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Rede von Außenminister Heiko Maas vor dem Deutschen Bundestag zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten

04.03.2020 - Rede

Es ist ja ein eher etwas ungewöhnlicher Moment, wenn ein Außenminister ein Gesetz in den Deutschen Bundestag einbringt. Aber da ich ja mal Justizminister war und mich an 95 Gesetze in der letzten Legislaturperiode erinnere, die ich hier eingebracht habe, können Sie sich darauf verlassen, dass wir uns auch bei diesem Gesetz außerordentlich viel Mühe gegeben haben, dafür zu sorgen, dass es eine gute Grundlage ist für das, was wir aufbauen wollen, nämlich eine nachgeordnete Behörde des Auswärtigen Dienstes.

Meine Damen und Herren, die Welt hat sich in den letzten Jahren rasant verändert; ich brauche das hier nicht groß zu erläutern. Das hat aber vor allen Dingen auch die Dynamik des außenpolitischen Geschäftes maßgeblich beeinflusst. Wir müssen darauf reagieren. Ich will das mal an drei Schlaglichtern deutlich machen:

Erstens: Wir haben in der letzten Legislaturperiode ein Politikfeld ausgebaut - ich würde sogar sagen: in Bereichen neu eröffnet -, das ist die Stabilisierung. Wir machen Außenpolitik mit Mitteln, die der Bundestag uns bewilligt hat für die humanitäre Hilfe oder für die Auswärtige Kulturpolitik und die sich innerhalb weniger Jahre vervielfacht haben. Das ist eine gute Entwicklung, für die wir außerordentlich dankbar sind. Das vergrößert auch die diplomatischen Gestaltungsspielräume, die wir damit haben. Wir müssen diesen Veränderungen und dieser Entwicklung aber auch in unserer Aufstellung Rechnung tragen. Wir brauchen für bestimmte Arbeiten, die wir heute im diplomatischen Dienst erledigen müssen, einen Pool an Spezialisten, die große Finanzvolumina managen können und dabei das notwendige politische Gespür, aber auch die dafür erforderliche Haushaltexpertise mitbringen.

Zweitens: unser Visageschäft. Auch das Visageschäft hat sich grundlegend verändert. Das hat natürlich ganz wesentlich damit zu tun, dass sich das Aufkommen an Visaanträgen in wenigen Jahren vervielfacht hat. Heute sind wir mit Hunderttausenden von Anträgen jährlich konfrontiert, und das ist erst der Anfang. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist vor wenigen Tagen in Kraft getreten, und es wird ein wichtiger Bestandteil einer zeitgemäßen Migrationspolitik sein. Aber es wird eben auch ganz neue Anforderungen an uns und unsere Auslandsvertretungen stellen.

Diesen Anforderungen werden wir mit unseren althergebrachten Visastellen an den Botschaften alleine eben nicht mehr gerecht. Was wir brauchen, ist eine Art Visa-Backoffice, also ein Team von Experten, das von Berlin aus dort flexibel unterstützt, wo eine Handvoll Konsularbeamte alleine überhaupt keine Chance mehr haben, das Aufkommen, vor dem sie stehen, auch wirklich in angemessener Zeit bewältigen zu können.

Der dritte Punkt ist die Digitalisierung. Die Digitalisierung verändert auch die Diplomatie - wie sie alle Lebensbereiche von Grund auf verändert.

Auf all diese fundamentalen Veränderungen, die sich in den letzten Jahren ergeben haben, müssen wir auch nach 150 Jahren Auswärtiges Amt mit einem neuen Organisationskonzept reagieren, und ein wichtiger Teil unserer Antwort auf all diese Entwicklungen ist das Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten, das wir mit diesem Gesetzentwurf gründen wollen.

Wir halten das aus zwei Gründen für richtig und für genauso wichtig, das jetzt auf den Weg zu bringen:

Erstens: Es wird unsere Arbeit an vielen Stellen effizienter machen. Das Auswärtige Amt - und das wissen Sie - lebt aus guten Gründen von der Rotation, und das soll auch so bleiben. Aber in den genannten Bereichen brauchen wir echte Experten, die ihr Spezialgebiet beherrschen und die das auch dauerhaft zur Anwendung bringen können: das Kleingedruckte des Zuwendungsrechtes, die Feinheiten des Ausländerrechtes oder auch die Besonderheiten unserer Verwaltung mit ständigem Auslandsbezug.

Diese Abläufe müssen wir in Zukunft effektivieren, und sie dürfen deshalb auch nicht von häufigen Personalwechseln betroffen sein, die sich aus der Rotation nun einmal ergeben. Dadurch würde nämlich die Expertise unterbrochen werden. Es müsste permanent neues Personal eingearbeitet werden, und wenn es eingearbeitet ist, schlägt die Rotation zu, und jemand wird ins Ausland versetzt.

Das wollen wir ändern - im Übrigen auch im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dafür brauchen wir Profis und Spezialisten mit politischem Gespür, mit Auslands- und Fremdsprachenkompetenz und mit einem nicht unerheblichen Teil an Haushaltsexpertise. Solche Spezialisten werden wir - und das will ich hier auch deutlich sagen - nur mit einer entsprechenden Aufbauzulage gewinnen, die wir deshalb auch vorgesehen haben.

Zweitens: Die neue Struktur wird es uns auch erlauben, unsere Arbeit viel stärker auf das außenpolitische Kerngeschäft zu konzentrieren. Wir erleben das zurzeit etwa bei dem, was wir mit dem Berliner Prozess mit Blick auf Libyen auf die Beine gestellt haben, bei unserer EU-Ratspräsidentschaft, die in der zweiten Hälfte dieses Jahres bevorsteht, bei den zwei Jahren, die wir im Sicherheitsrat sind und die extrem viel Arbeit verursachen, dabei, dass wir als Bundesrepublik zusammen mit Frankreich im Normandie-Format versuchen, eine Lösung für den Konflikt in der Ostukraine zu finden, und bei dem, worüber wir eben hier gesprochen haben, nämlich bei den Aufgaben und Erwartungen im Zusammenhang mit dem innerafghanischen Friedensprozess.

Auch dafür schaffen wir Freiräume, und wir machen den Weg dafür frei, dass diejenigen, die dafür zuständig sind, sich darauf konzentrieren können und zunehmend - und zwar quer durch die Bandbreite des Auswärtigen Dienstes - von fachfremden Arbeiten entlastet werden.

Meine Damen und Herren,

dabei wird es im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten nicht rein technisch zugehen. Es wird Freiräume im Auswärtigen Amt neben dem politischen Kerngeschäft schaffen, zum Beispiel, um sich Konzepte zur Stabilisierung in Mali zu überlegen. Die Abrechnung der Hilfsgüter muss dann nicht mehr durch die zuständigen Beamten der Fachabteilung durchgeführt werden, sondern dies kann im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten geleistet werden. Auch da stellen wir eine Vielzahl von Effekten in Aussicht, die die Effektivität des gesamten Auswärtigen Dienstes verbessern werden.

Meine Damen und Herren,

wir sind auf diese Veränderungen gut vorbereitet. In den letzten Monaten haben wir mehr als 100 Workshops durchgeführt, um Aufgaben und Prozesse zu analysieren, zu vereinfachen und in politische Aufgaben und Verwaltungsaufgaben zu trennen, und natürlich, um unsere Beschäftigten auch mitzunehmen in diesem Prozess. All diese Workshops sind sehr konstruktiv und erfolgreich über die Bühne gegangen. Wir arbeiten an einer Organisationsstruktur für das Bundesamt, die wir dann an ihren Effizienzsteigerungen messen werden, auch gegenüber dem Deutschen Bundestag. Bei all dem liegen wir im Zeitplan - auch das ist nicht selbstverständlich in der öffentlichen Verwaltung -, damit das Bundesamt am 1. Januar des nächsten Jahres in Brandenburg an der Havel und in Berlin seine Aufgaben aufnehmen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in seinem 151. Jahr muss das Auswärtige Amt seine Reformfähigkeit in dieser Beziehung unter Beweis stellen. Das neue Bundesamt soll dazu einen entscheidenden Beitrag leisten als die zentrale Serviceeinrichtung für die deutsche Außenpolitik, die nicht nur dem Auswärtigen Amt und seinen Auslandsvertretungen, sondern der gesamten Bundesverwaltung und vor allem unseren Bürgerinnen und Bürgern gute Dienste leistet. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.

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