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Rede von Außenminister Sigmar Gabriel zur Verabschiedung des französischen Botschafters S.E. Herrn Philippe Etienne

01.06.2017 - Rede

Sehr geehrter Herr Botschafter Etienne,
Exzellenzen,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

wir ehren und verabschieden heute nicht nur einen großen französischen Diplomaten, sondern einen großen Freund Deutschlands und Europas!

Lieber Herr Botschafter,

vor einiger Zeit gab es eine Diskussion, zumindest hier in Deutschland, darüber, worin eigentlich noch der Zweck von Botschaftern in europäischen Nachbarstaaten liegt.

Die wichtigen Fragen würden ohnehin direkt zwischen den Hauptstädten oder in Brüssel besprochen.

Sie, lieber Herr Etienne, sind der beste Beweis dafür, dass diese These grundfalsch ist. Denn gerade jetzt brauchen wir mehr denn je Brückenbauer in Europa, so wie Sie es sind, damit wir wirklich verstehen, was bei unseren Nachbarn passiert und warum es passiert.

Sie, lieber Herr Etienne, sind ein solcher Übersetzer gewesen, zwischen Frankreich und Deutschland, in beide Richtungen! Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich!

Und Sie sind ein wirklicher Kenner unseres Landes!

Denn es ist heute nicht das erste Mal, dass Sie von Deutschland Abschied nehmen. Sie waren bereits einmal in Deutschland „auf Posten“ wie man wohl in der Diplomatensprache sagt.

Sie waren von Sommer 1985 an in der französischen Botschaft, damals noch in Bonn, eingesetzt. Aber lange sind Sie nicht geblieben, knapp zwei Jahre nur.

Deshalb hat das Auswärtige Amt wohl auch leicht pikiert auf Ihrer Diplomatenakte vermerkt: „Der Mindestaufenthalt von zwei Jahren wurde nicht erfüllt!“. Nun ja, diese Scharte haben Sie ja mittlerweile ausgewetzt!

Vielleicht sind auch deshalb nur so kurz geblieben, weil Ihnen damals Ihr geliebtes Blaupunkt-Radio aus dem Auto gestohlen wurde. Da soll noch einmal jemand sagen, dass es Bonn beschaulich gewesen sei!

Ernsthaft: Schon damals haben Sie sich mit den wesentlichen Themen beschäftigt, die auch heute unsere beiden Länder gemeinsam bearbeiten.

Ich habe mir mal die Dossiers angesehen, die damals zwischen Frankreich und Deutschland besprochen wurden:

Ost-West-Beziehungen, das Verhältnis zur Türkei, leider auch das Thema internationaler Terrorismus. Ganz oben auf der Agenda: die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik.

All diese Themen sind noch heute aktuell. Aktueller denn je sogar. Naja. Fast alle. Denn auf der Agenda stand damals auch: „Einführung der mobilen Telefonie“…

Lieber Herr Botschafter,

die großen Themen mögen sich ähneln, aber Sie sind in ein anderes Deutschland zurückgekommen, als Sie hier 2014 Botschafter wurden. Und Sie sind in eine andere Stadt gekommen, hier nach Berlin.

Das Leben in Berlin begeistert Sie. Sie lieben diese Stadt mit ihrem kulturellen Treiben, ihrer Geschichte, ihren unterschiedlichen Kiezen. Sie lieben ihre Bewohner, die Energie dieser Stadt und die allgegenwärtige Natur.

Sie haben hier am Pariser Platz nicht nur einen Arbeitsplatz mitten im Zentrum von Berlin, um den Sie viele beneiden.

Auch die Wohnung des Botschafters liegt im obersten Stockwerk der Botschaft.

Das heißt, alles, was unten auf dem Pariser Platz oder am Brandenburger Tor vor sich geht, und das ist bekanntlich viel, können Sie von einem Logenplatz aus miterleben:

die Silvesterfeiern,

die Weltmeisterfeiern – ich hoffe, das war nicht allzu schmerzhaft für Sie!,

die Feierlichkeiten zur deutschen Einheit,

aber auch zum 14. Juillet, dem französischen Nationalfeiertag,

die Berliner fashion week,

und gerade letzte Woche Barack Obamas Auftritt auf dem Kirchentag.

Aber ich nehme an, für Sie war der Blick auf das Brandenburger Tor nicht immer nur einfach in Ihrer Zeit als Botschafter hier.

Denn wenn das Brandenburger Tor in den Farben der Tricolore angestrahlt wurde, war dies leider ein Zeichen dafür, dass es in Frankreich wieder einen barbarischen Terrorakt gegeben hatte.

Aber wenn sich tausende Berlinerinnen und Berliner hier auf dem Pariser Platz versammeln, wie nach den Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo, dann ist es eben auch ein starkes Zeichen dafür, dass unsere Gesellschaften zusammenstehen, wir gemeinsamen für unsere Werte einstehen und eben nicht alleine sind im Kampf gegen jegliche Form von Extremismus und Ausgrenzung.

Sie, lieber Herr Botschafter, haben in Ihrer Zeit hier in Deutschland besonderen Wert darauf gelegt, dass sich nicht nur unsere Regierungen, sondern eben auch die Bevölkerungen nah und vertraut bleiben.

Zu diesen engen Banden zwischen den Gesellschaften gehört auch die Fähigkeit in derselben Sprache miteinander sprechen zu können.

In Ihren eigenen Worten: „Mehrsprachigkeit ermöglicht Austausch, dadurch entstehen Freundschaften, die Jahre überdauern. Das macht es Nationalisten schwerer, die Menschen zu spalten.“

Ich finde, Sie haben nicht nur Recht, sondern leben es auch vor, mit Ihrem wirklich exzellenten Deutsch!

Lieber Herr Botschafter,

der Bundespräsident hat Ihnen heute früh als Ausdruck unserer besonderen Anerkennung das Große Verdienstkreuz mit Stern verliehen. Dies natürlich dafür, was Sie bereits in Deutschland und für die Deutsch-Französische Freundschaft geleistet haben!

Aber ich hoffe, dass diese Auszeichnung auch eine Brücke in die Zukunft sein wird.

Eine Brücke in Ihre ganz persönliche Zukunft. Denn Sie arbeiten nun als der außenpolitische Berater des neuen französischen Präsidenten.

Und in dieser Rolle haben Sie die große Chance an ganz entscheidender Stelle an unserer gemeinsamen europäischen Zukunft zu arbeiten.

Denn ich glaube, unsere beiden Länder, Frankreich und Deutschland, müssen jetzt dafür sorgen, dass Europa wieder ein geeinter und handlungsfähiger Kontinent wird.

Zwei Dinge sind hierfür zu tun:

Europa muss erstens in der Außen- und Sicherheitspolitik zu einer handlungs- und schlagkräftigen Einheit werden. Europas Stimme muss in der Welt mehr Gewicht bekommen.

Damit das gelingt, müssen wir zweitens endlich die inneren Großkonflikte in der EU lösen – gerade in der Wirtschafts- und Währungspolitik.

Das Zeitfenster, das wir haben, ist klein. Wenn wir die Dinge nüchtern betrachten, dann haben wir bestenfalls die nächste französische – und deutsche -Legislaturperiode, um Europa zukunftsfest zu machen. Vieles spricht dafür, dass wir nur diese eine Chance haben.

Mit einem französischen Präsidenten Macron könnten wir endlich den deutsch-französischen Motor in Europa wiederbeleben und den Startschuss geben, aus der Politik einer bloßen Reaktion auf Krisen herauszukommen.

Ein erster Schritt dieser Zusammenarbeit ist der anstehende deutsch-französische Ministerrat, den ich mit meinem neuen französischen Amtskollegen vorbereite. Diese Gelegenheit sollten wir nutzen, um konkrete Schritte für unsere gemeinsame Arbeit in und für Europa auf den Weg zu bringen.

Meine Damen und Herren,

wir verlieren einen wunderbaren Botschafter Frankreichs hier in Berlin.

Aber wir freuen uns, dass wir einen weiteren Freund Deutschlands im Elysée-Palast gewinnen werden.

In diesem Sinne, lieber Herr Etienne: Merci beaucoup et à bientôt!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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