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„Colonia Dignidad“ – Hilfskonzept für die Opfer

Staatsminister Annen stellt gemeinsam mit Parlamentariern das Hilfskonzept vor.

Staatsminister Annen stellt gemeinsam mit Parlamentariern das Hilfskonzept vor., © Florian Gaertner/photothek.net

17.05.2019 - Artikel

Die Gemeinsame Kommission von Bundestag und Bundesregierung hat sich am Donnerstag, 16.5., auf ein Hilfskonzept für die Opfer der „Colonia Dignidad“ geeinigt. Das Auswärtige Amt steht zu seiner moralischen Mitverantwortung.

Die Gemeinsame Kommission will mit dem Hilfskonzept auf so unbürokratische Weise wie möglich Betroffenen wirksam helfen. Es soll einen Beitrag dazu leisten, dass die Überlebenden die Unterstützung erfahren, die sie so lange nicht oder nicht hinreichend erfahren haben. Dazu wird ein Hilfsfonds für Individualleistungen eingerichtet. Er soll die Spätfolgen der Betroffenen auf Grund der schrecklichen Erfahrungen in der „Colonia Dignidad“ abmildern. Erstattet werden vor allem Kosten für Pflege, Gesundheit, Bildung und Arbeit. Betroffene können hierfür bis zu 10.000 Euro beantragen. Mit Mitteln des Hilfsfonds werden auch Anlauf- und Beratungsstellen in Deutschland und in Chile eingerichtet. Sie sollen den Betroffenen zur Seite stehen, etwa bei der Beantragung der Mittel.

Jahrzehnte von Verbrechen

1961 gründete Paul Schäfer in Chile die „Colonia Dignidad“. Das Außenbild einer harmonischen, verschworenen Gemeinschaft, die in Idylle und Gottesfurcht ein christlichen Werten gewidmetes Leben führt, diente der Tarnung einer verbrecherischen Organisation. In der „Colonia“ wurden Frauen, Männer und Kinder über Jahrzehnte hinweg Opfer entsetzlicher Verbrechen. Schäfer und seine Vertrauten errichteten eine Sekte, deren Ordnung sich auf psychische und physische, einschließlich schwerste sexuelle Gewalt, auf Sklavenarbeit und Denunziantentum, auf ständige Überwachung und Einschüchterung gründete.

Bis heute wirken bei den Überlebenden die Folgen von Gewalt, Missbrauch, Ausbeutung und Sklavenarbeit durch physische Leiden und schwerste seelische Verletzungen nach. Die vielfältigen Formen der gezielten Entwürdigung in der „Kolonie Würde“ haben Wunden gerissen, die nicht verheilt sind und nicht verheilen können.

Rolle des Auswärtigen Amts

Auch deutsche Regierungsvertreter spielten oft eine unrühmliche Rolle, als ihre Standhaftigkeit, Beharrlichkeit und ihr nachdrücklicher Einsatz für die Menschen in der „Colonia“ gefordert gewesen wären. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier bekannte sich stellvertretend für das gesamte Auswärtige Amt im April 2016 öffentlich dazu:

Über viele Jahre hinweg… haben deutsche Diplomaten bestenfalls weggeschaut – jedenfalls eindeutig zu wenig für den Schutz ihrer Landsleute in dieser Kolonie getan.

Das Amt sei „nicht daran schuld, dass es in Chile einen Militärputsch und 17 Jahre Militärdiktatur gab. Es trägt auch keine Verantwortung für das Unwesen (in der Kolonie).“ Aber es hätte „entschiedener ‚Deutschen nach pflichtgemäßem Ermessen Rat und Beistand gewähren‘ müssen.“

In den letzten Jahren hat das Auswärtige Amt Projekte zur Aufarbeitung der Vergangenheit finanziert. Daneben hat das Auswärtige Amt auch einige in Chile lebende Betroffene, etwa durch die Übernahme von Pflege- oder Psychotherapieleistungen, unterstützt.

Die Gemeinsame Kommission aus Bundestag und Bundesregierung

Zwar können Bundestag und Bundesregierung keine rechtliche Verantwortung für die in der „Colonia Dignidad“ verübten Verbrechen oder für die Diktatur, die seinerzeit in Chile mit der Sekte kollaborierte, übernehmen. Sie stellen sich aber der moralischen Mitverantwortung, die für die Aufarbeitung der Geschehnisse und für die Linderung des Leids der Opfer übernommen wird. Bundestag und Bundesregierung wollen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass den Betroffenen in Anerkennung ihres Leidens gezielt geholfen werden kann. Nur so können die Folgen der Verbrechen in der „Colonia Dignidad“ abgemildert werden.

Das dazu ausgearbeitete Hilfskonzept ist das Ergebnis der Beratungen in der sogenannten Gemeinsamen Kommission. Sie setzt sich aus Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien und Vertreterinnen und Vertretern zuständiger Bundesministerien – unter anderem auch dem Auswärtige Amt – zusammen.

Die Gemeinsame Kommission hat rechtliche Möglichkeiten geprüft, bestehende Hilfsangebote für Opfer anderer Verbrechen verglichen, Betroffene angehört sowie Expertinnen und Experten befragt. Gerade die Anhörungen der Betroffenen, von Opfergruppenvertretern und Experten haben gezeigt, dass so gut wie alle, die den Misshandlungen ausgesetzt waren, darunter bis heute leiden – vor allem gesundheitlich. Allen Kommissionsmitgliedern ist bewusst, dass niemand das Leid der Betroffenen ungeschehen machen kann.

Das Hilfskonzept für die Opfer der „Colonia Dignidad“ ausgearbeitet und verabschiedet von der Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesregierung finden Sie hier.

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