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Rede von Außenminister Heiko Maas im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: „Förderung und Stärkung der Rechtsstaatlichkeit bei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit – humanitäres Völkerrecht“

Außenminister Heiko Maas in der Debatte des Sicherheitsrates über die Stärkung des humanitären Völkerrechts

Außenminister Heiko Maas in der Debatte des Sicherheitsrates über die Stärkung des humanitären Völkerrechts, © dpa

13.08.2019 - Rede

Es ist erst zwei Wochen her, dass wir gemeinsam des 75. Jahrestags des Warschauer Aufstands gedacht haben. In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs wurden 200.000 unschuldige Männer und Frauen – die meisten von ihnen Zivilisten – von deutschen Soldaten ermordet. Warschau lag in Trümmern.

Es waren Verbrechen wie dieses, die die internationale Staatengemeinschaft veranlasst haben zu sagen: „Nie wieder!“.

Die Genfer Konventionen wurden verabschiedet. Und noch heute sind sie eine der stolzesten Errungenschaften der Menschheit. Die Alternative – Krieg ohne Grenzen – dürfen wir nie wieder zulassen.

Die Genfer Konventionen bilden die Grundpfeiler des humanitären Völkerrechts. Ihr Geist wird von den mutigen Frauen und Männern gewahrt, die in humanitären Einsätzen weltweit ihr Leben der Rettung anderer widmen.

Und während sie ihre Arbeit tun, müssen wir uns fragen: tun wir auch unsere Arbeit?

  • Natürlich stehen humanitäre Notlagen inzwischen regelmäßig auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats.
  • Immer häufiger wird im Sicherheitsrat darüber berichtet – von Experten, deren Glaubwürdigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, so wie unsere heutigen Briefer. Dank ihnen werden Angriffe auf humanitäre Akteure und Verstöße gegen das humanitäre Recht klar und deutlich zur Sprache gebracht.

Aber können wir wirklich von Fortschritten sprechen, wenn es immer mehr humanitäre Krisen gibt, vor allem im Kontext bewaffneter Konflikte?

Was sagt es über den Sicherheitsrat aus, wenn wir zwar immer öfter zusammenkommen - aber trotzdem immer weiter Menschen sterben?

Das humanitäre Recht gerät weltweit unter die Räder. Und die Komplexität moderner Kriegsführung – mit extremistischen Gruppen und grenzüberschreitenden Konflikten – bringt neue, tödliche Herausforderungen mit sich.

  • Täglich gibt es Angriffe auf Zivilpersonen, auf humanitäre Helfer und medizinisches Personal.
  • Krankenhäuser und Schulen geraten ins Visier. Erst kürzlich wurde in der syrischen Stadt Kafranbel ein Krankenhaus, das von der Bundesregierung und ihren humanitären Partnern unterstützt wird, gleich zweimal angegriffen.

Und das ist nur ein Beispiel von vielen.

Wir lassen diejenigen im Stich, die am verletzlichsten sind. Wir werden unseren rechtlichen und moralischen Verpflichtungen nicht gerecht.

Herr Maurer, Peter, Sie haben einmal gesagt, Frieden bleibe das explizite Ziel neutralen und unparteiischen humanitären Handelns. Und dass dieses Ziel hochpolitisch sei. Ich stimme Ihnen zu.

Frieden und Sicherheit sind bedroht, wenn Tausende Menschen sterben.

Wenn Zehntausende um ihr Leben fürchten.

Meine Damen und Herren,

wenn die elementarsten Grundsätze der Menschlichkeit in Gefahr sind, muss dieser Rat handeln. Das ist unsere Pflicht.

Es mag sein, dass wir uns über die politischen Lösungen für viele der weltweiten Konflikte oft uneins sind. Das ist die traurige Realität.

Aber dort, wo es darum geht, menschliches Leben zu schützen, müssen wir unsere Differenzen überwinden! Wir müssen den Grundsätzen gerecht werden, auf die wir uns vor 70 Jahren gemeinsam verständigt haben.

  • Lassen Sie uns also jene zur Rechenschaft ziehen, die humanitäre Helfer angreifen und gegen die Genfer Konventionen verstoßen. Deshalb unterstützt Deutschland Organisationen, die Kriegsverbrechen in Syrien dokumentieren. Die Verbrecher müssen wissen: ihre Taten bleiben nicht ungestraft!
  • Lassen Sie uns unseren Einfluss nutzen und sicherstellen, dass alle Konfliktparteien humanitäres Recht und humanitäre Prinzipien uneingeschränkt achten.
  • Ziel humanitärer Diplomatie muss es sein, das Wissen über das humanitäre Völkerrecht zu verbreiten. So, wie es zum Beispiel die Bundeswehr bereits tut, wenn sie – wie in Mali – Ausbildungsmissionen durchführt.
  • Und lassen Sie uns jene unterstützen, die tagtäglich über humanitären Zugang verhandeln. Von ihrem Erfolg hängen Menschenleben ab. Einrichtungen wie das in Genf ansässige Kompetenzzentrum für humanitäre Verhandlungen verdienen deshalb unsere volle Unterstützung.

Meine Damen und Herren,

dies sind ganz konkrete Maßnahmen, die wir gemeinsam ergreifen können. Und zwar heute, nicht morgen. Sie sind Teil des “Humanitarian Call for Action”, den Deutschland und Frankreich während ihrer Zwillingsvorsitze im Sicherheitsrat im März und April lanciert haben.

Unsere heutige Sitzung ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Wir rufen alle Mitgliedstaaten auf, sich uns anzuschließen, angefangen bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats.

Meine Damen und Herren,

wir dürfen nie die Lektion vergessen, die die Menschheit vor 70 Jahren lernen musste. Für all jene, die das Grauen des Zweiten Weltkriegs erlebt haben, waren die Genfer Konventionen ein Zeichen der Hoffnung. Und das sind sie noch heute – wenn wir sie denn endlich umsetzen. Jeder Schritt in diese Richtung hilft, um Menschenleben zu retten. Es ist unsere Pflicht, dafür zu kämpfen.

Vielen Dank, Herr Präsident.

-- deutsche Übersetzung der englischen Originalfassung --

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