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Zurück ins Leben – wie Deutschland syrischen Kriegsopfern hilft
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz betreibt in Libanon ein medizinisches Zentrum zur Behandlung komplizierter Kriegsverletzungen. Deutschland ist wichtigster Geber.
Maria greift ernst und konzentriert nach den Holzklötzen. Ihr Arm ist bandagiert, die kleinen Finger mit elastischen Bändern an einem Gestell befestigt. Ganz langsam gelingen ihr erste Bewegungen. Der Physiotherapeut lobt das fünfjährige Mädchen aus Syrien. Es dreht sich stolz zu seiner Mutter um.

Dass Maria ihren rechten Arm und vor allem die Finger überhaupt wieder bewegen kann, ist ein kleines Wunder, das die hochspezialisierten Ärzte im Traumatology Training Center in der libanesischen Stadt Tripoli vollbracht haben. Die Klinik wird vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) betrieben, zu dessen wichtigsten Gebern Deutschland zählt. Die Hilfsorganisation wird von der Abteilung S für Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und Humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes mitfinanziert; allein bei der humanitären Hilfe hat Deutschland Libanon seit 2012 mit 150 Millionen Euro unterstützt.

Behandelt werden in Tripoli ausschließlich komplizierte Kriegsverletzungen – so wie die von Maria. Das kleine Mädchen spielte auf dem Flachdach seines Wohnhauses in Aleppo als ein Luftangriff des syrischen Regimes und seiner Verbündeten begann und es um sie herum explodierte. Ein Schrapnell traf Marias rechten Arm. „Er war fast ganz abgerissen“, sagt ihre Mutter Samira Hussein Mohammed. Sie rannte mit ihrer Tochter zum Krankenhaus. Zwei Mal wurde Maria in Syrien operiert, der Arm hing dennoch leblos und gekrümmt an ihrem Körper. Maria wollte nicht mehr rausgehen, die anderen Kinder hatten Angst vor ihr. „Die Situation war so schlimm, dass ich meine eigene Niere verkaufen wollte, um eine neue Operation für Maria zu finanzieren.“
Erst nach ihrer Flucht nach Libanon erfuhr Samira Hussein Mohammed, dass Maria im Traumatology Training Centre behandelt werden konnte – kostenlos und sogar mit einer kleinen finanziellen Überlebenshilfe für die Familie, denn die Behandlung dauert viele Monate. „Für uns geht es auch darum, den Patienten eine Zukunft zurückzugeben“, sagt der britische Chirurg Paul Ley, der Maria mehrfach operiert hat. „Unser Ziel ist, dass sie ein produktives und selbstständiges Leben führen können.“
Die Behandlung von Kriegsverletzungen ist eine herausragende Kernkompetenz des IKRK. Denn nicht nur für jeden einzelnen verwundeten Menschen ist es wichtig, wieder möglichst gesund und selbstbestimmt leben zu können, sondern auch für die Gesellschaft und die Zukunft eines Landes. „Wenn man ein Land wieder aufbauen will, braucht man aktive Menschen, die das auch leisten können“, sagt Fabrizio Carboni, Leiter der IKRK-Delegation im Libanon.
Die Zahl der Syrer, die das nicht mehr können, ist auch deshalb besonders hoch, weil „der Zugang zu Gesundheitsversorgung mehr und mehr als Waffe eingesetzt wird“, so Carboni. Das IKRK versucht, bedrängte Kliniken so gut es geht mit OP-Ausrüstungen und Medikamenten zu versorgen. Aber dennoch können Verletzte oft nur notdürftig in Feldhospitälern versorgt werden. Die Folge: Knochenentzündungen, notdürftig durchgeführte Amputationen, unvollständig verheilte Brüche und ständige Schmerzen.

Auch bei Baschira Arasch aus der syrischen Stadt Homs war es so. Die 56-jährige Witwe wurde verletzt, als sie vor den Bomben davonlief. Der aufgewirbelte Staub nahm ihr die Sicht. Sie sah den Laternenmast nicht kommen, der auf sie herabstürzte und ihr den Arm brach. Nach einer Operation in Homs entzündete und versteifte sich der ganze Arm. An ihre Arbeit als Strickerin in einer kleinen Werkstatt war nicht mehr zu denken. „Ich war wirklich verzweifelt, weil ich Angst hatte, dass amputiert werden muss und ich einen Teil meines Körpers verliere“, erzählt Samira Arasch. Im Traumatology Training Centre wurde sie inzwischen fünf Mal operiert. Ein Metallgestell ragt aus ihrem Arm. Aber sie kann ihn wieder bewegen, die Schmerzen sind fast komplett verschwunden. „Ich kann es schon jetzt kaum abwarten, wieder zu stricken“, sagt sie. „Es liegt mir im Blut, ich liebe meine Arbeit“, lacht sie. „Und meine Unabhängigkeit.“