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Eskalation in Nordost-Syrien

Flüchtlingslager Ain Issa in Nordsyrien

Flüchtlingslager Ain Issa in Nordsyrien, © picture alliance/Chris Huby / Le Pictorium/MAXPPP/dpa

14.10.2019 - Artikel

Die Militäroffensive der Türkei in Nordost-Syrien droht das Land weiter zu destabilisieren und riskiert ein Wiedererstarken der Terrororganisation Islamischer Staat.

Was ist passiert?

Seit dem 9. Oktober läuft eine türkische Militäroffensive im Nordosten Syriens. Vorher herrschte hier im Vergleich zum Rest des Landes eine relative Stabilität. Die von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben als Verbündete der USA gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gekämpft und dabei auch umfangreiche militärische Ausbildung und Unterstützung erhalten. Die Türkei will mit der nun gestarteten einseitigen Militäroffensive gegen die YPG vorgehen, die aus türkischer Sicht identisch mit der kurdischen Terrororganisation PKK sind. Zudem hat die türkische Regierung angekündigt, in dem Gebiet syrische Flüchtlinge anzusiedeln, die bislang in der Türkei Zuflucht gefunden haben. Damit droht im Nordosten Syriens eine militärische Eskalation mit erheblichen Konsequenzen für die Zivilbevölkerung und die Region.

Was ist die deutsche Position?

Die Bundesregierung verurteilt die türkische Militäroffensive. Aus ihrer Sicht ist nach derzeitigem Stand nicht zu erkennen, dass die aktuelle Situation in Syrien eine gegen kurdische Gruppen gerichtete militärische Intervention dort völkerrechtlich legitimieren würde. Die Türkei nimmt bei ihrem Vorgehen eine weitere Destabilisierung der Region, weitere Fluchtbewegungen und ein Wiedererstarken des IS in Kauf. Die Vereinten Nationen sprechen bereits von 150.000 bis 200.000 Flüchtlinge aus der Region.

Das Auswärtige Amt hat deshalb das türkische Außenministerium wiederholt nachdrücklich aufgefordert, von einer militärischen Intervention im Nordosten Syriens abzusehen.

Unmittelbar nach Beginn der Offensive sagte Außenminister Maas:

Wir verurteilen die türkische Offensive im Nordosten Syriens auf das Schärfste. Wir rufen die Türkei dazu auf, ihre Offensive zu beenden und ihre Sicherheitsinteressen auf friedlichem Weg zu verfolgen.

Im Vorfeld des EU-Außenministertreffens kündigte Außenminister Maas zudem eine noch restriktivere Rüstungsexportpolitik in Bezug auf die Türkei an:

Die Bundesregierung hat bereits seit 2016 und insbesondere nach der türkischen Militärkampagne in Afrin Anfang 2018 eine sehr restriktive Linie für Rüstungsexporte umgesetzt. Vor dem Hintergrund der türkischen Militäroffensive in Nordost-Syrien wird die Bundesregierung keine neuen Genehmigungen für alle Rüstungsgüter, die durch die Türkei in Syrien eingesetzt werden könnten, erteilen.

Im Namen der fünf europäischen Mitglieder im Sicherheitsrat – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien und Polen – beantragte Deutschland direkt nach Beginn der türkischen Militäroperation eine Sonderbefassung des Sicherheitsrats zum Thema. Auch die EU-Mitgliedsstaaten haben in einem gemeinsamen Statement am 9. Oktober ihre Sorgen gegenüber der Militäroffensive zum Ausdruck gebracht.

Dies wurde beim EU Rat für Auswärtige Angelegenheiten am 14. Oktober erneut bekräftigt. Die EU-Außenminister verurteilten die türkische Militäroperation und forderten die Türkei auf, dieses unilaterale Vorgehen zu beenden. Neben den bereits zum Ausdruck gebrachten Sorgen in Bezug auf die Flüchtlingsbewegungen und einem Wiedererstarken des IS wurde auch betont, dass die aktuelle Situation einen UN-geführten politischen Prozesses deutlich erschwert.

Die Bundesregierung setzt sich in Syrien für die Einleitung eines politischen Prozess ein. Ende Oktober soll erstmalig ein Verfassungskomitee unter Leitung der Vereinten Nationen einberufen werden, welches einen Anfang für einen solchen Prozess darstellen kann.

Wie engagiert sich die Bundesregierung in Nordost-Syrien?

Im Kampf gegen die Terrororganisation IS ist Deutschland Mitglied der Internationalen Anti-IS-Koalition und trägt aktiv zur langfristigen Bekämpfung der Terroristen in Syrien und Irak bei – auch im Nordosten Syriens. Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau, zur Stabilisierung und zur humanitären Hilfe in von IS-befreiten Gebieten in Syrien und in Irak.

Deutschland ist derzeit zweitgrößter Geber für humanitäre Hilfe in Syrien und hat 500 Millionen Euro humanitäre Hilfe für 2019 zugesagt. Dabei unterstützen die Bundesregierung Programme des Welternährungsprogramms, das UN-Flüchtlingshilfswerks und des Internationalen Roten Kreuzes im ganzen Land. Im Nordosten hat die Bundesregierung in 2019 rund 5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, darunter auch Hilfsmaßnahmen in Flüchtlingslagern, in denen vor den Kämpfen mit IS geflohene Menschen leben. Deutschland leistet als größter Geber der Welternährungsorganisation WFP in Syrien einen bedeutenden Beitrag für die Versorgung mit Nahrung in diesen Lagern.

Die Stabilisierung der von IS befreiten Gebiete ist wichtiger Bestanteil des deutschen Engagements. Deutschland hat den Ko-Vorsitz der Arbeitsgruppe Stabilisierung der internationalen Anti-IS-Koalition inne. In Nordost-Syrien hat die Bundesregierung in den von IS befreiten Gebieten seit 2017 Stabilisierungsmaßnahmen in Höhe von über 50 Millionen Euro gefördert. Schwerpunkte sind das Räumen von Minen, die IS hinterlassen hatte, und die Wiederherstellung der Grundversorgung, also Wasser- und Abwasserversorgung oder auch Strom.

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