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Rede von Außenminister Heiko Maas im Deutschen Bundestag zu „Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Wandel“

31.01.2020 - Rede

Ich möchte mich bei all denjenigen bedanken, die es möglich gemacht haben, dass wir heute Morgen über Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sprechen. Denn nicht nur die Mittel, die wir dafür zur Verfügung stellen, sondern auch das Engagement, das in der Außenpolitik mittlerweile Kultur- und Bildungsfragen betrifft, insbesondere das, was Staatsministerin Müntefering tut, sind es wert, hier in diesem Hause einmal besprochen zu werden. Die Bedeutung der Kultur- und Bildungspolitik wird vielfach unterschätzt für eine nachhaltige Außenpolitik und damit auch für die Sicherung von Frieden in der Welt.

Das war eine gute Woche; denn es hat hier wichtige Reden gegeben, insbesondere die des Bundespräsidenten und die des Staatspräsidenten von Israel. Darin ging es um das Erinnern. Es ist darauf hingewiesen worden, dass wir auch im Zusammenhang mit unserer Geschichte möglicherweise neue Formen des Erinnerns finden müssen, um das weiterzugeben, was wir aus unserer Geschichte gelernt haben. Das hat auch etwas mit Kultur- und Bildungspolitik zu tun. Denn eines zog sich durch viele der bewegenden Reden, die wir in den letzten Tagen gehört haben, nämlich dass es keinen Schlussstrich geben darf unter die deutsche Verantwortung für den Holocaust.

Und mehr noch: Wenn Antisemitismus und Rassenhass auf dem Vormarsch sind in Deutschland, in Europa und in der Welt, dann wächst auch unsere eigene Verantwortung, dagegen mit aller Geschlossenheit und Entschlossenheit vorzugehen.

Meine Damen und Herren,

meine erste Botschaft gerade in dieser Woche lautet deshalb: Verständigung und Toleranz statt Rassismus und Antisemitismus - das ist ein zentraler Auftrag unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Das muss auch immer so bleiben.

Ein Drittel der jungen Menschen in Europa weiß laut einer Umfrage wenig oder gar nichts über den Holocaust. Um das zu ändern, haben wir unter anderem das Programm „Jugend erinnert“ ins Leben gerufen, weil wir wissen: Bildung ist die beste Immunisierung gegen dumpfe Vorurteile und Ressentiments.

Und wir werden auch unsere EU-Ratspräsidentschaft und unseren Vorsitz in der Internationalen Allianz für das Holocaustgedenken nutzen, um den Kampf gegen Antisemitismus ganz oben auf die Tagesordnung zu setzen in Europa und auch weltweit.

Meine Damen und Herren,

die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren macht ja eben deutlich, wie wertvoll Europa und auch die Europäische Union sind. Für die Generation meiner Eltern und Großeltern, die den Krieg erlebt haben, war klar, warum Europa zusammenwachsen musste. Was fehlte, waren die Instrumente und Institutionen für ein geeintes, für ein friedliches Europa. Heute habe ich manchmal das Gefühl, dass es nahezu umgekehrt ist: Wir haben die Institutionen, wir sind enger vernetzt als je zuvor, Reisen innerhalb Europas sind selbstverständlich geworden, Hunderttausende Europäer studieren in einem anderen Mitgliedsstaat, und wir zahlen mit derselben Währung. Aber je unvorstellbarer Krieg in Europa geworden ist - glücklicherweise -, desto mehr wird das Bekenntnis zu einem geeinten Europa mittlerweile nur noch zu einer Meinung unter vielen. Und deshalb: Europa zu stärken, das bedeutet vor allem, Europas kulturelle Werte zu stärken.

Umberto Eco hat das schon vor einigen Jahren erkannt, als er sagte: Es ist die Kultur, nicht der Krieg, die Europas Identität festigt. - Wir verstehen Zugang zu Kultur und Bildung heute deshalb als gemeinsame europäische Aufgabe. Viele Menschen in Europa verbinden das mit der Europäischen Union und mit den europäischen Werten. Unsere Programme zur Unterstützung der Zivilgesellschaft in Osteuropa haben wir ganz bewusst auch für unsere französischen und polnischen Freunde geöffnet. Und noch in diesem Jahr werden wir die ersten deutsch-französischen Kulturinstitute im Ausland eröffnen.

Auch während unserer EU-Ratspräsidentschaft setzen wir auf die soziale Kraft der Kultur, so zum Beispiel mit Projekten wie „Europe Talks“, bei denen Bürger in ganz Europa miteinander diskutieren, oft auch kontrovers. Denn nur so wächst Verständnis füreinander und Verständigung miteinander, die wir gerade heute in Europa so sehr brauchen. Mit Olafur Eliasson haben wir einen Künstler von Weltrang dafür gewonnen, unsere Ratspräsidentschaft künstlerisch zu begleiten. Und wer ihn kennt, der weiß: Das wird kein klassisches Kulturprogramm, sondern etwas, was Menschen auch jenseits von Brüssel, Straßburg und Berlin für Europa begeistern kann.

Meine Damen und Herren,

in den Zeiten von Bot-Armeen und Desinformationskampagnen setzen wir mit unserer Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ganz bewusst auch auf Bildung und Information. Wir haben unsere strategische Kommunikation verstärkt, zum Beispiel beim Thema Flucht und Migration. Und wir werben aktiver als früher für unsere Werte und für die globale Ordnung, die gerade für unser Land so wichtig ist. Ein Beispiel sind die Deutschlandjahre in Mexiko und in den USA.

Wir haben aber auch die Arbeit der Deutschen Welle verstärkt. Und wir haben gezielt erste regionale Kommunikationszentren aufgebaut im arabischen Raum, in Lateinamerika und auch in Afrika. Denn gerade in diesen Regionen stehen Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit und die Freiheit von Kunst- und Wissenschaft immer mehr unter Druck, und die Räume der Zivilgesellschaft, sie schrumpfen. Das beste Gegenmittel dazu heißt: Zugang zu Kultur und Bildung!

Deshalb möchte ich gerade heute all denjenigen danken, die diese Zugänge schaffen. Das sind unsere Partnerschulen, unsere Goethe-Institute, unsere Universitäten, der DAAD, das ifa. Sie sind nicht nur die kulturelle Infrastruktur unseres Landes, nein, sie transportieren auch unsere Werte und Ideen in die Welt. Und das wird immer wichtiger in Krisenzeiten wie diesen, in denen wir leben. Wir haben deshalb Initiativen für bedrohte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, für gefährdete Künstlerinnen und Künstler ins Leben gerufen, und wir werden in Kürze ein neues Programm starten, das verfolgten Menschenrechtsverteidigern temporäre Forschungsaufenthalte in Deutschland ermöglicht.

Welchen Unterschied solche Initiativen machen, das habe ich vor einigen Wochen beim Globalen Flüchtlingsforum in Genf erlebt. Ich habe dort einen jungen Mann getroffen, der wie Millionen seiner Landsleute vor dem Krieg in Syrien geflohen ist. Aus dem Libanon bewarb er sich für ein Stipendium der Deutschen Akademischen Flüchtlingsinitiative Albert Einstein. Heute, fünf Jahre später, hat er sein Studium in Deutschland abgeschlossen und forscht am Helmholtz-Zentrum über die Auswirkungen des Klimawandels. Auf die Frage, woher er die Kraft für all das genommen hat, hat er mir nur geantwortet: Bildung. Bildung war mein Lebensretter.

Meine Damen und Herren,

ich könnte mir kaum eine schönere Bestätigung vorstellen für unsere Arbeit und keinen besseren Ansporn, diesen Weg weiterzugehen, 87 Jahre nachdem Albert Einstein aus Deutschland fliehen musste. Und ich bin froh, dass die ganz große Mehrheit des Deutschen Bundestags das auch so sieht. Und deshalb: Vielen Dank für die inhaltliche und finanzielle Unterstützung über die letzten Jahre. Sie ist auch für uns ein Ansporn für die Zukunft. Ohne sie wären wir nicht in der Lage, das fortzuführen, was wir in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik tun. Wir haben auf diese Art und Weise viele Erwartungen auch im Ausland geschaffen, und vor allen Dingen haben wir viele Menschen zusammengeführt.

Vielen Dank dafür.

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