Willkommen auf den Seiten des Auswärtigen Amts
Zum Tod von Richard von Weizsäcker
Als einen herausragenden und mutigen Politiker würdigt Außenminister Frank-Walter Steinmeier den am 31. Januar 2015 verstorbenen Alt-Bundespräsidenten.

Deutschland trauert um Richard von Weizsäcker. Um einen Menschen, einen Politiker und einen Staatsmann, der für das Ansehen Deutschlands in der Welt Großes geleistet hat.
Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes im Mai 1985 im Deutschen Bundestag ist ein Meilenstein in der Geschichte Deutschlands.
Der zentrale Satz, der 8. Mai 1945 sei für die Deutschen kein „Tag der Niederlage“, sondern ein „Tag der Befreiung“ gewesen, wurde von vielen Menschen in beiden deutschen Staaten und in der ganzen Welt als im wahrsten Sinne des Wortes befreiend empfunden. Auch von mir.
Unsere Nachbarn in Europa verstanden die Botschaft als ein lang ersehntes Eingeständnis der historischen Wahrheit: Das Hitler-Regime war verantwortlich für den mörderischen Krieg, den Holocaust, das millionenfache Verbrechen an den Völkern Europas. Der Sieg über diese deutsche Terror-Herrschaft war die Voraussetzung für einen friedlichen Neubeginn in Europa.
Für die Deutschen selbst bedeutete das Bekenntnis des damaligen Bundespräsidenten auch eine Befreiung – von der Lebenslüge nämlich, dass es im Krieg um den Überlebenskampf gegen eine feindliche Übermacht ging. Weiterleben konnte Deutschland nur durch die militärische Niederlage. Den Mut, diese Wahrheit auszusprechen, hatte vor Richard von Weizsäcker kein deutscher Politiker!
Schließlich habe auch ich und mit mir eine Mehrheit in meiner Generation die Rede und das Wirken Weizsäckers als befreiend empfunden. 40 Jahre nach Kriegsende sprach ein deutscher Bundespräsident das aus, was vor ihm Willy Brandt mit seinem Kniefall in Warschau ohne Worte ausgedrückt hatte: Das tiefe Bekenntnis zu unserer Geschichte und besonderen deutschen Verantwortung.
In wenigen Wochen jährt sich diese bedeutende Rede zum 30. Mal. Aber sie ist heute aktueller als wir es uns wünschen können... Gerade jetzt, in einer Zeit, da längst überwunden geglaubte Konflikte wieder aufbrechen, sollten wir uns an die Worte Richard von Weizsäckers erinnern.
Lernen, „miteinander zu leben, nicht gegeneinander“ – diese Lehre aus unserer Geschichte, dieser mahnende Auftrag wird bleiben. Auch wenn die weise Stimme Richard von Weizsäckers uns fehlen wird.
(Nachruf von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, auch erschienen auf bild.de am 31. Januar 2015 und in BILD am SONNTAG am 01. Februar 2015)