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Rede von Staatsministerin Michelle Müntefering „Alexander von Humboldt und die Internationale Kulturpolitik im Humboldt-Jahr 2019“

07.06.2019 - Rede

-- es gilt das gesprochene Wort --

Das, was ich bislang von der Konferenz mitbekommen konnte, hat mich neugierig gemacht. Denn das sind alles Fragen, die wir am vergangenen Abend im Rahmen der Langen Nacht der Ideen der Internationalen Kulturpolitik diskutiert haben: bspw. die Frage der Digitalisierung der Museen, die wir gestern im Tresor-Club gemeinsam mit der re:publica besprochen haben.

Wir sind mittendrin in der Debatte dieser Fragen. Sie haben sich in den letzten Tagen über Fachdisziplinen und Ländergrenzen hinweg mit diesen Fragen auseinander gesetzt.

Deshalb ist es spannend, am Ende einer solchen Tagung und eines solchen Symposiums aus der Fülle der Ideen schon danach zu suchen, was als nächstes, was nach dem Humboldt-Jahr kommt. Und Vorschläge zu machen, wie es weitergeht, zumal es mir als Politikerin dabei keineswegs an Ideen mangelt.

Daher möchte ich mit einem Ausblick dazu ermutigen, dass wir dabei gemeinsam vorangehen.

Denn: Das Humboldt-Jahr ist noch lang nicht vorbei.

Im Gegenteil: Wir sind mitten drin. Es gibt noch viel zu entdecken und zu erfahren.

Es gibt noch viel zu entdecken und viel zu erfahren. Allein diese Tagung und die Beteiligung vieler kluger Köpfe zeigt, welches immense Potenzial in diesem Humboldt-Jahr 2019 steckt.

Allein diese Tagung und die Beteiligung kluger Köpfe zeigen, welch immenses Potential im Humboldt-Jahr 2019 steckt.

Zweitens: Wir müssen die Ergebnisse dessen, was all die Beteiligten rund um den Erdball in das Humboldt-Jahr einbringen, und die Reflexion auf das Entstandene, dafür verwenden, gemeinsam etwas für die Zukunft zu lernen - und ja, es schließlich auch für die Zukunft begreiflich und anwendbar zu machen.

Aber treten wir zunächst noch einen Schritt zurück, besser gesagt, zur Seite - und schauen einmal darauf, wo wir stehen und was wir erreicht haben.

Bisher haben wir immens wichtige Impulse gewonnen - auch für die Zukunft unserer Internationalen Kultur- und Bildungspolitik. Diese wollen wir bis 2020 in einem neuen Grundsatzprozess überprüfen und ausrichten wollen.

Die Projekte, Veranstaltungen und Konferenzen zeigen mir jedoch vor allem eines: Alexander von Humboldt hat auch im 21. Jahrhundert nichts von seiner diplomatischen Qualität eingebüßt.

Er hat in seinem Leben rund 50.000 Briefe geschrieben und wohl mehr kommuniziert als alle Diplomaten der Welt zusammen.

Und wann immer er eine Antwort für eine große - oder naturwissenschaftlich, sprichwörtlich auch sehr kleine - Frage gebraucht hat, setzte er sein weltumspannendes Netzwerk in Gang.

Vor ein paar Monaten konnte ich mich bei der Reise unseres Schirmherren für dieses Humboldt-Jahr, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, selbst davon überzeugen - und Eindrücke von einem Kontinent mitnehmen, der schon Humboldt so stark bewegt hat.

Eindrücklichere Eindrücke, als ich mir persönlich erhofft hatte: Am Fuße des Antisana, wo Humboldt übernachtete und seine alte Hütte noch steht, bekam ich auf fast 4000 Meter - genau wie er - die Höhenkrankheit. Zurück in Berlin ist das wieder weg, was bleibt ist das „Humboldt-Fieber“ und das ist weiterhin ansteckend.

In Ecuador und Kolumbien zudem hatten beide Präsidenten, die uns empfingen, über Humboldt gelesen, beide kannten und schätzten ihn. Es waren seine Verdienste für die Freundschaft zwischen dem europäischen - und dem lateinamerikanischen Kontinent, die Brücken gebaut haben, die bis heute begehbar sind und die wir weiter ausbauen sollten.

Mit seinen zahlreichen Texten, in denen er während und nach seinen Reisen Wirtschaft, Natur, Gesellschaft und Politik analysierte, und durch die vielen Freundschaften, die er schloss, bereitete Humboldt den Boden für die engen Beziehungen, die Deutschland heute mit vielen Ländern Lateinamerikas hat, und die wir weiter vertiefen wollen.

In vielen Ländern wird er dort bis heute als „zweiter Entdecker“ gefeiert.

Außerdem konnte ich mich dort aber auch von der Vielfältigkeit und Originalität der Projekte überzeugen, die im Rahmen der Humboldt-Saison „Humboldt y las Américas“ stattfinden. Lokale Kultur-, Wissenschafts-, und Bildungsorganisationen arbeiten auch zusammen mit unseren Mittlerorganisationen.

Wenn ich hier eines herausgreifen darf, das mich besonders begeistert hat - dann ist es das Puppentheater „La Rana Sabia“, übersetzt „Der kluge Frosch“. So etwas wie die Augsburger Puppenkiste auf ecuadorianisch.

Die Puppenspieler machen einen kleinen Humboldt mit Lupe, Papier und Stift zum Helden ihrer kleinen Bühne.

Der an Stäben geführte Puppen-Humboldt erforscht die Natur und natürlich einen Vulkan, schaut darunter, besteigt ihn, bis es plötzlich graue Asche speit - und der kleine Humboldt niesen muss.

Ein Brillenbär darf natürlich auch nicht fehlen - den Humboldt genau begutachtet und zeichnet, bevor er - mitten in der Natur - in sein kleines Blätter-Bett fällt.

Sehr verehrte Damen und Herren,
lassen Sie es mich so sagen: Es muss nicht immer Social Media sein.

Obgleich wir unterstellen müssen: Der extrem kommunikative Humboldt hätte heute sicherlich getwittert und sich gegen Fake News zur Wehr gesetzt.

Deswegen finde ich es schön, dass wir auch diese Instrumente der Kommunikation nicht vergessen und mit seinem Namen verknüpfen: Bis März 2020 können Sie alle auch von Berlin das Humboldt-Twitter-Reisetagebuch unserer Botschaft in Mexiko-Stadt verfolgen.

Twitter-Accounts für Alexander von Humboldt und andere relevante Persönlichkeiten der damaligen Zeit geben historisch korrekt, aber dabei unterhaltsam wieder, was an jeweils diesem Tag im Jahr 1803/1804 passierte.

Die Tweets werden von den Geschichtsklassen zweier Deutscher Schulen vorbereitet und durch Illustrationen künstlerisch begleitet.

Wichtig dabei ist mir, online oder offline, klassisch oder modern, vor allem: Eine junge Generation anzusprechen und die Ideen Humboldts, die heute wieder aktueller sind denn je, auch an sie weiterzugeben.

Auch das „Humboldtmobil“ ist deswegen auf Tournee in ganz Ecuador fährt und an Schulen, Universitäten und Kultureinrichtungen. Es macht Halt, um sich mit Hilfe von weiteren Elementen wie wissenschaftlichen Experimenten, Vorträgen, Ausstellungen, Film- und Theatervorführungen und einem Comic auf spielerische Weise Humboldts Leben, seinem Forschungsansatz und seinen Lehren zu widmen.

Und auch die Plakatausstellung in Quito zum gerade erschienenen Buches „Die Abenteuer des Alexander von Humboldt“ von der preisgekrönten Humboldt-Biografin Andrea Wulf, die auf der Reise ebenfalls dabei war, illustriert von Lillian Melcher, verkörpert den Esprit Alexander von Humboldts in besonderer Weise. Die wunderbare Grafik Novel hält sich schon seit Wochen erfolgreich auf der Spiegel Bestsellerliste. Auch das ein schönes Zeichen dafür, wie das Humboldt-Jahr auch in der Gesellschaft Widerhall findet.

Genau so wenig wie Humboldt wohl einem einzelnen „Genre“ zuzuordnen ist, schafft es auch dieses Buch – und damit die Ausstellung – den Spagat zwischen Wissenschaft und Kunst, zwischen Sachbuch und Illustration und trägt damit auch zur Popularisierung der Wissenschaft bei. Ganz im Sinne unseres kosmopolitischen Weltenbürgers.

Die Ausstellung ist übrigens Teil eines Gesamtpakets, dass das Goethe Institut anbietet, um möglichst vielen Partnern in ganz Lateinamerika zu ermöglichen, sich auch an der Saison zu beteiligen.

Nun könnte ich noch vieles nennen: Das Humboldt Festival in Bogotá, das regionale DAAD-Alumnitreffen unter dem Titel „250 Jahre Alexander von Humboldt: Kosmos oder Chaos?“, oder Kolloquium der Alexander von Humboldt-Stiftung in Madrid, das ich mit eröffnen durfte - vieles mehr und all das, was uns noch erwartet. Das Auswärtige Amt hat es nicht versäumt, mir in Vorbereitung auf diesen Termin eine lange Liste mit all den Aktivitäten mitzugeben.

Insgesamt lese ich daraus aber vor allem eines - und das sehe ich als die wichtige Botschaft heute: Wir sehen Dank des Engagements vieler, was die Grundsätze unserer Internationalen Kultur- und Bildungspolitik ganz praktisch bewirken können. Was es bedeutet, Kooperation und Koproduktion lebendig zu machen.

Und es ist gut, dass wir diesen Teil unserer Außenpolitik weiter stärken.

Die Wissenschaft ist hier sowieso in ihrem natürlichen Lebensraum.

Denn wir müssen aufpassen, dass die moderne Zeit mit ihren Möglichkeiten und Lebensstandards, die eine sehr ungleiche Verteilung von Ressourcen und Chancen weltweit hervorgebracht hat, auch in eine Zukunft führt, die es möglich macht, dass Mensch und Natur im Einklang leben können.

Die großen Fragen der Zeit müssen eben auch kulturell verhandelt werden – Digitalisierung, Klimawandel, Migration.

Es ist unsere Grundüberzeugung in der deutschen Bundesregierung: Kooperation in einer multilateralen Ordnung ist der beste Garant dafür, das uns dies gelingt.

Sehr geehrte Damen und Herren,
lassen Sie mich nun doch noch ein bisschen vorausschauen. Denn wir brauchen in einer komplizierten Welt Orientierung - und genau da liegt die Herausforderung.

Dazu muss ich nun doch einmal ein Humboldt-Zitat bemühen: „Nichts ist mir unerträglicher als die klugen Fürsten, die anderen Menschen vordenken wollen.“

Zum Glück ist es heut so, dass bei uns nicht mehr qua Geburt entschieden wird, wer mitreden darf oder nicht - dennoch ist es gerade heute wieder eine Aufgabe der Demokratie und der Demokraten, die unterschiedlichen Menschen als auch die Interessen der Staaten zusammen zu führen. Und auch vorauszudenken.

„Auf das Heute übertragen“ heißt dabei für mich: Wir müssen die Rolle der Zivilgesellschaft dabei weiter stärken.

Politik darf ebenso wenig wie Wissenschaft und Forschung allein im Elfenbeinturm noch unter der Berliner Glaskuppel stattfinden.

Das ist zugespitzt, ich weiß.

Dennoch meine ich: Allen Disziplinen, jeder Profession kommt die Aufgabe zu, auch die eigene Komfort-Zone zu verlassen, andere mit einzubeziehen - und am Ende natürlich auch ein größeres Publikum zu erreichen. Nicht Mitläufer, sondern Mitstreiter! Das gilt für Wissenschaft, Medien und Politik gleichermaßen.

Und es ist auch angesichts des Zustands der Erde bitter nötig: Wenn wir den globalen Herausforderungen begegnen und Antworten finden wollen, können wir das nur als Menschheit insgesamt.

Deswegen brauchen wir den Blick in die Welt und den Blick der Welt auf uns.

Es geht um die Demokratisierung von Wissen, es geht um das tiefe Verständnis, dass Kunst und eben auch Wissenschaft Orte der Freiheit sind und diese Orte Freiheit brauchen, um zu blühen.

Humboldt hat uns beispielhaft gezeigt, was dabei ebenso vonnöten ist: Klarheit an den entscheidenden Stellen des Diskurses, der nicht beliebig sein darf.

Als eine Neuausgabe seines Kuba-Essays in den USA erscheint, aus der kritische Passagen zur Sklaverei entfernt wurden, war er außer sich und betonte in einer Presseerklärung: „Auf diesen Teil meiner Schrift lege ich eine weit größere Wichtigkeit als auf die mühevollen Arbeiten astronomischer Ortsbestimmungen, magnetischer Intensitätsversuche oder statistischer Angaben.“ Er wandte sich klar gegen die Sklaverei. Er war politisch.

Verehrte Damen und Herren,
Humboldt kann für uns heute weiter Vorbild und Inspiration sein, wenn es um grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Toleranz und um niemals endende Neugier geht. Er war ein „Anfänger“ im besten Sinne, ein schöpferischer Überwinder von Grenzen, zwischen Ländern und Kontinenten, aber eben auch zwischen Disziplinen, Denkschulen und Fachsprachen.

Erst letzte Woche eröffnete Bundesminister Heiko Maas mit einer Großveranstaltung im Auswärtigen Amt und gemeinsam mit vielen seiner Amtskolleginnen und -kollegen aus der Region die neue Lateinamerika- und Karibikinitiative des Auswärtigen Amts.

Im Anschluss fand das Zukunftsforum rund um das Thema „Digitale Revolution“ statt, bei dem Lateinamerika Partnerregion war und wir haben das Frauennetzwerk „Unidas“ gegründet.

Diese Partnerschaft ist auch dank Alexander von Humboldt gewachsen.

Sie beruht auf der Überzeugung, dass unsere Länder von Austausch und Offenheit profitieren und dass wir zusammen stärker sind als jede und jeder von uns es alleine sein kann.

Sie sehen also, wir sind mitten drin. Dass Humboldt auch weit über den Tag hinaus wirkt. Auch 250 Jahre nach seiner Geburt.

Ich möchte Sie heute einladen, weiter neugierig zu sein, auf das was kommt und mitzuziehen:

wenn wir auf den internationalen Diskurs, Austausch und Kooperation setzen.

Wenn wir eben nicht mit einer fertigen Antwort kommen, gerade weil uns auch Humboldt lehrt, dass es eine solche nicht gibt.

Wenn wir Deutungshoheit teilen und viele Stimmen zu Wort kommen lassen.

Wenn Kooperation nicht nur zwischen Regierungen, sondern vor allem zwischen Gesellschaften stattfindet.

Denn das zu ermöglichen ist eine zentrale Aufgabe der internationalen Kultur- und Bildungspolitik. In einer Welt voller Wissen lehrt uns Humboldt, dass wir die Zusammenhänge sehen müssen und er mahnt uns, dass wir Verantwortung übernehmen müssen für die Welt.

Vorausdenken, der demokratische Diskurs, ist daher geboten. Für das Große, für das Ganze. Für unser Zusammenleben.

Deswegen bedanke ich mich für Ihre Aktivitäten, für Ihre Beteiligung, für Ihre Ideen und Hilfe dazu, dieses Jahr zu einem Jahr zu machen, in dem wir Humboldt einmal mehr neu entdecken.

Deswegen bringen Sie sich weiter ein. Wie schon gesagt, das „Humboldt-Fieber“ ist ansteckend. Ich meine jedenfalls, dass die Reise zu Wissen und Weisheit, durch Toleranz und Austausch geprägt, noch viel weiter geht. Wo wir gemeinsam vorangehen, sind wir auf dem richtigen Weg. Ich freue mich auf den Austausch dazu, den wir noch haben werden.

Ich glaube, dass wir hier genau richtig sind, mit dem was wir tun. Und dann werden wir auch sehen, was bleibt.

Vielen Dank!

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