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Erklärungen des Auswärtigen Amts in der Regierungspressekonferenz vom 19.02.2020

19.02.2020 - Artikel

Verlängerung der Mandate für den NATO-Einsatz “Resolute Support” in Afghanistan sowie die NATO-geführte maritime Sicherheitsoperation “Sea Guardian” im Mittelmeer

Demmer (BReg): Die Bundesregierung hat heute beschlossen, sich vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestags weiterhin an dem NATO-geführten Einsatz „Resolute Support“ zur Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte und an der NATO-geführten maritimen Sicherheitsoperation “Sea Guardian” zu beteiligen. Die derzeit laufenden Mandate enden nämlich jeweils am 31. März 2020.

In Afghanistan bleiben die Ziele unverändert: ein hinreichend stabiles Afghanistan, von dem für Deutschland, seine Verbündeten und die Region keine Bedrohung ausgeht und in dem die Grundlagen für Sicherheit, Menschenrechte und nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Afghanistan gewährleistet sind. Darauf zielt das umfangreiche zivile und militärische Engagement der Bundesregierung.

Der Konflikt in Afghanistan kann nur politisch gelöst werden. Deshalb ist die Aufnahme innerafghanischer Friedensverhandlungen kurzfristig das vordringliche Ziel der politischen Aktivitäten der Bundesregierung.

Um die Voraussetzungen für Stabilität und Frieden zu schaffen, ist Afghanistan weiterhin auf internationale Unterstützung angewiesen. Trotz sichtbarer Fortschritte beim Fähigkeitsaufbau der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte ist für eine flächendeckende Verbesserung der Sicherheitslage im Land weiterhin Beratungsleistung notwendig. Darum dient der deutsche militärische Beitrag dazu, die Leistungsfähigkeit der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte zu erhöhen. Das Mandat soll bei einer unveränderten personellen Obergrenze von bis zu 1300 Soldatinnen und Soldaten bis zum 31. März 2021 verlängert werden.

Des Weiteren ‑ das habe ich eben schon erwähnt ‑ beabsichtigt die Bundesregierung, sich weiterhin an der NATO-geführten maritimen Sicherheitsoperation “Sea Guardian” im Mittelmeer zu beteiligen.

Die Sicherheit von maritimen Versorgungswegen ist von zentraler Bedeutung. Die Operation leistet im Mittelmeerraum einen Beitrag zur Seeraumüberwachung, zum Lagebildaustausch, zum maritimen Kampf gegen den Terrorismus und zur Beschränkung des Waffenschmuggels.

Mit “Sea Guardian” stärkt das Bündnis die maritime Sicherheit im Mittelmeer zum Nutzen aller Mittelmeeranrainer und -nutzer. “Sea Guardian” ist der einzige multilaterale Ansatz, der für den gesamten Mittelmeerraum auf der Basis von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und internationaler multilateraler Verträge diese Aufgaben erfüllt. Das Mandat soll bei einer unveränderten personellen Obergrenze von bis zu 650 Soldatinnen und Soldaten ebenfalls bis zum 31. März 2021 verlängert werden.

[…]

Frage: Herr Helmbold, ich frage mich, was mit der Idee oder der Forderung der Soldaten nach Selbstverteidigung ist. Ist darüber für das Mandat in irgendeiner Weise diskutiert worden?

Im Anschluss die Frage: Wenn man es sich strategisch anschaut, das Mandat und den Einsatz „Resolute Support“, hat sich der Westen dann möglicherweise bei dem überschätzt, was er zu einem erfolgreichen Prozess des „Nation Building“ beitragen kann?

HELMBOLD (BMVg): Zunächst zur Frage der Selbstverteidigung: Wir streben es natürlich immer an, den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzländern zu gewährleisten. Das hat für uns eine ausgesprochen hohe Priorität. Das gilt unabhängig davon, ob wir über ein aktuelles Mandat verhandeln. Das heißt, das Schutzniveau gilt es immer auf höchstem Niveau zu gewährleisten, völlig unabhängig davon, ob wir das Mandat verlängern oder nicht.

Zur Frage nach „Resolute Support“ und nach dem Westen: Ich kann eigentlich nur auf die Anteile eingehen, die wir mit der Bundeswehr verantworten. Hierfür gilt, dass es einige Dinge gibt, die die Bundeswehr im Rahmen des Afghanistan-Einsatzes gemeinsamen mit anderen Ressorts, in einem gemeinsamen Ansatz der Ressorts, erreichen konnte. Beispiele sind insbesondere, dass Afghanistan nicht mehr eine Brutstätte des internationalen Terrors ist. Es gibt aber darüber hinaus noch andere Fortschritte, die zu verzeichnen sind. Beispielsweise hat sich die gesellschaftliche Stellung von Frauen nachhaltig verbessert. Beispielsweise gingen im Jahr 2001 noch weniger als eine Million Kinder zur Schule. Heute sind es acht Millionen Kinder. Davon sind mehr als ein Drittel Mädchen. Die junge Generation heute ist vernetzt und kann sich umfassend über eine Vielzahl von Medien orientieren. Das nur als Beispiele dafür, was sich dort gesellschaftlich verändert hat.

Gleichwohl müssen wir natürlich sagen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin angespannt ist und dass wir immer noch ein Gewaltniveau haben, das relativ hoch ist. Das zeigt, dass die internationale militärische Beratungsleistung unverändert notwendig ist. Vor diesem Hintergrund muss man auch die aktuellen Mandatsdiskussionen sehen. Wir sehen auch unverändert eine personelle Obergrenze von 1300 Soldatinnen und Soldaten vor. Mit dem vorgelegten Mandatsentwurf können wir aber auch flexibel reagieren, wenn sich Lageveränderungen einstellen sollten.

Zusatzfrage: Ich habe noch einen Zusatz zur ersten Frage. Ich bezog mich auf den Besuch der Ministerin in Afghanistan im Spätherbst, als sie die Idee der Soldaten aufgenommen hatte, zum Beispiel auch bewaffnete Drohnen ins Kalkül zu ziehen. Die Ministerin hat sich dann so geäußert, dass sie sich dafür einsetzen wolle, das in die Diskussion zu bringen. In welcher Form ist das inzwischen passiert?

HELMBOLD: Der Prozess ist eingeleitet mit Blick auf die Frage der Bewaffnungsfähigkeit von Drohnen und der Frage, inwiefern so etwas gegebenenfalls auch zum Schutz beitragen kann. Die Ministerin hat sich dazu eingelassen. Dieser Prozess wird weiter von uns verfolgt.

Die Mandatsdiskussion muss man als unabhängig davon sehen. Die Mandatsverlängerung hängt damit zusammen, dass das Mandat abgelaufen ist, wir aber weiter unverändert sagen, dass es erforderlich ist, die afghanische Regierung zu unterstützen und auch die Sicherheitskräfte entsprechend auszubilden und zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Mandatsdiskussion vorangetrieben.

Das andere, mit Blick auf den Schutz, ist Teil einer zusätzlichen Diskussion, die bei uns laufend erfolgt. Es geht stets darum, den Schutz bestmöglich zu gewährleisten. Wenn neue Impulse kommen, wie den eben angesprochenen, dann wird er in die laufende Diskussion mit eingebaut, um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die wir haben, um den Soldaten den bestmöglichen Schutz vor Ort angedeihen zu lassen.

FRAGE: Diese Kriegsbeteiligung deutscher Soldaten dauert jetzt, glaube ich, 18 Jahre lang. Ich weiß nicht, ob es der längste deutsche Kriegseinsatz seit dem Dreißigjährigen Krieg ist. Wie auch immer: Worin besteht eigentlich die Hoffnung oder wie ist sie begründet, dass das Mandat zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden kann? Es finden parallel außerhalb des NATO-Einsatzes eigene Aktionen der USA statt. Die USA haben im vergangenen Jahr 7400 Bomben über Afghanistan abgeworfen. Das ist 50 Prozent mehr als zu Beginn der Bombardierung durch Obama. Das schafft doch auch Verhältnisse, in denen friedliche Lösungen und Prozesse eigentlich erschwert werden. In welcher Relation sehen Sie die Möglichkeiten und den Sinn des Einsatzes? Wird er durch diese anderen Aktionen nicht massiv konterkariert?

HELMBOLD: Ich möchte dazu erst einmal sagen, dass wir mit den amerikanischen Verbündeten natürlich in einem intensiven Austausch stehen, dass wir unsere Position dort intensiv einbringen und gleichzeitig, dass wir es gemeinsam begonnen haben, wobei wiederholt darauf hingewiesen wurde, dass wir auch gemeinsam wieder aus Afghanistan herausgehen würden.

Insgesamt müssen wir sagen, dass wir durchaus Fortschritte beim deutschen Fähigkeitsaufbau in Afghanistan sehen. Das bedeutet, viele der Maßnahmen, die wir dort zur Ausbildung von afghanischen Sicherheitskräften unternehmen, kommen dort auch an. Wir sehen ein positives Feedback. Wir sehen auch, dass eine Lernkurve vorhanden ist, die zum Teil natürlich auch mit Rückschlägen verbunden ist. Wir sehen aber regelmäßig, dass wir diesen Fähigkeitsaufbau tatsächlich zum Erfolg führen können. Das ist unser Beitrag dazu, die bestmögliche Unterstützung für Afghanistan zu leisten und tatsächlich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die viel breiter als der militärische Anteil angelegt sind und die wir in einem vernetzten Ansatz sehen müssen. Ein Anteil davon ist eben, dass wir es zum Aufbau von Sicherheitskräften in Afghanistan zur Verfügung stellen. Das tun wir mit dem deutschen Beitrag. Wir sind gewillt, das fortzusetzen.

Zusatzfrage: Sie haben jetzt nicht auf den zweiten Teil der Frage geantwortet. Die amerikanische Strategie hat, glaube ich, noch gar kein Exit-Szenario oder noch gar keinen Exit-Zeitpunkt definiert. Hilft sie bei der Verwirklichung des Ansatzes, den Sie skizziert haben, oder bedeutet mehr Bombardement nicht eigentlich mehr Schüren von Feindschaft und Konfliktherden? Also kann man ein Land in den Frieden bomben?

HELMBOLD: Das ist eine Frage, die man mit Sicherheit im Einzelfall betrachten muss und auf die es keine pauschalen Antworten gibt. Zur amerikanischen Strategie selbst, zur nationalen Strategie, kann ich mich hier nicht äußern.

Adebahr (AA): Ich würde mich auch dagegen verwahren, die Erfolge und das Geleistete in Afghanistan unter den Scheffel zu stellen oder kleinzureden. Dass die Situation schwierig ist, dass es lange dauert, dass man strategische Geduld braucht, das ist, glaube ich, uns allen klar. Das sehen wir immer und immer wieder. Man kann sich auch immer fragen, ob es eine Alternative wäre, Afghanistan ohne weitere Unterstützung zu lassen. Das ist für uns wichtig, dass wir alle gemeinsam in dieser Mission sind und damit auch die Voraussetzung für Wiederaufbau schaffen.

Zur Frage, wie es einen grundsätzlichen Frieden in Afghanistan geben kann, haben wir gerade, im Moment, auch wieder politische Gespräche zwischen den USA und den Taliban, die wir grundsätzlich begrüßen und bei denen auch eine Phase der Gewaltreduktion anstehen soll. Wir haben auch gestern die Verkündung eines Wahlergebnisses. Der eine erkennt das Ergebnis nicht an. Ghani ist nach der Auszählung als Sieger hervorgegangen. Das wissen wir, glaube ich, alle, dass es schwierig ist und dass es genau deshalb weiterer Anstrengungen bedarf, um das Land auf den Weg in eine demokratische, friedliche und für die Menschen sichere Zukunft nicht allein zu lassen.

Gerade jetzt laufen auch politische Gespräche zur innerafghanischen Einigung und zu einem Dialog, die dem Land vielleicht nachhaltige Sicherheit und Frieden im Inneren bringen können.

FRAGE: Wer über Erfolge reden will, der muss auch über Misserfolge reden. Das müssen wir hier ansprechen. Darum wäre es schön, wenn Sie auch das thematisieren und darüber sprechen würden.

Herr Helmbold, wie viele deutsche Ausbilder sind aktuell in Afghanistan aktiv? Wie viele deutsche Ausbilder bilden gerade afghanische Soldaten aus und wie viele afghanische Soldaten wurden in den letzten zwölf Monaten ausgebildet?

HELMBOLD: Ich kann ihnen sagen, dass wir im Moment knapp 1200 Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan haben. Wie es sich exakt im Moment aufgeschlüsselt, dazu habe ich im Moment hier keine Daten parat.

Zusatzfrage: Können Sie es nachreichen, wie viele dort aktuell ausbilden, und können Sie uns sagen, wie viele in den letzten zwölf Monaten ausgebildet wurden?

Die andere Lernfrage: Was kostet dieser Einsatz? Was kostet ein Jahr lang Bundeswehr-Krieg in Afghanistan?

HELMBOLD: Wenn wir dazu Daten haben, dann kann ich sie nachreichen.

Die Kosten: Die einsatzbedingten Zusatzausgaben für dieses eine Jahr, das wir jetzt anstreben, würden sich insgesamt auf rund 427,5 Millionen Euro belaufen.

Coronavirus

FRAGE: Zu den Coronavirus-Fällen auf der “Diamond Princess” und der „MS Westerdam“, auf denen die Deutschen sind: Es hieß, dass das Auswärtige Amt möglicherweise Erleichterungen bei der Rückkehr gewähren würde. Was ist hier der neueste Stand der Dinge?

ADEBAHR (AA): Was die Passagiere der “Diamond Princess” betrifft, so bemühen wir uns nach wie vor intensiv darum, den nicht erkrankten Deutschen, die dies möchten, eine baldige Rückkehr nach Deutschland zu ermöglichen. Wir sind dazu in einem engen Austausch mit unseren europäischen Partnern, die dasselbe Anliegen mit Blick auf Staatsangehörige ihrer Länder haben. Ich kann heute noch kein konkretes Datum für einen Rückflug ankündigen, aber wir arbeiten eben zusammen mit europäischen Partnern daran und sind zuversichtlich, dass wir das gewuppt kriegen und die reisewilligen Passagiere bald nach Hause holen können.

Bei der „Westerdam“ ist es so, dass ursprünglich eine mittlere zweistellige Zahl von Deutschen an Bord gewesen ist. Gut die Hälfte davon konnte bereits ausreisen. Das waren alles Personen ohne Coronavirus-Symptome. Die übrigen Passagiere auf dem Schiff sind alle auf das Virus getestet wurden, und alle Ergebnisse waren Gott sei Dank negativ. Wir hoffen nun, dass die verbliebenen Deutschen auf der „Westerdam“ schnell ausreisen können. In der Zwischenzeit steht unsere Botschaft in Phnom Penh konsularisch zur Betreuung bereit und unterstützt die Deutschen, wo dies erforderlich ist.

Bei der Rückholung der „Westerdam“-Passagiere gibt es keinen neuen Stand ‑ wir haben ja bereits am Montag darüber gesprochen. Da ist es im Moment so, dass die Reederei daran arbeitet, eine Ausreise der Passagiere auf kommerziellem Wege in die Wege zu leiten. Das ist nach wie vor der Fall. Wir haben aber ein sehr enges Auge darauf und schauen uns das an. Wenn da eine Unterstützung der Bundesregierung notwendig würde, werden wir das natürlich weiter besprechen. Im Moment ist es aber so, dass die Reederei das auf kommerziellem Wege anpeilt, und wir hoffen, dass es da ein gutes Ergebnis gibt.

ZUSATZFRAGE: Zu der Heimreise möchte ich noch einmal nachfragen: Es gibt wohl auch Probleme mit der Durchreise durch bestimmte Länder usw. Haben Sie diesbezüglich schon Kontakt aufgenommen, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen?

ADEBAHR: Mir persönlich ist ein Problem bei dem allerersten Flug bekannt. Mir ist nicht bekannt geworden, dass wir seitdem Probleme mit Zwischenlandungen oder Durchreisen gehabt hätten. Falls das anders sein sollte, melde ich mich noch einmal, aber eigentlich habe ich da keine Probleme zu vermelden.

Lage in der Ostukraine

FRAGE: An Frau Adebahr oder Frau Demmer zu der Zuspitzung an der ukrainischen Front gestern: Es gab eine sehr starke Offensive, bei der auch schwere Waffen verwendet wurden, und zwar ausgerechnet in der Nähe der entmilitarisierten Zone. Inwieweit sehen Sie den Friedensprozess in Gefahr?

DEMMER (BReg): Die Bundesregierung verurteilt den jüngsten Bruch der Waffenruhe in der Ostukraine und fordert nachdrücklich zur Einhaltung der Waffenruhe und zur vollständigen Umsetzung der Minsker Vereinbarungen auf. Die jüngsten Vorfälle, die wieder Menschenleben kosteten, müssen jetzt von unabhängiger Stelle untersucht werden. Hierzu muss die OSZE-Sonderbeobachtungsmission ungehinderten Zugang erhalten. Die Behinderungen, für die zum ganz überwiegenden Teil die Separatisten verantwortlich sind, müssen aufhören. Wir arbeiten hier auf allen Ebenen daran, den Minks-Prozess voranzubringen.

ZUSATZFRAGE: Glauben Sie, dass ein Normandie-Treffen wie verabredet im April in Berlin stattfinden kann? Oder wird das möglicherweise verschoben?

DEMMER: Ich kann Ihnen sagen, dass wir auf Beamtenebene derzeit gemeinsam mit Frankreich an Fortschritten in wichtigen Einzelfragen arbeiten, mit dem Ziel, die Schlussfolgerungen des Pariser Gipfels vom Dezember umzusetzen. Dazu gehören natürlich vorrangig die Einhaltung der Waffenruhe und die Schaffung weiterer Entflechtungszonen für den Rückzug von Truppen und Gerät. Die Teilnehmer des Gipfeltreffens im Normandie-Format im Dezember haben ein erneutes Treffen in diesem Format binnen vier Monaten zu den politischen und Sicherheitsbedingungen unter anderem für die Organisation von Kommunalwahlen vereinbart. Einen genauen Termin kann ich Ihnen jetzt noch nicht nennen. Wir würden Sie sicherlich rechtzeitig informieren.

FRAGE: Präsident Selensky hat von russischen Truppen gesprochen, die versucht hätten, durchzubrechen. Das ist ja ein offizieller Terminus. Kann die Bundesregierung das bestätigen; haben Sie eigene Erkenntnisse darüber, dass es russische Truppen waren, die das probiert haben?

ADEBAHR (AA): Ich kann hier keine eigenen Erkenntnisse zu den genauen Hergängen der Waffenstillstandsverletzung vermelden. Es gilt das, was Frau Demmer gesagt hat, nämlich dass wir alle Seiten, also beide Parteien, die dort sind, zur Ruhe und zur Einhaltung des Waffenstillstands aufrufen.

ZUSATZFRAGE: Der Hintergrund der Frage ist natürlich: Wenn es tatsächlich russische Truppen im Sinne dieses Begriffs waren, dann hätten wir eine andere Eskalationsstufe. Könnten Sie versuchen, da Informationen nachzureichen?

ADEBAHR: Falls ich das kann, werde ich das tun.

Gefangenenaustausch zwischen Deutschland und Iran

FRAGE: Frau Adebahr, am Wochenende gab es einen Gefangenenaustausch zwischen Deutschland und dem Iran. Es gibt Informationen über den iranischen Staatsbürger, der freigelassen worden ist, es gibt aber keine Informationen über den deutschen Staatsbürger. Können Sie dazu nähere Einzelheiten geben? Wann ist er verhaftet worden, was war der Vorwurf und wie ist das alles zustande gekommen?

ADEBAHR (AA): Ich kann Ihnen mitteilen, dass wir froh sind, dass ein deutscher Staatsangehöriger nach intensiven diplomatischen und auch humanitären Bemühungen aus dem Evin-Gefängnis in Teheran entlassen wurde und wohlbehalten nach Deutschland zurückgekehrt ist. Aus Persönlichkeitsschutzgründe machen wir da keine genaueren Angaben, insofern ist dies alles, was ich zu dem Fall des deutschen Staatsbürgers mitteilen kann.

FRAGE: Gab es irgendein Quidproquo bei den zwei Fällen? Wurden die von den Iranern explizit in Zusammenhang gebracht? Gab es im Fall des Iraners ein Auslieferungsgesuch der USA an Deutschland?

ADEBAHR: Wir haben hier zwei Fälle. Zu dem Fall des Deutschen, habe ich Ihnen das gesagt, was ich sagen kann. Zu dem Fall des Iraners, der jetzt auch in der Presse berichtet wurde, kann ich Ihnen sagen, dass das Oberlandesgericht Frankfurt am Main den Haftbefehl gegen diesen iranischen Staatsangehörigen aufgehoben hat. Zu Details von individuellen Justizverfahren äußern wir uns grundsätzlich nicht; das gilt auch für diesen Fall. An dem Verfahren, über das wir gerade sprechen, war die Bundesregierung gemäß den gesetzlichen Vorgaben beteiligt, und das Auswärtige Amt hat dort eine Stellungnahme abgegeben. Das ist das, was ich Ihnen hier heute zu beiden Fällen sagen kann.

ZUSATZFRAGE: Wenn Sie eine Stellungnahme abgegeben haben, dann muss die Bundesregierung zu dem Fall ja eine Stellung haben. Vielleicht können Sie uns sagen, ob die Bundesregierung der Auslieferung dieses Iraners an die USA in irgendeiner Weise widersprochen hat?

ADEBAHR: Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus keine Details zu diesem individuellen Justizverfahren nennen. In derlei Verfahren sind gesetzliche Vorgaben grundsätzlich einzuhalten, und sie wurden in diesem Verfahren auch eingehalten. Sehen Sie mir nach: Das ist das, was ich Ihnen an dieser Stelle sagen kann.

FRAGE: Können Sie uns sagen, wofür dieser Mann im Iran im Gefängnis gesessen hat? Gab es eine Anklage? Wie lange war er dort? Ich glaube, das könnten Sie uns vielleicht mitteilen.

Wie viele Deutsche sind überhaupt im Iran im Gefängnis?

ADEBAHR: Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen an dieser Stelle keine weiteren Angaben zu dem Deutschen, der in Frankfurt am Main gelandet ist, machen, weil dem Persönlichkeitsschutzgründe entgegenstehen.

Zur Frage, wie viele Deutsche im Iran womöglich im Gefängnis sitzen: Das ist auch immer eine Frage, die die Doppelstaatler-Eigenschaft betreffen könnte. Ich würde die Antwort gerne nachreichen, das habe ich nicht im Kopf.

FRAGE: Frau Adebahr, können Sie bestätigen, dass diese Person ein Deutschiraner, also ein Doppelstaatler war?

ADEBAHR: Ich kann zu diesem Fall aus Persönlichkeitsschutzgründen an dieser Stelle keine weiteren Angaben machen.

[…]

ADEBAHR: Ich kann nachreichen, dass derzeit fünf Deutsche im Iran in Haft sitzen.

Der deutsche Staatsbürger, über den wir sprachen, ist in Düsseldorf gelandet, nicht in Frankfurt. Das war ein Versprecher von mir.

Lage inLibyen

FRAGE: Zu Libyen: Frau Adebahr, die libysche Regierung hat die Waffenstillstandsgespräche in Genf heute ausgesetzt, nachdem die Armee von Haftar den Hafen von Tripolis bombardiert hat. Ich hätte gerne eine Reaktion dazu ‑ auch zu diesem Angriff auf den Hafen.

ADEBAHR (AA): Wir sehen das Aufflammen der Gefechte, auch im Hafen von Tripolis, mit größter Sorge und rufen ‑ das dürfte keine Neuigkeit sein ‑ alle Seiten nochmals eindringlich zum Einhalten der Waffenruhe auf. Wir wünschen uns vor allen Dingen eine konstruktive Fortsetzung der in Genf laufenden 5+5-Gespräche, die dort ja als Follow-up der Libyen-Konferenz laufen, und rufen auch dazu auf.

Zu der konkreten Situation in Genf: Es ist unserer Kenntnis nach so, dass sich der UN-Sondergesandte Ghassan Salamé und unser Team weiterhin intensiv darum bemühen, die Gespräche wieder in Gang zu bringen. Beide Parteien sind im Moment noch in Genf, es ist also noch niemand abgereist. Insofern laufen da derzeit Bemühungen, die Gespräche noch einmal zusammenzuführen und die Parteien wieder an einen Tisch zu bekommen. Dass solche Zwischenfälle wie die in Tripolis da nicht hilfreich sind, liegt, glaube ich, auf der Hand. Deshalb appellieren wir auch noch einmal eindringlich an alle Seiten, die Waffenruhe und natürlich auch das Waffenembargo einzuhalten.

ZUSATZFRAGE: Gibt es von Ihrer Seite irgendwelchen Druck auf die Länder, die Haftar unterstützen, wie zum Beispiel die Vereinigten Arabischen Emirate oder auch Ägypten?

ADEBAHR: Wir haben ja alle Teilnehmer des Berliner Prozesses in unserem Treffen am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz letzten Sonntag noch einmal zusammengebracht und haben dort den Follow-up-Prozess aus der Taufe gehoben, mit dem jetzt die politischen Gespräche und die militärischen Gespräche flankiert werden. Dort haben sich alle Teilnehmer auch noch einmal zu den Prinzipien der Libyen-Konferenz von Berlin ‑ Einhaltung des Waffenembargos, Hinarbeiten auf einen Waffenstillstand, Einhalten der Waffenruhe ‑ verpflichtet. Das ist eine politische Erklärung, die natürlich auch politisch wirkt. Wir hoffen, dass dadurch auch eine Verletzung weniger wahrscheinlich wird. Außerdem haben wir in der letzten Woche nach wochenlangen schweren Verhandlungen eine UN-Resolution durchbekommen, die das Gleiche noch einmal sagt. Das heißt, wir arbeiten politisch ganz intensiv daran, das umzusetzen. Vielleicht haben Sie am Montag nach Brüssel geblickt: Dort haben die Außenminister der EU eine Grundsatzentscheidung für eine Nachfolgemission von „EUNAVFOR MED Sophia“ zur Überwachung des Waffenembargos getroffen. Das alles sind Schritte. Sie können jetzt natürlich sagen, das gehe alles langsam vorangeht und fruchte noch nicht so richtig. Das wundert uns nicht. Wir sind weiter dabei, die Umsetzung der Vereinbarungen der Berliner Konferenz Schritt für Schritt und mit eisernem Hämmern voranzubringen.

Fall Osman Kavala

FRAGE: Frau Adebahr, Osman Kavala wurde in der Türkei gestern freigesprochen und dann sofort wieder festgenommen. Wie bewertet die Bundesregierung das? Haben Sie Erkenntnisse darüber, was ihm jetzt konkret vorgeworfen wird?

ADEBAHR (AA): Wir haben gestern Abend relativ schnell getweetet, weil das auch uns bewegt hat. Vielleicht haben Sie das gesehen.

Nach dem gestern erfolgten Freispruch im Gezi-Park-Verfahren, den wir gesehen haben, soll die erneute Verhaftung oder die erneute fortgesetzte Freiheitsentziehung ‑ so wäre der juristisch richtige Begriff ‑ nach unseren Erkenntnissen nun auf ein schwebendes Ermittlungsverfahren zurückgehen und im Zusammenhang mit dem gescheiterten Putschversuch von 2016 stehen. Diese Informationen haben wir im Moment.

Ich kann für das Auswärtige Amt auch nur noch einmal sagen, dass auch im Lichte der zweijährigen Untersuchungshaft, die Herr Kavala bereits absolviert hat, für uns nach den Informationen, die wir haben, im Moment nicht nachvollziehbar ist, was ihm zur Last gelegt wird und warum die erneute Freiheitsentziehung so unmittelbar nach dem gestrigen Freispruch erfolgte. Deshalb ist unsere Forderung, dass das auch mit Blick auf die lange Untersuchungshaft von Herrn Kavala schnell und transparent aufgeklärt wird und sich die Türkei dabei an rechtliche Standards hält, die sie selbst unterschrieben hat und zu deren Einhaltung sie verpflichtet ist.

Ich will auch noch einmal daran erinnern, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 10. Dezember vergangenen Jahres die lange Untersuchungshaft von Osman Kavala als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gewertet und schon im Dezember seine Freilassung gefordert hat. Die Türkei hatte diese Entscheidung des EGMR bis dato nicht umgesetzt und begibt sich natürlich jetzt unter Umständen in eine erneute Verletzung dieser Grundsatzentscheidung, dass eine Untersuchungshaft ohne Anklage nicht so lange dauern darf.

Um das alles, wie es sich dort verhält, aufzuklären, ist unsere Forderung an die Türkei, das jetzt schnell und transparent öffentlich zu machen und die Standards, zu denen sie sich selbst verpflichtet hat, einzuhalten.

FRAGE: Frau Adebahr, wie kommt es, dass Sie diesen Fall so ausführlich mit Namen des Betroffenen, den Vorwürfen und der Bewertung der Rechtslage ausführen können, während Sie das im Falle des Iraners nicht tun?

ADEBAHR: Der Fall ist öffentlich bekannt. Er läuft leider seit über zwei Jahren. Der Fall war Gegenstand einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die öffentlich ist. Ich habe keine Bewertung zur Rechtslage in diesem Fall ausgeführt, sondern hier eine Forderung nach einer schnellen und transparenten Aufklärung der Vorwürfe vorgebracht.

Der Fall des Deutschen, den wir besprochen haben, ist ein Konsularfall, den wir ‑ das machen wir in allen Konsularfällen ‑ aus Persönlichkeitsschutzrechten ‑ das hängt auch immer davon ab, was der Betroffene will oder nicht will ‑ in der Öffentlichkeit nicht tiefer besprechen. Ich denke, das ist ein Unterschied.

Lage der Uiguren in China

FRAGE: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt. Vor zwei Tagen gab es die Berichte zur Lage der Uiguren in China. Ist das ein Anlass für Sie oder die Bundesregierung insgesamt, eine Reaktion oder Schritte einzuleiten?

ADEBAHR (AA): Zum Thema der Uiguren kann ich gern noch einmal sagen, dass wir uns gegenüber China ‑ das ist oft wiederholt worden, aber dadurch nicht weniger wiederholenswürdig ‑ bilateral und in multilateralen Foren für die Einhaltung der Menschenrechte auch und besonders in der Provinz Xinjiang einsetzen und das auch weiterhin tun werden. Wir haben auch zuletzt im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am 22. Januar dieses Jahres die Menschenrechtslage in Xinjiang mehrfach thematisiert. Gemeinsam mit den USA und Großbritannien hat die Bundesregierung China aufgefordert, Menschenrechte zu achten, willkürliche Verhaftungen zu beenden und internationale Beobachter wie insbesondere die VN-Hochkommissarin dort zuzulassen.

Wie Sie vielleicht mitbekommen haben, war der chinesische Außenminister in der vergangenen Woche zum strategischen Dialog mit Außenminister Maas hier. Auch in diesem strategischen Dialog sind derlei Fragen besprochen worden. Das heißt, es gab und gibt Gespräche, auch intensive Gespräche, über diese Frage.

ZUSATZFRAGE: Können Sie mehr zu dem Inhalt der Gespräche oder zu den Reaktionen beider Seiten sagen?

ADEBAHR: Das, was man über den strategischen Dialog sagen konnte, haben die beiden, denke ich, in der Pressekonferenz gesagt.

ZUSATZFRAGE: Als das Thema im November zuletzt sehr hochkam, haben Sie sich hier dahingehend geäußert, dass die Bundesregierung sehr besorgt über die Entwicklung sei, aber keine Sanktionen in Frage kämen. Ist das nach wie vor der Stand?

ADEBAHR: Ja.

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