Erstens: Indien.
Bei den Regierungskonsultationen Anfang des Monats in Neu-Delhi haben wir eine Zusammenarbeit beschlossen, um zum Beispiel die Nutzung der Metro mit Sonnenstrom auszubauen. Deutschland stellt dafür eine Milliarde Euro bereit, weil wir wissen: Wenn Indien, das schon heute für 6% der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist, nicht seine Verkehrswende gelingt, dann hat das auch global schwere Folgen.

Zweitens, schon schwieriger, Brasilien:
Natürlich ist die Regierung von Präsident Bolsonaro in der Klimapolitik kein einfacher Partner. Aber wir brauchen Brasilien, die Amazonasbrände haben uns ja gerade erst daran erinnert, wie gefährdet der Regenwald ist, der für unser Klima so entscheidend ist.
Deshalb bin ich nach dem Amtsantritt der neuen Regierung als erster europäischer Außenminister nach Brasilia gereist. Hat nicht jeder verstanden. Und entgegen mancher Erwartungen haben wir die Brasilianer dazu gebracht, sich in einer gemeinsamen Erklärung klar zum Schutz des Klimas und des Amazonas zu bekennen. Das ist natürlich zunächst einmal nur Papier. Aber es ist auch ein Ansatzpunkt, um Brasilien an seine Verantwortung zu erinnern und in Zukunft in die Pflicht zu nehmen. Und das haben wir auch getan bei den Treffen, die wir, Svenja Schulze und auch andere innerhalb der Bundesregierung etwa mit dem brasilianischen Außenminister oder mit dem brasilianischen Umweltminister hatten.

Meine Damen und Herren,
bei allem was wir international tun, ist eins vor allen Dingen klar: Überzeugungskraft haben wir nur, wenn wir, als reiche Volkswirtschaft, unsere Hausaufgaben selber machen.

Und ich sage auch ganz offen: Unsere internationale Glaubwürdigkeit hat darunter gelitten, dass wir unsere Klimaziele in den letzten Jahren nicht konsequent genug verfolgt haben. Damit muss Schluss sein!

Ich weiß, dass vielen von Ihnen das gerade beschlossene Klimaschutzgesetz und das Klimaschutzprogramm 2030 nicht weit genug gehen. Aber sie werden international, und das begegnet mir, seitdem wir diese Pläne in Deutschland auf den Weg gebracht haben, als klares Bekenntnis Deutschlands verstanden, klimapolitisch umzusteuern, die selbstgesteckten Ziele endlich einzuhalten. Und wieder Vorreiter zu sein!

Ganz wichtig dabei ist, dass wir unsere Ziele und deren Einhaltung regelmäßig überprüfen und anpassen werden. Und dabei werden die Einschätzungen von Expertinnen und Experten wie Ihnen für uns die Messlatte sein, auch in der öffentlichen Diskussion. Und auch Europa muss führen, denn nur dann werden auch Länder wie China oder Indien Kurs halten.

Das bedeutet: Die EU muss ihre Klimaziele für 2030 nächstes Jahr nachschärfen und sie muss sie auch ehrgeiziger formulieren. Der European Green Deal darf eben keine leere Floskel bleiben! Seine Umsetzung werden wir deshalb auch in den Mittelpunkt des Berlin Energy Transition Dialogue im März stellen, den wir hier im Auswärtigen Amt ausrichten. Die neue Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, wird daran teilnehmen. Und sie wird auch in Zukunft eine wichtige Ansprechpartnerin sein. Und ich will Sie alle heute schon herzlich zu dieser Veranstaltung einladen.

Meine Damen und Herren,
im Jahr 2007 hat Susan Solomon mit Blick auf das Weltklima gesagt: „Es ist später als wir dachten“. 12 Jahre später steht das heutige Briefing unter dem Motto: „Es ist Zeit zu handeln“. Irgendwie klingt das alles sehr bekannt. Mir sagt das vor allem eines: Auf Worte müssen Taten folgen. Und zwar jetzt!

In diesem Sinne: Herzlich Willkommen im Auswärtigen Amt! Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!

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